Hat der Afrikagipfel Ende 2018 in Wien etwas bewirkt?
KÜHNEL: Das High-Level Forum war ein medienwirksamer Katalysator für die positive Entwicklung und wirtschaftlichen Potenziale des afrikanischen Kontinents. Und das braucht es: Heute gehen weniger als zwei Prozent der österreichischen Exporte nach Afrika, 1981 waren es noch fünf Prozent – dorthin würden wir gerne wieder kommen. Daher haben wir mit der Austrian Development Agency eine Studie in Auftrag gegeben, die neue Geschäftsmodelle in afrikanischen Zielmärkten untersucht. Am Afrikatag am 6. November wollen wir die Ergebnisse präsentieren.
WANCATA: Der Afrikagipfel war auf alle Fälle ein nicht alltägliches Signal. Es tut sich auch etwas in Österreich: Die African-Austrian SME Investment Facility der OeEB ist ein Produkt, das auf viel Interesse bei kleineren Unternehmen gestoßen ist. Und wir nehmen erfreut zur Kenntnis, dass sich auch andere österreichische Institutionen wie das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus oder die Forschungsförderungsgesellschaft vermehrt dem Thema Afrika widmen.
HANISCH: Der Gipfel hat sicherlich eine Bühne für Leuchtturmprojekte geboten, die zu einer positiveren Wahrnehmung Afrikas in der Öffentlichkeit beitragen und die Chancen aufzeigen, die es dort gibt. Wir haben als Unternehmen selbst gesehen, wie dort Märkte quasi aus dem Nichts entstanden sind.
„Heute gehen weniger als zwei Prozent der österreichischen Exporte nach Afrika, 1981 waren es noch fünf Prozent.“
Wie kann man österreichische Unternehmen verstärkt für Afrika gewinnen?
KÜHNEL: Afrika ist sicherlich ein Zukunftsmarkt, jedoch kein einheitlicher Markt, weil er aus 55 doch sehr unterschiedlichen Ländern besteht. Und da muss man differenzieren, in welcher Region man welche Aktivitäten setzt. Seitens der Wirtschaftskammer versuchen wir mit unserem Netzwerk, Exporteure zu motivieren, bestimmte Länder zu adressieren. Zugleich zeigen wir Innovationschancen und neue Geschäftsmodelle auf. So haben wir den Innovationsbegriff in unserer neuen Strategie nicht zuletzt um die gesellschaftliche Innovation erweitert. Bei der Africa Innovation Challenge, die im Rahmen des Exporttags stattfand, haben wir dann auch Start-ups eingeladen, Geschäftsideen mit sozialem Impact zu präsentieren. Denn darum geht es: Wie kann ich auf wirtschaftlich tragfähige Weise gesellschaftliche Herausforderungen angehen?
WANCATA: Es ist gewiss herausfordernd für österreichische Firmen, in Afrika Fuß zu fassen. Wir sprechen hier von 55 ganz unterschiedlichen Märkten – von Failed States bis zu Emerging Markets. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie der OeKB überraschen daher nicht: Nur neun Prozent der großen heimischen Unternehmen planen ein verstärktes Engagement in Afrika. Das Narrativ von Afrika als Wachstumsmarkt und Chancenkontinent ist im Tagesgeschäft noch nicht wirklich angekommen.
HANISCH: Früher war Afrika für uns gleichbedeutend mit Südafrika, dort war der Markteintritt relativ einfach. Das Gleiche galt für Nordafrika. In beiden Regionen herrscht heute aber eher Stillstand. Dafür sind viele kleinere Staaten südlich der Sahara eher zufällig auf den Plan gekommen. Vor einigen Jahren hätten wir nicht damit gerechnet, in der Elfenbeinküste, in Kamerun oder im Kongo nennenswertes Geschäft zu machen. Heute generieren wir drei bis fünf Prozent unseres Umsatzes in Afrika. Als Südafrika noch prosperierte, waren es bis zu 15 Prozent.
