Auch wenn Entwicklungsregionen – insbesondere Teile Asiens und Afrikas – durch ein weit stärkeres BIP- und Export-Wachstum als die übrige Welt an Bedeutung gewinnen, ist der österreichische Handel mit diesen Ländern über die BRICS-Staaten plus Mexiko kaum hinausgekommen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil dort wirtschaftlichen Chancen besondere Hindernisse und Herausforderungen gegenüberstehen. So kann es beispielsweise sein, dass ein Papierhersteller in einem afrikanischen Land seinen Facharbeiterbedarf nicht decken kann, ein Hersteller von Hightech-Messgeräten für den Aufbau eines Marktes in Südostasien bei seinen Vertriebspartnern technisch versiertes Personal benötigt, ein Medizinproduktehersteller zur Erschließung eines südostasiatischen Zukunftsmarkts auf spezifische Kenntnisse im Pflegebereich angewiesen ist oder der Erfolg eines Delikatessenanbieters davon abhängt, ob die Produkte der Kleinproduzenten am Balkan den EU-Standards entsprechen. 

Unternehmen, die sich solchen und anderen Herausforderungen stellen und zudem vor Ort Entwicklungschancen eröffnen – sei es durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, durch einen Know-how-Transfer oder die Erhöhung von Produktionsstandards –, bietet die Austrian Development Agency ADA, die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, Unterstützung an. 

Austrian Development Agency
Das Team des Referats Wirtschaft und Entwicklung der ADA v.l.n.r.: Gottfried Traxler, Christian Schober, Maximilian Zangl, Susanne Thiard-Laforet

Wirtschaftspartnerschaften: Förderangebot für Unternehmen

Die ADA führte das Förderprogramm Wirtschaftspartnerschaften im Jahr 2004 ein und orientierte sich dabei an bewährten Praktiken anderer europäischer Länder. Das Programmmanagement liegt beim ADA-Referat für Wirtschaft und Entwicklung, das seit Kurzem von Gottfried Traxler geleitet wird. Das Förderangebot reicht von Wirtschaftspartnerschaften über Strategische Allianzen bis hin zu Strategischen Partnerschaften. Üblicherweise werden bis zu 50 Prozent der Kosten aus Mitteln der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit finanziert. Das Zielland ist flexibel: Jedes Entwicklungs- oder Schwellenland kommt in Frage.

Durch das Standardinstrument Wirtschaftspartnerschaft ist ein Zuschuss von bis zu 200.000 Euro für Aktivitäten zur Verknüpfung von unternehmerischen und entwicklungspolitischen Zielen möglich. Komplexere Vorhaben, die sich über mehrere Länder erstrecken, eine größere Zielgruppe ansprechen, einen breiteren Fokus haben, mehrere Partner involvieren oder eine stärkere Einbindung der Zivilgesellschaft aufweisen, können als Strategische Allianzen mit bis zu 500.000 Euro unterstützt werden. Mit Unternehmen, die durch richtungsweisende Investitionen über das unmittelbare Umfeld hinaus systemische Verbesserungen mit hoher entwicklungspolitischer Relevanz anstreben, kann die ADA eine Strategische Partnerschaft eingehen – dabei ist ein Mindestprojektvolumen von 1,2 Mio. Euro für eine Dreijahresperiode vorausgesetzt. Machbarkeitsstudien, die Unternehmen im Vorfeld der Wirtschaftspartnerschaft durchführen können, sind mit bis zu 20.000 Euro förderbar. Sie dienen dazu, relevante Informationen einzuholen und die Erfolgschancen des Vorhabens abzuklären.

Albanien
Der damalige Außenminister Michael Linhart besucht ein Aufforstungsprojekt, das durch eine Wirtschaftspartnerschaft in Nordalbanien möglich wurde.

Wirtschaftspartnerschaften: Der Weg zum Projekt 

Interessierte Unternehmen mit Firmensitz in der EU und der Schweiz können sich mit ihren Überlegungen im Rahmen einer Erstberatung an die ADA wenden. „Wir fragen ab, was durch eine Kooperation entstehen könnte: Werden Zulieferketten aufgebaut, Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt, kommt es zu einem Technologie- oder Know-how-Transfer, werden Produktionsprozesse verbessert oder Qualitäts-, Arbeits- und Sozialstandards eingeführt“, erklärt Traxler, „und wir vergewissern uns, dass die Antragsteller finanziell stabil sind und über betriebswirtschaftliche und administrative Ressourcen verfügen.“ Bei der Darstellung des entwicklungspolitischen Nutzens, der durch das Projekt erzielt werden soll, empfiehlt Traxler die Orientierung an den 17 globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung. Die angestrebte Wirkung soll langfristig nachhaltig sein. „Das Projekt muss in der Zielregion eingebettet sein, damit die geschaffenen Strukturen nach Projektende tragfähig bleiben. Dies verlangt, dass unternehmerische, zivilgesellschaftliche und institutionelle Partner in das Projekt eingebunden werden und Ownership übernehmen“, so Traxler. 

