Als im Jahr 2008 der damalige Wirtschaftsminister Martin Bartenstein ein erstes österreichisches Außenwirtschaftsleitbild vorstellte, konnte er auf Jahre kontinuierlichen Wachstums in vergleichsweise ruhigem Fahrwasser zurückblicken. Österreich hatte die EU-Osterweiterung gut genützt und unter Beteiligung von mehr als 30.000 Unternehmen ein Exportvoumen von 113 Mrd. Euro erreicht – 83 Prozent der österreichischen Exporte gingen nach Europa. Der Außenhandel entsprach 42 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zugleich hatte sich das Land als Sprungbrett in den Osten positioniert und Investitionen aus Europa angezogen, insgesamt waren 108 Mrd. Euro in Österreich investiert. Um knapp diesen Wert hatten Österreichs Unternehmen im Ausland Niederlassungen errichtet, zuletzt stark in Ost- und Südosteuropa. Für die Auffindung neuer Märkte bot seit 2003 „go-international“, ein vom Wirtschaftsministerium finanziertes und von der Wirtschaftskammer gemanagtes Exportförderprogramm, maßgeschneiderte Hilfe.

Neue Runde: Präsentation der neuen Außenwirtschaftsstrategie im Dezember 2018 durch Wirtschaftsministerin Schramböck, Außenministerin Kneissl und Wirtschaftskammerpräseident Mahrer

Im Dezember 2018 präsentierten Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, Außenministerin Karin Kneissl und Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer die neue nunmehr Außenwirtschaftsstrategie genannte Nachfolgepublikation. „In einem Umfeld, das sich ständig und immer schneller ändert, muss eine strategische Außenwirtschaftspolitik die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft stärken und die Unternehmen dabei unterstützen, auf den Weltmärkten mit überzeugenden Produkten und Dienstleistungen zu punkten“, erklärt Schramböck die grundlegende Vision.

Interview mit Margarete Schramböck, Wirtschaftsministerin

Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

Auf zu neuen Märkten

Die neue österreichische Außenwirtschaftsstrategie ist eine Antwort auf das sich immer schneller verändernde Umfeld, sagt Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck.

Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 hatte sich die österreichische Außenwirtschaft langsamer als zuvor, aber doch beständig weiterentwickelt. 2018 überschritte die Exporte knapp die 150 Mrd. Euro-Schwelle, und eine leichte Diversifizierung der Märkte war errungen worden: Der Anteil der Ausfuhren auf den europäischen Heimmarkt sank auf 80 Prozent. Die Exportquote lag nun bei gut 58 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung, ein Erfolg, zu dem laut Wirtschaftskammer 58.000 Exporteure beitrugen.

Klaus Friesenbichler, WIFO
Klaus Friesenbichler, WIFO

Aushängeschild sind dabei jene knapp 200 österreichischen Unternehmen, die mit ihren Produkten Europa- oder Weltmarktführer sind – man denke an Frequentis, Infineon, Kapsch oder Palfinger (um ein weiteres österreichisches Weltklasseunternehmen geht es hier!). Zugleich stärkten die Unternehmen ihre Auslandsbasis durch Verdopplung ihrer Direktinvestitionen auf knapp 200 Mrd. Euro, womit sie die Transfers aus dem Ausland deutlich überholten. Zielregion blieb Europa mit Schwerpunkt Osten und Südosten. „Österreich ist eine kleine, offene Volkswirtschaft, die nach jahrzehntelangem technologischen Upgrading nun Technologieführer und -geber ist“, fasst Klaus Friesenbichler vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung WIFO den Status quo zusammen.

Durchwachsenes Umfeld

Diskontinuierlich hat sich in der vergangenen Dekade hingegen das Umfeld entwickelt. Der Euroraum schwächelt, entwickelt sich ungleich und der Brexit steht bevor, Russland ist mit Wirtschaftssanktionen belegt, die USA agieren protektionistisch, China nützt Leerräume in Subsahara-Afrika und drängt mit seinem Seidenstraßenprojekt nach Europa, Indien öffnet sich nur vorsichtig, die Türkei hat ihren Aufschwung eingebüßt und nun hat sich auch noch Saudi-Arabien beim Investitionsrennen am Balkan eingeschaltet.

„Um Österreichs Exportchancen auch in Zukunft zu wahren, müssen wir das Thema Außenhandel strategisch angehen. Unsere Unternehmen sind mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert“, nahm auch Wirtschaftskammerpräsident Mahrer auf die neuen Entwicklungen Bezug. „Die Antwort darauf kann nicht Vogel-Strauß-Politik sein, sondern verlangt eine vorausschauende, strategisch ausgerichtete Außenwirtschaftspolitik. Diese Politik muss praxis- und umsetzungsorientiert sein und auf den Stärken der österreichischen Unternehmen und des Wirtschaftsstandorts Österreich aufbauen.“

