NGO Impacc: Starthilfe für Start-ups

Die deutsche NGO Impacc investiert Spendengelder in innovative Geschäftsideen in Afrika. Damit unterstützt sie junge Start-ups, für die klassische Finanzierung – noch – nicht realistisch ist.

Gjenge Makers
Pflastersteine aus Abfällen: Impacc unterstützt den kenianischen Baustoffproduzenten Gjenge Makers.

Immer wieder wurde Till Wahnbaeck in Schubladen gesteckt: Einmal wurde er als naiver Gutmensch abgestempelt, ein anderes Mal als Hardcorekapitalist, erzählt der 52-jährige Deutsche mit Blick auf sein früheres Berufsleben: Viele Jahre war er beim Konsumgüterhersteller Procter & Gamble tätig, später übernahm er den Vorstandsvorsitz der deutschen Welthungerhilfe. „Im Konzern dachte man, ich wolle die Welt retten, und in der Entwicklungshilfe, dass ich knallharte Managementmethoden einführe“, sagt er. Vor vier Jahren fand Wahnbaeck eine Möglichkeit, Unternehmertum und Weltrettung reibungsfrei unter einen Hut zu bringen: Zusammen mit dem Entwicklungshelfer Jochen Moninger gründete er die NGO Impacc.

Till Wahnbaeck
Till Wahnbaeck, Gründer von Impacc

Impacc: In Ideen investieren

Impacc besetzt seither eine spannende Nische in der Entwicklungszusammenarbeit: Die gemeinnützige Organisation sammelt Spendengelder und investiert diese in Start-ups in Afrika. Wahnbaeck ist fest davon überzeugt, dass gerade Unternehmen in ihrer Rolle als Arbeitgeber Armut besonders effektiv bekämpfen können. 

Sein Team – bestehend aus vier Mitarbeitern in Hamburg, vier weiteren in Nairobi und zwei Ehrenamtlichen – fahndet an Orten, an denen Menschen oft von weniger als zwei Dollar am Tag leben, nach frischen Geschäftsideen. Gesucht sind „lokale Lösungen für lokale Probleme“, die sich skalieren und auch anderswo kopieren lassen.

Im aktuellen Impacc-Portfolio findet sich beispielsweise das kenianische Start-up Gjenge Makers. Es stellt aus Plastikabfällen und Sand kostengünstige und umweltfreundliche Ziegel und Pflastersteine her – ein innovativer Beitrag gegen Umweltverschmutzung und für bessere Wohnqualität. In Ghana setzt wiederum das Unternehmen Washking an einem drängenden Hygieneproblem an: dem Mangel an Toiletten. Washking produziert Bio-Digester-Toiletten, die Fäkalien in Flüssigkeiten und Feststoffe trennen. Bakterien und Regenwürmer zersetzen die Feststoffe zu natürlichem Dünger, während ein einfacher Kohlefilter die Flüssigkeiten reinigt, sodass sie harmlos und geruchsfrei in den Boden sickern können. 

Washking
Washking verbessert die Sanitärsituation in ghanaischen Slums mit günstigen Bio-Digester-Toiletten.

Auch Start-ups im Bereich Landwirtschaft sind bei Impacc willkommen: Plant Biodefenders aus Tansania hat ein pflanzenbasiertes Pestizid entwickelt, das Ernten steigert und gleichzeitig die Umwelt schützt, das kenianische Agrartechnologie-Start-up Marbi Agrics verkauft Kleinbauern Saatgut und Düngemittel auf Kredit. Die ebenfalls in Kenia beheimatete Plattform M-Shamba bietet Landwirten digitale Lernressourcen zu Agronomie, regenerativer Landwirtschaft und Lebensmittelsicherheit und vernetzt sie unter Ausschluss von teuren Mittelsmännern direkt mit interessierten Einkäufern. 

Impacc: Lückenfüller

Derzeit unterstützt Impacc zehn „Ventures“ in Afrika, die sich alle in der „missing middle“ befinden, wie Wahnbaeck erklärt – Unternehmen, die Kapital benötigen, das der Markt noch nicht bereitstellt. „Wer groß und profitabel ist, bekommt auch in Afrika problemlos einen Kredit. Wer eine gute Idee hat, aber noch klein ist, bekommt womöglich eine Projektfinanzierung von einer Hilfsorganisation. Doch wer sich bereits im Aufbau befindet, kommerziell aber noch nicht erfolgreich ist, für den wird es schwierig.“ 

Impacc beteiligt sich mit Minderheitsanteilen an den Start-ups. Als Anteilseigner will die Organisation nicht nur Geld überweisen, sondern aktiv helfen, aus Ideen florierende Geschäfte zu machen. Ein großer Teil der Arbeit besteht somit im „Venture Building“, bei dem lokale Mitarbeiter die jungen Unternehmer – oft Frauen – coachen. Alle seien hochmotiviert, auch große Hürden zu meistern, sagt der Impacc-Gründer, „sie wollen das Leben im Land wirklich verbessern“.