Das Unternehmen erstellt im nächsten Schritt ein Kurzkonzept inklusive Budget, das seitens der ADA einem Fördergremium aus internen Experten, einem Vertreter des Außenministeriums sowie Stakeholdern wie der Oesterreichischen Entwicklungsbank und der WKÖ zur Beurteilung vorgelegt wird. Offene Fragen klärt der zuständige Programmmanager mit dem Unternehmen. Dieses erstellt nun den Vollantrag, der dann die verschiedenen Organisationseinheiten der ADA durchläuft. Als eine in der jüngeren Vergangenheit immer größere Hürde erweist sich dabei das Beihilferecht – letztlich müssen auch Wirtschaftspartnerschaften neutral im Wettbewerb sein. Bei positivem Feedback von allen Seiten wird der Fördervertrag zur Unterzeichnung der ADA-Geschäftsführung sowie des Antragstellers vorgelegt. Damit kann das Vorhaben in die Umsetzung gehen.

Wirtschaftspartnerschaften in der Praxis

Wirtschaftspartnerschaften sind für Unternehmen ein Hebel, um sich in einem schwierigen Umfeld einen Weg zu bahnen, der Preis dafür ist allerdings hoch. Die jüngste Evaluierung des Förderprogramms aus dem Jahr 2022 gelangte zu dem Fazit: Das Instrument schafft einen relevanten Nutzen in Entwicklungsländern und Unternehmen „zeigen ein hohes Interesse daran, mit Hilfe von Wirtschaftspartnerschaften einen Beitrag zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele zu leisten“. Das offene Programmdesign komme ihnen dabei sehr entgegen. Sie tun sich jedoch oft schwer „mit der Denke und den Terminologien der Entwicklungszusammenarbeit“. Darüber hinaus nehmen sie „die administrativen Anforderungen als sehr komplex und teils im Widerspruch zu unternehmerischem Denken stehend“ wahr und empfinden „die bestehenden Prozesse zur Projektabwicklung intern und extern als sehr fordernd“ – Probleme, die auch aus anderen Ländern mit ähnlichen Programmen bekannt sind. Dazu haben die befragten Unternehmen mehrheitlich nicht den Eindruck, dass „ihr Unterstützungsbedarf im Zielland in der Durchführungsphase durch österreichische Akteure gedeckt wurde“.

Wirtschaftspartnerschaften 2004-2023

Vor allem im Umgang mit den zwei zuletzt genannten Herausforderungen können spezialisierte Konsulenten oder österreichische Entwicklungs-NGOs Unterstützung bieten. Ilona Reindl von der AG Globale Verantwortung spricht von der „Brückenbaufunktion“, mit der Entwicklungsorganisationen zum Erfolg von Wirtschaftspartnerschaften beitragen können: „International tätige NGOs haben die Möglichkeit, mit ihrem Netzwerk vor Ort Verbindungen zu den Behörden und Partnern herzustellen, können mit ihrem entwicklungsspezifischen Know-how aber auch schon bei der Strukturierung des Projekts unterstützen und bringen bei Bedarf administrative Erfahrung ein.“ In vielen europäischen Ländern übernimmt diese Rolle die Vor-Ort-Struktur der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit. Da Österreich über eine solche nur sehr eingeschränkt verfügt, kommt zivilgesellschaftlichen Partnern im Land eine umso größere Bedeutung zu. „Unternehmen fühlen sich nicht wohl in der Rolle, sich in einem Entwicklungsland mit dem Unterrichtsministerium über die Genehmigung von Curricula auseinanderzusetzen“, bestätigt Astrid Taus von der Entwicklungsorganisation ICEP, die bereits zahlreiche Wirtschaftspartnerschaften begleitet hat. 