KÜHNEL: Aktuell finden sich knapp 250 österreichische Niederlassungen in afrikanischen Ländern. Ob AVL, Alpla oder Doppelmayr – es gibt zahlreiche Beispiele von Unternehmen, die in der Region sehr gut Fuß gefasst haben. Aber viele Unternehmen müssen erst einmal eine Blockade überwinden, um in Märkte zu gehen, für die bewährte Geschäftsmodelle angepasst werden müssen. Wir wollen die Unternehmen ermutigen, den ersten Schritt zu tun. Das können wir mit den sechs Außenwirtschaftszentren, die wir vor Ort haben. Mittelfristig planen wir zudem, die Präsenz dort auszubauen.
HANISCH: Unsere Anlagen passen sehr gut für afrikanische Länder. Wir bauen Maschinen für die Zerkleinerung von Gestein zum Beispiel für den Straßenbau und für die Aufbereitung von Baumaterialien wie Beton oder Ziegel zur unmittelbaren Wiederverwendung. Das qualifiziert unsere Maschinen für entlegenste Gebiete, denn das Material muss nicht hunderte Kilometer transportiert werden, sondern kann die Baustelle vor Ort bedienen. Ein großes Problem in vielen Ländern ist die überbordende Bürokratie, die selbst das beste Projekt zu Fall bringen kann. Eine Anlage, die ein Jahr im Zoll steht, ohne dass sich etwas bewegt – so kann man nicht arbeiten.
WANCATA: Ein Unternehmen geht nur in neue Märkte, wenn es gute Geschäftschancen sieht und das Geschäft anderswo möglicherweise nicht mehr so wächst, wie man sich das vorstellt. Und offenbar haben österreichische Firmen immer noch sehr viele Länder und Märkte, wo es gut läuft. Da ist der Druck vielleicht nicht so groß, dass sie sich wirklich mit Afrika auseinandersetzen.
„Das Narrativ von Afrika als Wachstumsmarkt und Chancenkontinent ist im Tagesgeschäft noch nicht wirklich angekommen.“
Welche Unterstützungsangebote braucht es, um die Geschäftspotenziale in Afrika zu nutzen?
KÜHNEL: Energie, Umwelttechnik, Infrastruktur und Verkehr – das sind Schlüsselsektoren, in denen österreichische Unternehmen exzellente Angebote haben. Wir sehen unsere Aufgabe darin, Informationen bereitzustellen, die Unternehmen dabei helfen, Märkte besser einschätzen zu können. Ein Punkt, der mir sehr wichtig ist: Man sollte Afrika nicht nur als Absatzmarkt sehen, sondern auch Möglichkeiten für eine lokale Wertschöpfung ins Auge fassen.
HANISCH: Die Kontrollbank bietet für Unternehmen tolle Instrumente zur Absicherung und Finanzierung von Auslandsgeschäften – das Problem ist die Abwicklung der Geschäfte an sich. Angesichts der Rahmenbedingungen und der schwachen Rechtssicherheit ist es oft sehr schwierig, die gewiss vorhandenen Potenziale tatsächlich zu nutzen. Dabei sehe ich die Rolle eines kleinen Landes wie Österreich vor allem darin, Modellfälle zu schaffen. Eine Herausforderung ist, dass man Geld mitbringen muss, um in Afrika einen Markt aufzubauen – Stichwort China. Als österreichischer Mittelständler können wir das nicht. Was wir können, ist zu zeigen, wie etwa dezentrale Infrastrukturprojekte technologisch und strukturell umgesetzt werden können. Um solche Pilotvorhaben dann zu multiplizieren, braucht es entsprechende Strategien in den einzelnen Ländern und vor allem auch eine Finanzierung. Und hier sehe ich weniger Österreich als vielmehr die EU gefordert.
