Was bedeutet Globalisierung für Sie?
Klauser: Globalisierung steht für mich vor allem für Veränderung. Diese Veränderung bedeutet für viele Menschen Unsicherheit, dabei ist sie eine Möglichkeit, aktuelle Prozesse zu überdenken und zu überlegen, wie man sich neu und besser ausrichten kann. Die Globalisierung birgt also die Chance, an den Anforderungen der Globalisierung selbst zu wachsen. Das ist eine Herausforderung, aber anstatt diese positiv zu sehen, scheint das Bild zu dominieren, dass jemand kommt und uns etwas vom Kuchen wegnimmt.
Auf Unternehmensebene heruntergebrochen bedeutet das, die eigenen Leitbilder und Managementansätze zu hinterfragen – vor allem in Hinblick auf den Umgang mit Volatilitäten. Businesspläne hatten früher einen Horizont von drei bis fünf Jahren – heute können wir mit solchen Zeiträumen nicht mehr planen. Globalisierung bedeutet auch, sicher zu stellen, dass Kommunikation nicht am Betriebstor oder an Ländergrenzen endet und die Kultur des Unternehmens auch tatsächlich in allen Regionen übernommen wird. Dabei liegt der Erfolg Österreichs sowie österreichischer Manager auch darin, offen gegenüber Kulturen zu sein, nicht schwarz-weiß zu denken und vor allem nicht auf Basis der Größe und Stärke des Landes agieren zu können.
„Die Globalisierung birgt die Chance, an den Anforderungen der Globalisierung selbst zu wachsen.“
Wie sehen Sie die Rahmenbedingungen in Österreich für ein international tätiges Unternehmen wie Palfinger?
Klauser: Positiv. Österreich bietet immer noch ein stabiles Umfeld. Pluspunkte sind auch die Sozialpartnerschaft und grundsätzlich das Ausbildungsniveau, wobei man das Bildungssystem dringend stärken müsste – und zwar ohne es dabei neu zu erfinden. Insbesondere beim Thema Lehre sind wir gefordert. Palfinger plant gerade ein neues Ausbildungszentrum für doppelt so viele Lehrlinge wie bisher. Schwieriger sehe ich das Thema Steuern und vor allem Lohnnebenkosten: Im Bereich Forschung und Entwicklung ist es heute nicht einfach, internationale Spitzenkräfte nach Österreich zu bekommen.
Bereitet Ihnen die aktuelle wirtschaftliche Lage Sorgen?
Klauser: Die Situation ist bei weitem volatiler als vor ein paar Jahren. Das zeigt sich bei Planungsprozessen: Was Sie gestern geplant haben, ist übermorgen nur mehr teilrelevant. Dafür ist auch das politische Umfeld verantwortlich – denken Sie an die US-amerikanische Politik oder den Brexit. Hier ist Europa gefordert, erwachsener zu werden, das bedeutet, politisch Position zu beziehen und den gemeinsamen Wirtschaftsraum nicht zu schwächen.
Auf Unternehmensebene bietet diese Volatilität gleichzeitig die Chance, neue Geschäftsfelder zu erschließen – insbesondere dort, wo sich Mitbewerber mit den Ups und Downs schwer tun. Hier können wir von den Amerikanern lernen, die im Down schnell die Handbremse anziehen und ebenso schnell im Up wieder Vollgas geben. Wir müssen agiler werden! Denn der Erfolg hängt immer öfter nicht nur von Qualität und Preis ab, sondern auch von der Schnelligkeit, mit der man auf Kundenanforderungen reagiert.
Wo liegen die Wachstumsmärkte von Palfinger?
Klauser: In Europa lassen sich die Märkte nicht einfach zusammenfassen: In Österreich haben wir im Bereich Infrastruktur anders als in Deutschland eine sehr gute Auftragssituation. Es ist also nicht mehr so, dass man ein europäisches Geschäftsmodell erkennen kann. International sehen wir großes Potenzial darin, mit lokalen Partnern zu wachsen. Das betrifft Russland, aber zunehmend auch die USA. In Ländern wie China liegt das Wachstumspotenzial bei Premiumprodukten, die lokale Unternehmen nicht herstellen können. Die größten Wachstums-raten haben wir in Lateinamerika, vor allem in Brasilien und Argentinien, volumens- und ergebnismäßig sind unsere wichtigsten Wachstumsmärkte aber Russland und China.
