Über die Relevanz einer Green Recovery sind sich vor allem in den Industrieländern die meisten Experten einig. Doch haben nicht viele Entscheidungsträger in ärmeren Weltregionen gerade andere Probleme?
Volz: Nachhaltigkeitsaspekte als Luxusproblem zu sehen ist die falsche Herangehensweise. Letztlich ist es eine Frage der Zeitperspektive: Geht es nur darum, das nächste halbe Jahr zu überstehen? Oder geht es um eine nachhaltige Entwicklung, die auch die nächsten Dekaden trägt? Dass grünes Wachstum zu teuer sein soll, stimmt nicht mit der Realität überein. Schauen wir uns den Energiesektor als einen der wesentlichen Emittenten von CO2 an: Vor zehn Jahren konnte man in der Tat sagen, dass Kohle viel billiger sei als Solarenergie und wir uns letztere entsprechend nicht leisten können. Das ist aber nicht mehr so. Es gibt zudem eine ganze Reihe von Studien, die zeigen, dass Investitionen in grüne Projekte und erneuerbare Energien mehr Beschäftigung generieren können als konventionelle fiskalische Stimuli. Erneuerbare Energie ist also günstiger, schafft mehr Arbeitsplätze – und nur so retten wir das Klima.
Welche Rolle spielen die internationalen Finanzinstitutionen bei der Finanzierung einer Green Recovery in Entwicklungsländern?
Volz: Sowohl der Internationale Währungsfonds als auch die Weltbank benutzen eine sehr starke Rhetorik mit Blick auf eine Green Recovery. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa hält fast täglich eine Rede, in der sie die Notwendigkeit einer Green Recovery hervorhebt. Sie sagt dabei stets: Jetzt ist nicht der Moment, um über Staatsschulden nachzudenken. Das stimmt aus meiner Sicht aber nicht. Wir steuern in großen Teilen des globalen Südens auf eine massive Schuldenkrise hin. Wenn sich die Krise noch eine Weile hinzieht, wonach es aktuell aussieht, wird eine große Anzahl an Entwicklungsländern ihre Schulden nicht mehr tragen können. Da ist dann leider auch kein Raum, um eine Green Recovery zu finanzieren.
Was schlagen Sie vor?
Volz: Ich habe die Initiative Debt Relief for Green and Inclusive Recovery mit ins Leben gerufen. Wir schlagen einen Schuldenschnitt für hoch verschuldete Länder vor. Diese soll dort ausreichende Ressourcen freisetzen, um die sozialen Folgen der Krise abzufedern, Erholung nachhaltig zu gestalten, die Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften zu stärken und einen gerechten Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu fördern.