Philippi ist eines der ärmsten Townships Kapstadts. 200.000 Menschen leben hier, die Kriminalitäts- und HIV-Raten sind hoch. Doch gibt Philippi keineswegs nur negative Schlagzeilen ab, sondern ist auch der Standort eines weltweit beachteten Leuchtturmprojekts. Im großen Stil werden hier auf Basis biogener Abfälle Fliegenlarven gezüchtet, die – zu proteinreichem Tierfutter weiterverarbeitet – letztlich die Überfischung der Meere vermindern. Denn das Larvenmehl dient als hochwertiger Ersatz für Fischmehl, das sowohl in der Hühner- als auch in der Fischzucht noch immer massiv zum Einsatz kommt. Dafür wird auf Anlagen des steirischen Industrieunternehmens Christof Industries gesetzt.

Johann Christof, Eigentümer und Geschäftsführer des Anlagenbauers, sieht darin mehr als nur einen weiteren neuen Geschäftszweig mit viel Potenzial: „Uns treiben dabei drei Gedanken: Abfall als Wertstoff zu betrachten, Lösungen für den steigenden Nahrungsmittelbedarf der wachsenden Weltbevölkerung zu finden und auch über unsere Kunden in einem schwierigen Umfeld wie Philippi Arbeitsplätze und damit einen sozialen Mehrwert zu schaffen.“

Christof Industries: Prämierter Pionier

Der Lokalaugenschein im Werk offenbart: Dicht gedrängt geht es hier zu, mehr als acht Milliarden Schwarze Soldatenfliegen surren durch zeltähnliche Brutstätten. In der Nachbarhalle kreuchen und fleuchen Larven bei 35 Grad in sauber beschrifteten Regalfächern – und fressen sich durch ihr Spezialmenü. Innerhalb ihrer zehntägigen Lebensdauer erhöhen sie ihr Gewicht um das 200-Fache und dienen so als biologisches Ausgangsprodukt für die Erzeugung von hochwertigstem Protein. Rund 50 Tonnen Futtermittel werden hier Tag für Tag produziert und 250 Tonnen Abfälle – gesammelt von Lebensmittelfabriken, Supermärkten und Restaurants – verarbeitet. Als erste Biotech-Anlage, die jede Art organischen Abfalls zur Gänze verwertet, wurde diese Pionierleistung schon mit diversen Preisen, etwa dem BBC Food Chain Global Champion Award, ausgezeichnet. Darüber ist auch in Graz die Freude groß, schließlich hat Christof Industries jeden einzelnen Arbeitsschritt mitgestaltet und die gesamte Anlage geliefert. 

Nun soll es in die Skalierung gehen. Zwei solcher Anlagen sind derzeit in Betrieb, dutzende dürften allein innerhalb der nächsten Jahre dazukommen. Das Potenzial, Lebensmittel aus Über- oder Fehlproduktionen zu verwerten und nicht auf Deponien verrotten zu lassen, ist laut Johann Christof in vielen Ländern der Welt groß und vor allem wirtschaftlich darstellbar. Anzeichen dafür sieht er darin, dass der Mitbewerb langsam an Fahrt aufnimmt. So zeigt aktuell etwa die deutsche Schwarz-Gruppe, zu der Diskontriese Lidl gehört, Interesse an einer Verwertungsanlage für ihre überschüssigen Lebensmittel.

Der von Fabriken, Supermärkten und Restaurants gesammelte Biomüll wird im Werk in Kapstadt angeliefert.
Die Fliegenlarven fressen sich durch die Bioabfälle – und erhöhen so ihr Gewicht innerhalb von zehn Tagen um das 200-Fache.
Im letzten Schritt werden die Larven zu hochwertigem Tierfutter, das als Ersatz für Fischmehl eingesetzt wird, verarbeitet.
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Christof Industries hat die Megathemen im Blick