Internationale Arbeitsteilung

„Man hat versucht, für die österreichische Außenwirtschaft im weltwirtschaftlichen Ganzen eine Nische zu finden“, ist der Sukkus, den Friesenbichler aus dem Regierungspapier zieht. Dieses enthält in sieben Kapiteln eine Vielzahl kurz beschriebener Ziele – angefangen von der strategischen Ausrichtung der EU-Handelspolitik bis zum Ausbau einer modernen und professionellen Kommunikation – sowie 63 ebenso kurz skizzierte Maßnahmen (eine Auswahl befindet sich in der Infobox). Insgesamt erweist sich das großzügig befüllte, lediglich 40-seitige Papier gegenüber der 300 Seiten starken Vorgängerpublikation als überaus leserfreundlich. „Die Maßnahmen beruhen im Kern auf der Weiterentwicklung und Fokussierung von bereits Vorhandenem und einem politischen Kompromiss“, geht Friesenbichler auf den Inhalt ein, „bei ihrer Fülle erhöht sich allerdings auch die Wahrscheinlichkeit von Zielkonflikten.“ So hält er es beispielsweise für schwer machbar, strategische Großprojekte voranzutreiben und gleichzeitig zu versuchen, KMU in höherem Grad einzubinden. Zugleich freut ihn, dass faktenbasierte Information für verschiedene Zielgruppen sowie Monitoring and Evaluation betont werden. Damit sollte es schließlich auch möglich sein, ein außenwirtschaftsfreundliches Klima in Österreich zu schaffen.

Insgesamt lasse das Papier einen positiven Wandel des außenwirtschaftlichen Konzepts erkennen, so der WIFO-Experte, nämlich weg vom reinen Handel in Richtung Standortfragen und Wertschöpfungsketten: „Noch vor zehn Jahren wurde der Erfolg an der lokalen Produktion und der Steigerung der Exportvolumina sowie der Anziehung von ausländischen Direktinvestitionen gemessen. Mittlerweile gibt es auch Unterstützung für die Einbindung von Unternehmen in die internationale Arbeitsteilung.“

Zentrales Unterstützungstool für Exporteure bleibt „go-international“. An der nächsten Phase wird derzeit gearbeitet, in der Wirtschaftskammer hofft man, noch im Juni damit starten zu können. Dass das Programm von den Unternehmen sehr positiv beurteilt wird, kann Friesenbichler nur bestätigen, für den Erfolg auf den Weltmärkten seien Rahmenbedingungen und politische Unterstützung aber oft wichtiger als Geld. Laut Regierungspapier sollte es auch daran nicht scheitern.


Infobox: Außenwirtschaftsstrategie

63 Maßnahmen für eine Außenwirtschaftspolitik …

… mit Perspektive (Kapitel 1)
  • Erarbeitung einer Umsetzungs-Roadmap für EU-Handels- und Investitionsabkommen
  • Ausbau der Forschungsplattform Internationale Wirtschaft (FIW)
… mit Wertorientierung (Kapitel 2)
  • Stärkung des Nationalen Kontaktpunkts für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen
  • Aktive Kommunikation der Geschäftschance Nachhaltigkeit im Kontext der Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDG)
  • Stärkung der Partnerschaft Wirtschaft und Entwicklung
  • Förderung nachhaltiger Wirtschaftspartnerschaf- ten zwischen Unternehmen und lokalen Partnern
… mit Standorfeffekt (Kapitel 3)
  • Ausbau der Austrian Business Agency ABA , die auch die Anwerbung von Fachkräften betreibt Schaffung einer Kooperationsplattform zur Vernetzung von KMU mit Industrieunternehmen auf Auslandsmärkten und bei Großprojekten
  • Weitere Internationalisierung der dualen Ausbildung mit Blick auf österreichische Unternehmen
  • Analyse der strategischen Wertschöpfungs- ketten und Absicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung
… mit Schwerpunkten (Kapitel 4)
  • Ausbau der österreichischen Präsenz in Wachstumsmärkten
  • Gezielte politische Unterstützung, insbesondere für strategische Großprojekte
  • Definition von Länder-Branchen-Schwerpunkten
  • Aufbau einer „Business Intelligence Plattform“ für globale Infrastrukturprojekte
… mit Zukunftsorientierung (Kapitel 5)
  • Stärkung der digitalen Präsenz und digitaler Absatzkanäle der österreichischen Unternehmen
  • Ausbau des österreichischen Netzwerks in globalen Innovationshubs
  • Internationalisierung im Bereich Forschung, Technologie und Innovation als Türöffner
… mit klaren Fakten (Kapitel 6)
  • Faktenbasierte Öffentlichkeitsarbeit unter Einbindung der Wirtschaft als Beitrag für eine konstruktive und öffentliche Debatte 
… aus einer Hand (Kapitel 7)
  • Einrichtung eines Gremiums zur Koordination außenwirtschaftlich relevanter Maßnahmen
  • Weiterentwicklung von „go-international“
  • Schaffung eines Meta-Portals für den internationalen Online-Auftritt Österreichs

Fotos: Astrid Knie, Bilfinger MCE