Autor: Klaus Huhold
Wenn Franz Hofer in ein neues Land kommt, geht er als erstes in den Supermarkt. Dort schaut er sich an, wie die Eier verpackt sind. „Und dann weiß ich, was ich anders machen muss als meine Konkurrenten.“ Franz Hofer ist CEO und zu 98,5 Prozent Eigentümer von Ovotherm. Die niederösterreichische Firma ist Weltmarktführer bei Eierverpackungen. In Zahlen bedeutet das: Rund 8 Milliarden verpackte Eier pro Jahr, rund 90 Millionen Euro Umsatz. Das Unternehmen, das sich in einem unscheinbaren Gebäude im Wiener Neudorfer Industriegebiet befindet und dort 22 Mitarbeiter beschäftigt, ist damit ein klassischer Hidden Champion: Eine Firma, die vor allem Brancheninsidern bekannt und in ihrer Nische international erfolgreich ist. Wobei Ovotherm trotz allen Wachstums in seiner Nische bleiben will. „Wir verstehen das Eiergeschäft, weil wir nichts anderes machen. Wir könnten mit unseren Maschinen so viel machen, aber ich habe keine Ahnung von Himbeeren“, betont der Unternehmer.
Bei Eiern hingegen hat Ovotherm auch keine Scheu, nicht nur in neue Märkte, sondern auch auf neue Kontinente zu gehen. Die Kunden sind Lieferanten von Supermärkten: etwa große Eierfarmen und Unternehmen, die mit Eiern handeln. Er denke aber immer vom Markt her, sagt Hofer, und sondiere, ob seine Firma dort eine Chance habe. Ist dies der Fall, „liegt es an uns, den Kunden unsere Produkte und Lösungen anzubieten. Denn das beste Produkt bringt nichts, wenn es nicht gekauft wird.“
Ausschlaggebend ist das Käuferverhalten in Supermärkten, und dieses ist regional unterschiedlich: Am europäischen Markt etwa bestehen viele Konsumenten auf Kartonverpackungen, weil sie diesen Einkauf als nachhaltig erachten. Ovotherm bietet jedoch Verpackungen aus Plastik an. Diese werden zwar ausschließlich aus recyceltem Material hergestellt, nämlich aus gebrauchten Trinkflaschen. Doch dringt dieses Nachhaltigkeitskonzept nicht zu den Kunden durch, sie sehen nur das Plastik. Das hat für Ovotherm spürbare Konsequenzen: War der europäische Markt vor gut zehn Jahren noch für mehr als die Hälfte des Geschäfts verantwortlich, liegt sein Anteil laut Hofer jetzt nur noch bei um die zehn Prozent.
Auch deswegen werden andere Märkte, etwa in Asien, für Ovotherm immer interessanter: Dort bevorzugen die Käufer transparente Verpackungen. Sie wollen die Eier nämlich begutachten, außerdem ist Karton für das in vielen Ländern oft feuchte Klima eher ungeeignet. Und noch ein weiterer Faktor trägt zur Attraktivität aufstrebender Schwellenländer bei: Es gibt dort immer mehr Supermärkte, weil die Mittelschicht erstarkt und die Urbanisierung voranschreitet. Am schnellsten werden Supermärkte laut dem Marktforschungsinstitut Modor Intelligence in den kommenden fünf Jahren im asiatisch-pazifischen Raum wachsen. Dort hat Ovotherm seine Präsenz nun verstärkt und ein Werk in Malaysia errichtet.
Drehscheibe Malaysia
Malaysia ist eine Logistikdrehscheibe: Ovotherm kann von dort aus nun verstärkt den asiatisch-pazifischen Markt bedienen. Die Fabrik mit 35 Mitarbeitern befindet sich in Port Klang, nur 1,5 Kilometer vom nächsten Containerhafen entfernt. Es ist das erste eigene Werk, das Ovotherm errichtet hat. Ansonsten lässt Ovotherm in Mexiko, der Türkei und in Ungarn für sich produzieren. Hofer räumt ein, dass man bei der Errichtung des Werkes Lehrgeld bezahlen musste. „Wir haben gewusst, welche Maschinen und Werkzeuge wir brauchen, doch der Teufel steckt im Detail“, berichtet er. „Wenn es etwa darum geht, wo die Kompressorleitung für die Druckluft jetzt wirklich liegt.“ Dafür verfügt man nun über ein Modell für weitere Werke, sagt Hofer. „Die nächste Fabrik wird genauso aussehen. Wir haben bereits einen Wasser-, Elektro- und Druckluftplan. Und die Maschinen werden wir in derselben Reihenfolge aufstellen.“
Hofer geht davon aus, dass er in Zukunft weitere eigene Werke errichten wird. „Unser Geschäft hat sich fundamental verändert, die Globalisierung scheint tot zu sein“, analysiert er. So habe sein Unternehmen während der Coronakrise von einem Tag auf den anderen vorübergehend das gesamte Geschäft in Lateinamerika verloren, weil der Preis für einen Container sich fast verfünffacht hatte. Und der Transport aus der Türkei nach Saudi-Arabien dauert mittlerweile nicht mehr sechs, sondern 45 Tage, da die Schiffe nun um Afrika herumfahren, um nicht an der Küste des Bürgerkriegslandes Jemen Angriffen ausgesetzt zu sein. Auch die Reaktionszeiten der Kunden werden laut Hofer immer kürzer. Sie wollen nicht mehr mehrere Wochen auf ihre Ware warten. Wegen dieser Entwicklungen muss Ovotherm näher an seine Kunden heranrücken, sagt Hofer. „Ich muss nicht in jedem Land sein, aber ich muss zumindest am Kontinent sein.“
Dies bringt auch bei den Zöllen Vorteile. So kann Ovotherm nun von seinem Werk in Malaysia aus den Raum der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN zollfrei beliefern. Auch die Einfuhrvorschriften sind für nicht verzollte Waren einfacher als für verzollte.