Es ist wohl vor allem dieses visionäre Denken, das Christof Industries nicht nur in ein Township Kapstadts, sondern auch in die Position gebracht hat, die das Unternehmen heute einnimmt: erfolgreich im Anlagenbau und Industrieservice mit einem komplexen Portfolio an eigenen Technologien und Fertigungsstätten. Zudem wurden in den vergangenen Jahren sukzessive Firmenübernahmen, Neugründungen sowie Beteiligungen weltweit ausgebaut. „Wir haben bereits in den 1990er Jahren über den Tellerrand hinausgeblickt und erkannt: Man braucht als Anlagenbauer zukünftig mehr als nur ein Produkt oder eine Leistung. Heute bieten wir alles aus einer Hand an“, sagt Johann Christof. Deutlich früher als anderswo wurde zudem das Potenzial gesehen, das in der Weiterverwertung von Abfällen und in der Wiederverwendung von Prozessenergie steckt. So beliefert das Grazer Unternehmen mittlerweile schwerpunktmäßig Kunden in den Sektoren Abfallverwertung und Umwelttechnik sowie Energie und Versorgung. Die große Vision hinter den vielfältigen Projekten und Technologien von Christof Industries lautet: Eine vollständige Kreislaufwirtschaft anvisieren, in der alle Industrien effizient, sauber und abfallfrei arbeiten, Schlagwort Zero Waste.

Damit liegt Christof Industries voll im Trend. „Zero Waste schickt sich an, zum Megathema in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu avancieren“, hieß es kürzlich in der Titelgeschichte des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Wer als Unternehmen bereits jetzt auf Zero Waste und Kreislaufwirtschaft setze, werde in Zukunft „über einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verfügen“, wird Martin Brudermüller, Chef des deutschen Chemiegiganten BASF, zitiert.

Christof Industries CEO Johann Christof lenkt die Geschicke.
Lenkt die Geschicke als Eigentümer und CEO: Anlagenbauer Johann Christof

Die Denkweise der nachrückenden Generationen spielt Christof Industries dabei ebenfalls in die Hände. „Als Familienvater mit fünf erwachsenen Kindern und acht Enkelkindern höre ich ununterbrochen, wie interessiert junge Menschen über Themen wie Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und den Kampf gegen die Klimakrise diskutieren. Das sind die Zukunftsthemen schlechthin“, sagt Johann Christof – und verweist darauf, dass viele junge Techniker vor allem auch aufgrund des zukunfsorientierten und nachhaltigen Geschäftsmodells gerne für Christof Industries arbeiten.

Christof Industries mit vielseitigem Angebot

Heute können Anlagen aus dem Hause Christof Industries nicht nur feste, sondern auch flüssige und gasförmige Industrieabfälle verwerten. Aus Altspeiseölen wird Biodiesel – und das nicht nur in Österreich oder Deutschland, sondern auch in der Türkei oder in Thailand. Rund 250.000 Tonnen produzieren die Anlagen aus der Steiermark derzeit jährlich. Und in der Nähe von Bangkok ist bereits seit 2007 ein Heizkraftwerk in Betrieb, dessen von Christof Industries errichteter Dampfkessel mit Abfällen aus der Palmölindustrie befeuert wird. In den Niederlanden und in China stehen Anlagen, die hochgiftige Chemieabfälle unschädlich machen und auch noch thermisch nutzen. Für Johann Christof ein Leuchtturmprojekt: „Bis dato bekamen diese Kunden ihre Prozesswärme aus Kohlekraftwerken, in Zukunft aber aus dem eigenen hochgiftigen Abfall“, freut er sich. Allein für den chinesischen Markt sind vier weitere solcher Anlagen in der Pipeline.

Biomassekraftwerk in Thailand
Mit Abfällen aus der Palmölindustrie gespeist: Biomassekraftwerk in Thailand

Mit herausfordernden Märkten kennt sich der Unternehmer ohnehin gut aus. Christof Industries ist auch in Entwicklungslandmärkten erfolgreich, nicht nur in Südafrika und Thailand, sondern auch bereits in Ghana, Bangladesch, Laos und Indonesien. Auf besondere Marktpotenziale angesprochen nennt Johann Christof Indien, Südostasien und quasi den gesamten afrikanischen Kontinent. Dort sei die Nachfrage angesichts hoher Müllmengen und noch geringer Verwertung immens. Aktuell stocken coronabedingt einige Projekte, die Finanzierung ist ohnehin ein Dauerthema. Aber Johann Christof bleibt optimistisch und will sich zukünftig noch stärker auf diese Märkte konzentrieren. „Das Wichtigste ist: Der Bedarf ist da, sowohl was die Abfall- als auch was die Energieproblematik angeht, ebenso der Veränderungswille“, betont er. Ein Beispiel: Aktuell befindet er sich in vielversprechenden Gesprächen, um die Abfälle aus der ghanaischen Bananenindustrie einer Verwertung zuzuführen.