M-Shamba
M-Shamba unterstützt kenianische Kleinbauern beim Direktverkauf ihrer Ernten.

Geht die Rechnung auf, beziehungsweise arbeitet das Start-up profitabel, strebt Impacc den Exit an. „Wir selbst machen als gemeinnützige Gesellschaft keinen Gewinn. Wenn wir Anteile verkaufen, gehen die Erlöse nach Art eines Revolving Fund zurück ins System, um damit eine neue Generation von Start-ups zu finanzieren. Idealerweise machen wir bei möglichst vielen Exits einen Gewinn, realistischerweise eher selten, denn wir gehen ja bewusst als Pioniere in Märkte, die sich noch nicht lohnen“, so Wahnbaeck. Bei zwei Unternehmen – dem ugandischen Damenbindenproduzenten Makapads sowie Noah Stove, einem äthiopischen Hersteller von Vergaserkochern – sind die Exits bereits erfolgt.

Impacc: Jobs sind die Rendite

Noch ist Impacc klein, derzeit sind lediglich 500.000 Euro in vier Ländern investiert. Nun gilt es, so Wahnbaeck, einerseits „coole Geschäftsideen anzuziehen“ und andererseits mehr Spenden aufzustellen. Die „Rendite“ der Spenden bemisst er an den neu geschaffenen Arbeitsplätzen. „In den vergangenen zwei Jahren haben unsere Start-ups 1.788 Jobs geschaffen, über tausend allein in diesem Jahr“, sagt er. Gezählt werden sowohl fixe Voll- und Teilzeitstellen sowie „temporäre Jobs“, die ebenfalls ihre Bedeutung haben – so etwa die Müllsammler, die das Altplastik an Ziegelhersteller Gjenge Makers liefern.

Derzeit gehen die Spenden vollumfänglich in die Projekte, da die Gehälter des Impacc Teams noch bis Ende 2024 vom deutschen Entwicklungsministerium BMZ bezahlt werden.

Impacc Team
"Business for better" lautet die Devise des Impacc Teams.

Langfristig strebt Wahnbaeck eine Finanzierung an, bei der 90 Prozent der Spenden in die Ventures gehen und zehn Prozent an die Organisation. Neben dem Ministerium fördern auch NGOs wie Brot für die Welt und SOS Kinderdörfer die Idee, danach kommen Privatspender und Unternehmen. „Perspektivisch sollen die B2B-Kooperationen stark wachsen und den größten Teil einnehmen“, erklärt Wahnbaeck. „Es gibt genügend Unternehmen, die als Spender infrage kommen. Wir müssen sie nur überzeugen, dass ein Investment in afrikanische Start-ups sinnvoll ist.“ 

Sein Fokus auf Unternehmensspenden hat zwei Gründe: Zum einen sei der Unternehmensspendermarkt nicht ganz so heiß umkämpft wie der Privatspendermarkt. Zum anderen kann Impacc Spendenmöglichkeiten anbieten, die zur Branche oder den sozialen Zielen eines Unternehmens gut passen. So hat der Schweizer Gebäudetechnikplaner HHM 21.000 Euro an Baustoffproduzenten Gjenge Makers gespendet. Damit erhielt das Start-up eine Finanzspritze, um eine zweite Produktionslinie zu eröffnen und neue Produkte zu testen. Zudem sieht Wahnbaeck die Möglichkeit, dass europäische Unternehmen und afrikanische Start-ups künftig in Austausch treten können – wodurch europäische Firmen nicht zuletzt neue Märkte kennenlernen. Anfang 2024 will Impacc daher eine Onlineplattform lancieren, die das interkontinentale Matchmaking und Netzwerken erleichtern soll.

Impacc: In der Nische

Mit seiner „Hilfsorganisation, die sich für eine Venture Capital Gesellschaft hält“, wie Wahnbaeck Impacc gerne beschreibt, hat er noch viel vor. Aber er hofft auch auf Nachahmer, die sich in die Nische wagen: „Der Kuchen ist groß genug.“ Dabei argumentiert er gerne auch mit einer Entwicklung, die in Deutschland und Österreich stark diskutiert wird, nämlich die großen Migrationsbewegungen von Afrika nach Europa: „Menschen, die eine Perspektive in Afrika haben, migrieren nicht, sondern bleiben. Und ein Kontinent, der wirtschaftlich gedeiht und ein Handelspartner der Zukunft werden kann, der ist wohl in unserem höchsteigenen Interesse.“ 

 

Fotos: Impacc