Nutzung von Plastikflaschen
Bei der Eröffnung des Werkes in dem 34-Millionen-Einwohner-Staat war auch Datuk Wira Arham Abdul Rahman anwesend, der Leiter der staatlichen Agentur MIDA, die Investitionen in Malaysia fördert. Er hob besonders hervor, dass Ovotherm seine Eierverpackungen aus recyceltem Material herstellt. Er hoffe, dass das eine Vorbildwirkung auf andere Betriebe habe. Ovotherm kauft von lokalen Händlern bereits zerkleinerte und gewaschene Plastikflaschen, so genannte Flakes, ein und macht aus ihnen Eierverpackungen. Viele Mitbewerber würden mit Neuware arbeiten, die weitaus leichter zu verarbeiten sei, berichtet Hofer. Deshalb wurde er 2011 auch für verrückt erklärt, als sich seine Firma für ihr Nachhaltigkeitskonzept entschied, berichtet Hofer.
Seit damals arbeitet Ovotherm ausschließlich mit Recyclingmaterial, verwendet dafür im Jahr etwa drei Milliarden Trinkflaschen und ist genau dort, wo die Welt sich hinbewegt – nämlich in Richtung Kreislaufwirtschaft. Dass es für die Eierverpackungen aus Plastik im Konsumentenbereich noch keine ausgeprägten Recyclingprozesse gibt, sei ihm durchaus bewusst, sagt Hofer. „Aber wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass das Recyclen künftig möglich wird.“ Denn für ein nachhaltigeres Wirtschaften werde es in Zukunft darum gehen, PET-Material auch für Erdbeer- oder Kuchenverpackungen stärker in den Recyclingprozess hineinzubekommen.
Nicht ein einziges Ei darf brechen
Was macht nun aber eine ideale Eierverpackung aus? Sie muss nicht nur im Preiswettbewerb bestehen, sondern auch mit Qualität überzeugen, berichtet Hofer. „Unsere Kunden haben heute Maschinen, die bis zu 250.000 Eier in der Stunde verpacken. Dafür müssen wir die perfekten Verpackungen liefern.“ Denn bricht nur ein einziges Ei, muss die gesamte Maschine angehalten und gereinigt werden. Zudem müssen die Verpackungen den Transport aushalten. Sie sind großem Druck ausgesetzt, und gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern sind die Straßen oft noch voller Schlaglöcher. „Auch der Verschluss muss top sein“, sagt Hofer, dessen Unternehmen Patente auf die eigenen Verschlüsse besitzt. Im Supermarkt muss schließlich das Design die Käufer überzeugen.
Darüber hinaus sei es für den Geschäftserfolg entscheidend, nahe beim Kunden zu sein – auch und gerade in Ausnahmesituationen. „Es ist nicht erst einmal passiert, dass ein Kunde vergessen hat zu bestellen und plötzlich Verpackungen braucht“, erzählt Hofer. „Und wenn ein Lastwagen einen Unfall hat und Lieferungen ausfallen, müssen wir dafür auf die Schnelle eine Lösung finden. Dem Huhn ist es nämlich egal: Es legt weiter alle 26 Stunden ein Ei.
Von der Videokassette zum Ei
Seine Leidenschaft für das internationale Geschäft haben seine 14 Jahre bei Philipps geweckt, erzählt Hofer. Dort war er zunächst Controller und Sales Manager in einer Business Unit. Warum er von Videokassetten auf Eierverpackungen umstieg, hatte einen einfachen Grund: „Ich wollte Unternehmer werden.“ Diese Gelegenheit hatte sich bei Ovotherm geboten, weil der damalige Eigentümer einen Nachfolger suchte. So übernahm der Manager Schritt für Schritt das 1969 gegründete Unternehmen.