WANCATA: Als OeEB verfolgen wir das klare Ziel, in den kommenden Jahren unser Afrikageschäft auszubauen. Länder wie Dänemark oder die Niederlande stellen ihren Entwicklungsinstitutionen deutlich mehr Geld für solche Bemühungen zur Verfügung als Österreich. Geld ist aber nicht alles. Wir stehen hier eher vor der Herausforderung, gute Projekte zu finden. Vor allem geht es uns als Entwicklungsbank nicht um Exporte – wir wollen Investitionen vor Ort haben. Denn oft kommen Firmen mit Ideen zu uns, die eher kleinteilig sind und auch keinen klaren Business Case oder Skalierungspotenzial erkennen lassen. Für die African-Austrian SME Investment Facility haben wir rund fünfzig Anträge auf dem Tisch liegen – an konkreten und gut strukturierten Projekten sind aber nur eine Handvoll dabei. Hier können wir im Bereich der Projektvorbereitung und -entwicklung mit unseren Technical Assistance-Mitteln unterstützen. Natürlich ist die neue Investment Facility einmal ein Beginn: Wenn wir mehr gute Projekte bekommen, besteht durchaus die Bereitschaft und Chance, hier in Zukunft mehr zu machen.
„Eine Heraus-forderung ist, dass man Geld mitbringen muss, um in Afrika einen Markt aufzubauen.“
Wie kann Österreich vor Ort etwas beitragen?
HANISCH: In Österreich ist die Entwicklungszusammenarbeit insbesondere mit Afrika immer noch sehr stark non-profit-getrieben. Man muss sich geradezu hüten auszusprechen, dass durch ein Projekt ein Markt entstehen könnte. Das ist schade. Andere Länder sind hier deutlich offener und denken in der Zusammenarbeit mit Unternehmen wirtschaftliche Interessen als Voraussetzung für deren Engagement mit. Denn es gibt Nischen, in denen Österreich aktiv werden könnte. Beispielsweise haben wir mit dem dualen System der Lehrlingsausbildung einen sehr guten Ansatz, um junge Leute in Beschäftigung zu bringen – wenn österreichische Unternehmen in schwierigen Märkten tätig werden, könnten sie dieses Modell mitnehmen. Nur werden sie das nicht allein machen können.
KÜHNEL: Genau, man darf die nach wie vor gegebenen entwicklungspolitischen Herausforderungen nicht vergessen. Ganz wesentlich ist zum Beispiel, jungen Menschen in Afrika eine Zukunftsperspektive zu geben. Zugleich spielen Aus- und Weiterbildung im Rahmen der unternehmerischen Verantwortung auch in Auslandsmärkten eine große Rolle. Daher hat die Wirtschaftskammer im Rahmen des Afrikagipfels eine Kooperation mit dem Internationalen Zentrum für migrationspolitische Entwicklung ICMPD geschlossen, um in Nigeria bis zu tausend Jugendliche in eine berufliche Ausbildung zu bekommen. Der Afrikagipfel war ein wichtiger Schritt, um auf das Thema aufmerksam zu machen, dem aber weitere folgen müssen.
WANCATA: Nur wenn die österreichische Politik am Thema Afrika dran bleibt, kann sich etwas bewegen. 27 der 33 am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder befinden sich in Afrika. Hier braucht es eine europäische Afrikastrategie, die von Programmen der Mitgliedsländer flankiert wird. Die österreichische Entwicklungszusammenarbeit hat vier Schwerpunktländer in Afrika und insgesamt überschaubare Mittel zur Verfügung. Hier kann sich Österreich mit Sicherheit stärker engagieren als bisher.
Vielen Dank für das Gespräch!
DIE GESPRÄCHSTEILNEHMER
Mariana Kühnel ist seit 2018 stellvertretende Generalsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich.
Michael Wancata ist seit 2008 Mitglied des Vorstands der Oesterreichischen Entwicklungsbank OeEB.
Gerald Hanisch ist Gründer und CEO der Linzer Firma Rubble Master.