Zukunftsprojekte aus dem Hause Christof Industries

Christof Industries hat die sinTion Technologie zur Behandlung medizinischer Abfälle entwickelt.
Globaler Export: Die sinTion-Anlage zur Behandlung medizinischer Abfälle ist weltweit an 165 Standorten im Einsatz.

Eine Säule des Erfolgs von Christof Industries ist die laufende Kooperation der hauseigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung mit den technischen Universitäten in Graz, Wien und Linz, der Wiener Universität für Bodenkultur, der Montanuniversität Leoben ebenso wie mit verschiedenen deutschen Universitäten. Daraus resultierten zuletzt Methoden zur 30-fachen Wiederverwertung von Altölen, zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm oder zur Gewinnung von Erdgas aus überschüssigem, von Windrädern erzeugtem Strom. Eine echte Kreislaufwirtschaft kann es laut Christof aber nur geben, wenn die verschiedenen Technologien miteinander kombiniert und vernetzt werden. Für Dubai denken die Tüftler von Christof Industries das bereits durch. Unter dem Schlagwort „Clean City“ wurde bereits ein Masterplan vorgelegt, der 17 grüne Technologien miteinander vernetzt. Dubai soll so zur ersten müllfreien Stadt der Welt werden – ein „Ort der ständigen Innovation“, wie es im Firmenvideo dazu heißt.

„Natürlich ist dies eine Optimaldarstellung“, sagt Johann Christof. Doch gerade in Dubai sei die Umsetzungsbereitschaft sehr groß. Schließlich handle es sich um ein flächenmäßig kleines Gebiet mit einer hohen Einwohnerdichte und großen Abfallmengen. Dazu komme das ernst gemeinte Bekenntnis zur Nachhaltigkeit sowie der Wunsch, mit spektakulären Projekten weltweites Aufsehen zu erregen.

Die Planungen sind bereits in animierter Form zugänglich. Auch wenn sie einigermaßen futuristisch anmuten: Johann Christof betont, dass es hier um einen ganz realistischen Ansatz geht. Die Technologien seien alle bereits erprobt und einsetzbar, nur die Kombination müsse gelingen. Mithilfe der sich rasant entwickelnden digitalen Möglichkeiten sei dies aber in absehbarer Zeit umsetzbar.

Ist es angesichts solcher Visionen von einer sauberen und abfallfreien Zukunft dann nicht problematisch, wenn Christof Industries auch Anlagen für ein Kohlekraftwerk in Pakistan baut? Ganz und gar nicht, sagt der Chef, denn ein hundertprozentiger Ausstieg aus der Kohle könne nicht von heute auf morgen gelingen. Daher sei es wichtig, bestehende Anlagen mit modernster Technologie auszustatten, um die Umweltbelastung so gering wie möglich zu halten: „Wir fokussieren uns nicht ausschließlich auf alternative Energie, sondern wollen so gut wie möglich die gesamte Energiepalette der Industrie abdecken und überall unseren Beitrag leisten, um sauberer und nachhaltiger zu werden.“

Christof Industries in der Coronakrise 

Mit dem breiten Portfolio an verfügbaren Technologien konnte Christof Industries schon in der Frühphase der Coronapandemie, als die Kenntnisse rund um das Virus noch gering waren und viele bei der Abkürzung FFP wohl eher auf Financial Fairplay im Fußball als auf partikelfiltrierende Atemschutzmasken getippt hätten, einen Beitrag leisten.