Für sein Produkt reist der 61-Jährige, dessen Vater schon Unternehmer in der Lebensmittelbranche war, fortlaufend um die Welt. So war Hofer schon mehrere Dutzend Male in Mexiko und in letzter Zeit natürlich auch sehr oft in Malaysia. Der CEO ist überzeugt, dass Videokonferenzen den persönlichen Kontakt nicht ersetzen können, weil durch einen Händedruck, einen Blickkontakt, ein freundliches Gespräch am Rande ein ganz anderer Austausch möglich sei. „Es sind Menschen, die Geschäfte machen“, sagt er.
Daten und Fakten
Eierliebhaber
In den Top-Eierkonsumländern liegt der Pro- Kopf-Verbrauch bei etwa 20 Kilogramm pro Jahr – das entspricht ungefähr einem Ei pro Tag.
Chancen für Austro-Firmen
Gleichzeitig räumt er ein, dass es schwieriger sei, in anderen Kulturen erfolgreich zu sein, weil man eben doch von außen käme und in fremden Sprachen oder durch einen Dolmetscher viele Feinheiten im Austausch nicht zum Ausdruck bringen könne. „Um im Ausland erfolgreich zu sein, muss man noch besser sein als daheim. Umso schöner ist es, wenn auch dort eine Idee Wirklichkeit wird.“ Seiner Ansicht nach könnten noch mehr österreichische Klein- und Mittelunternehmen den Schritt auf fremde Märkte wagen. „Wir haben einen unglaublich guten Ruf“, betont er. „Außerdem unterstützen uns die Außenwirtschaftscenter der Wirtschaftskammer, wo sie nur können, und bieten ein enorm professionelles und großzügiges Service.“ Ovotherm hat sich mittlerweile ein großes Kundennetzwerk aufgebaut und blickt zuversichtlich in die Zukunft. „Wir sind ein profitables und zugleich bescheidenes Unternehmen“, sagt Hofer. Nachdem Ovotherm schon im Jahr 2010 eine schwere Krise überstanden hat, „sind wir nun nachhaltig erfolgreich“, sagt Hofer. Für das Werk in Malaysia habe man nun wieder einen Kredit aufgenommen. „Den können wir aber selbst decken“, so Hofer.
Gute Marktaussichten
Auch die Marktaussichten sind gut. Laut den Prognosen des US-Marktanalysten Fortune Business Insight wird der globale Markt für Eier bis 2032 jährlich um durchschnittlich 5,4 Prozent wachsen. Und in den ASEAN-Staaten, in denen Ovotherm tätig ist, wird laut Statista Market Insights das Marktvolumen bis 2029 von derzeit 11,4 Milliarden auf 16,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2029 ansteigen.
Die Gründe dafür sind vielfältig: Mit der Weltbevölkerung wächst der Bedarf an Eiern, die ja auch in zahlreichen Speisen enthalten sind. Darüber hinaus sind Eier eine günstige Quelle für Protein, fast alle Vitamine und Mineralstoffe. Das kommt in den Industriestaaten dem Fitness- und Gesundheitstrend entgegen, in den ärmeren Ländern sind Eier ein wesentliches Grundnahrungsmittel. Zudem ist die Eierproduktion weniger ressourcenintensiv als die Fleischproduktion, was sie zu einer attraktiven Option für Landwirte macht. Allerdings ist die Produktion volatil: Eine Vogelgrippe oder ein Preissprung bei Futtermitteln kann die Kosten in die Höhe treiben.
Franz Hofer trägt seinen Teil zum Eierkonsum bei. Für ihn ist das Ei ein „Wunderwerk der Natur“, er isst nach eigenen Angaben etwa 1000 Eier im Jahr, so allein schon zwei zum Frühstück. Er geht davon aus, dass es auch in Zukunft für sein Unternehmen viel zu verpacken geben wird – besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern. „Dort ist unser Anteil zwangsläufig noch kleiner als in den Industriestaaten. Aber er wächst. Und wir sind dorthin gegangen, um zu bleiben“, sagt er.
Fotos: zety akhzar, ovotherm (2)
Das Unternehmen
Weltmarktführer
„Kaum ein Konsument kennt Ovotherm“, sagt CEO Franz Hofer, „aber jeder Eierproduzent weltweit weiß, wer wir sind.“ Das Unternehmen ist mit jährlich rund acht Milliarden verpackten Eiern nämlich Weltmarktführer bei Eierverpackungen – bei rasant wachsendem Umsatz: Dieser stieg in den vergangenen zehn Jahren von 20 auf 90 Mio. Euro. Ovotherm wurde 1969 gegründet, Hofer ist seit 2003 Mehrheitseigentümer. In seiner Zentrale in Wiener Neudorf beschäftigt er 22 Mitarbeiter, im firmeneigenen Werk in Malaysia 35. Darüber hinaus lässt Ovotherm in Ungarn, der Türkei und Mexiko produzieren. Wichtige Märkte sind Europa und die USA, das Unternehmen ist aber auch zunehmend in Entwicklungsländern tätig. Ovotherm stellt all seine Gebinde zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial her.