Chancenöffner

In den vergangenen fünf Jahren wurden Wirtschaftspartnerschaften mit einem Volumen von mindestens 44 Mio. Euro umgesetzt. Damit schufen Unternehmen und Entwicklungszusammenarbeit langfristig Arbeitsplätze, etablierten Berufsausbildungen, erhöhten Einkommen und eröffneten zahlreiche weitere Chancen, die ansonsten nicht entstanden wären. Ausgehend von den Empfehlungen der Evaluierung hat die ADA begonnen, die internen Abläufe zu straffen. Die Projektanträge wurden vereinfacht, die Abläufe im Fördergremium klarer strukturiert und das Informationsmaterial für die Unternehmen wird laufend erweitert. Weitere Reformschritte sind in Vorbereitung. Die Bewerber warten schon. Denn nach zwei Jahren coronabedingter Zurückhaltung verzeichnet die ADA eine steigende Nachfrage nach dem Programm Wirtschaftspartnerschaften. Aktuell befinden sich mehr als 20 Vorhaben in der Pipeline. Und durch verstärktes Marketing sollen es noch mehr werden: So wird die ADA das Programm im Oktober erstmals in einem Webinar bewerben.

Webinar zu den ADA-Wirtschaftspartnerschaften

Termin: 04.10.2023, 09.30-11.00 Uhr

Anmeldung: Tel. 05 90900-4186 oder aussenwirtschaft.projekte@wko.at

Wirtschaftspartnerschaften in vier Sektoren 

Mehr als die Hälfte der Wirtschaftspartnerschaften finden im Bereich Land- und Forstwirtschaft, im Querschnittsbereich Ausbildung, im Energie- und Umweltsektor sowie im Gesundheitssektor statt. Im folgenden acht aktuelle Beispiele.

Anstoß für den Agrarsektor

Brasilien
Messung von Tränkewasser in Brasilien

Die deutsche Calvatis GmbH hat für ihren Einstieg in Brasilien mit Unterstützung einer Universität an sechs mittelgroßen Hühner- und Schweinefarmen Hygienemanagement eingeführt, wodurch die Tiersterblichkeit deutlich sank. Es folgten Kurse für Landwirte und Tierärzte in Kooperation mit Nutztierverbänden.

Die österreichische Biotan GmbH verarbeitet in Tansania Biocashews für den europäischen Markt. Sie unterstützt Bauernkooperativen beim Umstieg auf biologischen Anbau und die Biozertifizierung und testet nun auch die Verarbeitung des Cashew-Apfels.


Antrieb bei Energie, Umwelt

Serbien
Anbau von Biomasse in Serbien

Die Schweizer MPower Ventures hat ihr neues Finanzierungsmodell für den Zugang ländlicher Bevölkerung in Afrika zu dezentralen Solarsystemen in vier Regionen Sambias mit lokalen Vertriebspartnern sowie lokalen und internationalen Finanzinstitutionen getestet. 

Der Projektentwickler E3 International will den Anbau schnell wachsender Hölzer – v. a. Weiden – für die Energieerzeugung aus Biomasse in Serbien pushen. E3 hat eine Demonstrationsanlage errichtet und Bauern und Investoren angesprochen. 


Impuls für den Arbeitsmarkt

WiPa
Kapazitätenaufbau in Armenien

Produktionsengpässe ließen die BTB Bulgaria bei der armenischen Bekleidungsindustrie andocken. Defizite auf Fach- und Führungs-ebene wurden im Verein mit Textilfachverband und -fachschule über Kurse für Näherinnen sowie Managementtrainings angegangen. 

Im Kosovo setzte die neu angesiedelte österreichische ASAS Aus- und Weiterbildung GmbH mit der Universität in Ferizaj landeserste Fernlehrgänge auf. Ein Stipendiensystem bietet Randgruppen Zugang zum betriebswirtschaftlichen MBA-Programm.


Aufschwung bei Gesundheit

Hörscreenings in Ghana
Hörscreenings in Ghana

Das medizinische Angebot für Menschen mit Hörbeeinträchtigung ist in Entwicklungsländern kaum entwickelt. Die österreichische MedEl GmbH ist dabei, in 14 Ländern Afrikas und Asiens in Einklang mit Ministerien und Verbänden Ausbildungsstrukturen und Gesundheitsangebote zu schaffen.

In vielen armen Ländern gibt es weder Kenntnisse noch Mittel, um langwierige Wunden zu behandeln. Lohmann & Rauscher hat im Verein mit Ärzteverbänden und Rotem Kreuz in Malaysia Ausbildungen für Ärzte und Pflegepersonal etabliert. 


Fotos: Mondi, ADA, Michael Gruber, Calvatis, BTB Bulgaria, E3, Medel