Spielt Afrika auch eine Rolle?
Klauser: Hier stellen wir uns gerade neu auf – nicht nur, was das Geschäftsmodell betrifft, sondern auch, um den Markt besser zu verstehen. Wir wollen zudem eine lokale Servicepräsenz aufbauen. Neben Südafrika geht es in einem ersten Schritt um die nordafrikanischen Staaten. Auch Länder mit einem bedeutenden Bergbausektor wie Namibia oder Simbabwe stehen vermehrt im Fokus.
Müssen Unternehmen wachsen?
Klauser: Mein Management-Stil legt großes Gewicht auf Wachstum, weil man Menschen besser für Bewegung als für Stillstand motivieren kann. Nur: Sich vorwärts zu bewegen, heißt nicht immer zu laufen. Wir sind gerade in einer Konsolidierungs-phase und machen eher kleine Schritte – aber immer mit einer gewissen Wachstumsorientierung. Auch das Management muss immer in Bewegung sein anstatt zurückzuschauen oder Ping-Pong zu spielen.
Palfinger ist abgesehen vom Krangeschäft durch den Zukauf von Unternehmen gewachsen. Hier stellt sich die Frage: Wie weit integriere ich erfolgreiche Unternehmen? Wie nutze ich Synergien? Solange das Unternehmen durch Zukäufe weiter wächst, hat das oft wenig Priorität. Nur müssen Sie irgendwann bei Unternehmenszukäufen in risikoreichere Geschäfte gehen – und das werde ich nicht machen. Die Herausforderung ist also, Wachstum zu schaffen, ohne neue Märkte zuzukaufen. Ganz wesentlich ist dabei Effizienzsteigerung. Und hier geht es nicht um Personalabbau, sondern darum, die besten Ressourcen bestmöglich einzusetzen. Um das zu managen, haben wir mit der Palfinger Global Organisation in den vergangenen Monaten in einem breit angelegten Prozess eine neue agile Struktur geschaffen.
„In Afrika stellen wir uns gerade neu auf – nicht nur, was das Geschäftsmodell betrifft, sondern auch, um den Markt besser zu verstehen.“
Welche Trends werden Ihre Branche entscheidend beeinflussen?
Klauser: Ein wesentliches Thema sind neue Geschäftsmodelle. Wir haben sehr viel Erfahrung im Bereich Hardware: Wir haben die besten Zylinder, die stabilsten Kranarme, die schönsten Arbeitsbühnen. Nur: Die Verbesserung dieser Produkte ist irgendwann einmal ausgereizt. Irgendjemand wird Stahl billiger einkaufen und schneller schweißen. Wir sind also gefordert, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln: Beispielsweise könnten unsere Brückeninspektionskräne in Zukunft durch Drohnen ergänzt werden. Dazu müssen wir lernen, dass wir nicht überall selbst Experten sein können, wir setzen daher auf Partnerschaften und Joint Ventures. Ein zweiter wesentlicher Trend ist die Digitalisierung, die von der Kommunikation mit dem Kunden bis zur Digitalisierung der Produkte selbst reicht. Zum Beispiel könnte zukünftig ein Holztransporter nur den ersten Baumstamm manuell laden, der Kran merkt sich diese Bewegung und verlädt dann autonom den ganzen Holzstapel.
Wie holen Sie Innovation ins Unternehmen?
Klauser: Wir haben mit Palfinger 21st einen eigenen Unternehmensbereich geschaffen, der sich mit neuen Technologien auseinandersetzt und radikale Ideen fördert, die das Potenzial haben, unser Business zu verändern. Dabei spielen auch Start-ups eine wichtige Rolle, weshalb wir ein Büro im Wiener Startup-Hub WeXelerate eröffnet haben. Wir unterhalten zudem Partnerschaften mit Universitäten und Anwendern. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass man in der Forschung einen langen Atem braucht. In Österreich springt man relativ rasch auf Themen auf, verfolgt diese dann aber nicht langfristig genug, weswegen oft nicht klar wird, worin der Mehrwert einer Innovation besteht. Praktisch wird mitunter geforscht um des Forschens willen. Leider ist auch die Politik hier nicht frei von Aktionismus.
Entwickeln Sie auch Produkte speziell für Emerging Markets?