Dieser brachte dem Unternehmer auch Anrufe aus den Ministerien ein: Anlass gaben die Engpässe bei Atemschutzmasken für das Krankenhauspersonal. Christof Industries stellte im März 2020 kurzerhand einige leicht modifizierte sinTion-Anlagen, die das Unternehmen bereits Mitte der 1990er Jahre zur Behandlung medizinischen Abfalls entwickelt hatte, Krankenanstalten in der Steiermark und in Tirol zur Verfügung, um gebrauchte Atemschutzmasken in einer Art Groß-Waschmaschine bei bis zu 134 Grad zu sterilisieren und wieder verfügbar zu machen. Inzwischen ist der Bedarf erloschen, da der Markt mit Millionen günstiger Einwegmasken überschwemmt wurde. Die dahinterstehende Technologie ist jedoch flächendeckend in 18 Ländern, unter anderem in Brasilien, Indien und Laos, zur Sterilisation infektiöser Abfälle im Einsatz. Und wenn es die länderspezifische Rechtslage zulässt, wird der desinfizierte Abfall in wiederverwertbare medizinische Hilfsmittel verwandelt. Damit werden neue Kreisläufe angeregt.

Auch wenn das Maskenrecycling wieder eingestellt wurde, zeigt dieses Projekt aus dem letzten Frühjahr, wie es Christof Industries durch schnelle Reaktionsfähigkeit, Anpassungsbereitschaft und dank vieler erfahrener Ingenieure und Verfahrenstechniker schafft, auch komplizierte Lagen zu meistern. Coronabedingt frei gewordene Kapazitäten wurden außerdem genutzt, um 2020 erstmalig einen mehr als 100 Seiten schweren Nachhaltigkeitsbericht vorzulegen. So will Johann Christof auch nicht zu lange über den vergleichsweise niedrigen Auftragseingang im Vorjahr klagen. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, sagt er und ist sich sicher, dass sich das heurige Jahr und vor allem 2022 sehr positiv für sein Unternehmen darstellen werden.

Er selbst wurde sich der Gefahr durch das Coronavirus bereits Mitte Jänner 2020 bewusst, als er anlässlich des chinesischen Neujahrsfestes die firmeneigene Produktionsstätte in Nanjing besuchte und die Feierlichkeiten dort sehr zurückhaltend über die Bühne gingen, weil das neue Virus bereits zum bestimmenden Faktor geworden war. Anfang Februar verfügte Christof Industries unter der Leitung von Natalie Christof bereits über eine firmeninterne Covid-Taskforce samt eigens eingestellter Ärztin, die von Niederlassung zu Niederlassung fährt und Tests sowie Schulungen macht.

Christof Industries: Unternehmen in Familienhand

Die innerfamiliäre Abstimmung in der Unternehmensführung ist übrigens nicht nur zwischen Johann Christof und Ehefrau Natalie, die für Unternehmenskultur und Transformationsprozesse verantwortlich ist, alltäglich. Christofs Sohn Oliver ist bereits voll in die Wahrung der Eigentümerinteressen und in die weitere Internationalisierung des Unternehmens eingebunden – und auch beim 14-jährigen Enkelsohn wurde bereits erstes Interesse geweckt. „Jedem Kind muss die Möglichkeit gegeben werden, sich nach den eigenen Interessen zu entwickeln“, sagt Johann Christof – entsprechend werde kein Druck auf die nachrückenden Generationen der Familie hinsichtlich der Berufswahl ausgeübt. Dass er sich freuen würde, wenn das Unternehmen noch einige Generationen fest in Familienhand bliebe, daraus macht Johann Christof aber ebenfalls keinen Hehl.


Steirischer Visionär

Christof Industries Firmensitz in Grau
Von Graz in die Welt: Firmensitz von Christof Industries

Die Historientafel von Christof Industries reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück, da das älteste zu hundert Prozent zur Firmengruppe gehörige Unternehmen – der deutsche Anlagenbauer Oschatz – aus dem Jahr 1849 stammt. Im engeren Sinn beginnt die Geschichte des Familienunternehmens Christof Industries mit der Gründung eines Metallverarbeitungsbetriebs durch den Schweißfachingenieur Johann Christof im Jahr 1966. Heute ist das von seinem gleichnamigen Sohn 1988 übernommene Unternehmen weltweit aktiv. Mehr als 4.500 Anlagen wurden rund um den Globus bereits installiert. Das Unternehmen verfügt über Niederlassungen in 17 Ländern auf allen Kontinenten. 3.420 Mitarbeiter erwirtschafteten im Jahr 2020 einen Umsatz von 348 Mio. Euro. Die Exportquote liegt bei 90 Prozent. 

Fotos: Christof Industries, Schäfer