Klauser: Emerging Markets-Produkte sind in unserer Branche oft Produkte, die ich auf Basis der Technik der 1990er Jahre in einem chinesischen Joint Venture produziere und dann in Afrika anbiete. Diese Produkte sind vielleicht nicht High-tech, funktionieren aber extrem zuverlässig. Im Rahmen unserer globalen Organisation kann ich hier auf einen umfassenden Baukasten zurückgreifen und muss nicht in Österreich die alten Konstruktionspläne suchen.
„Wir agieren einerseits wie ein Familien-unternehmen, werden aber andererseits vom Kapitalmarkt gefordert. Das bringt einen ganz speziellen Drive.“
Wie bringen Sie Nachhaltigkeit und Wachstum zusammen?
Klauser: Wir haben den Vorteil, dass der Hauptaktionär nach wie vor die Familie Palfinger ist. Dadurch können wir einerseits wie ein Familienunternehmen agieren, werden aber andererseits vom Kapitalmarkt gefordert. Das bringt einen ganz speziellen Drive. Vor diesem Hintergrund kann ich auch Nachhaltigkeitsziele langfristig setzen. Themen von Mitarbeitergesundheit über Umweltschutz bis zum Einsatz erneuerbarer Energie lassen sich besser adressieren, wenn man langfristig planen kann. Und dann steht auch nicht der kurzfristige Mehraufwand im Vordergrund, sondern die Frage, wie ich die relevanten Prozesse strukturiere. Es geht hier ja nicht um Nice-to-have-Themen, sondern um Produktivitätssteigerung und Qualitätssicherung. Dafür haben wir eine Abteilung, die herausgelöst aus dem Tagesgeschäft permanent unsere Nachhaltigkeitskennzahlen am Radar hat. Neben regionalen und branchenspezifischen Benchmarks haben wir gemeinsam mit externen Beratern aus der globalen Erfahrung Ziele und Richtwerte definiert, die wir über alle 35 Produktionsstandorte weltweit einfordern können. Die Abteilung berichtet direkt an mich, und ich kann dann über die Vorstandskollegen oder das Managementteam die entsprechenden Aktivitäten einfordern. Wenn ich heute mit dem Einkauf eine Vorgabe für erneuerbare Energie festlege, muss ich das dank dieser Struktur nicht mit jeder einzelnen Tochtergesellschaft diskutieren – wo dann jeder zweite Verantwortliche hofft, dass das Thema in Vergessenheit gerät.
Welche Bedeutung haben die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung für Palfinger?
Klauser: Wir haben diese Ziele im Kontext des Geschäftsberichts gerade diskutiert. Für mich geht es zum einen darum, dass wir unsere Technologien auch anderen Ländern zugänglich machen und nicht nur die Hardware verkaufen. Zum anderen brauchen Unternehmen aber hier in Österreich mehr Anreize und auch Förderungen für globale Aktivitäten. Wir haben beispielsweise in den vergangenen Jahren im Rahmen einer Wirtschaftspartnerschaft mit der Austrian Development Agency am Standort Rudong im Osten Chinas die dualen Lehrausbildungen Metall- und Schweißtechniker und Mechatroniker eingeführt. Und solche Engagements würden wir gerne ausweiten.
Was treibt Sie als Manager an?
Klauser: Es geht darum, erfolgreich zu sein und ein gewisses Maß an Freude an dem zu haben, was man tut. Es gibt beispielsweise viele Situationen, in denen man durch leichtes Drehen an einem Rädchen schon wesentliche Verbesserungen erzielen kann, einfach effizient zu sein. Da spricht der Techniker in mir.
Vielen Dank für das Gespräch!
ZUR PERSON
Andreas Klauser, 53, ist seit 2018 CEO des Salzburger Kranherstellers Palfinger AG. Der Oberösterreicher blickt auf mehr als 25 Jahre Erfahrung im Bereich Landmaschinen und Nutzfahrzeuge zurück. Zuletzt war er als Vorstandsmitglied der Fiat-Tochter CNH Industrial für die Marken Case IH und Steyr verantwortlich.
ZUM UNTERNEHMEN
Von der Schlosserei zum Global Player
Das Salzburger Unternehmen Palfinger wurde 1932 als Schlosserwerkstatt gegründet und ist heute international führender Hersteller innovativer Hebe-Lösungen, die auf Nutzfahrzeugen und im maritimen Bereich zum Einsatz kommen. Im Segment Ladekran ist das Unternehmen mit mehr als hundert Modellen und einem Marktanteil von 30 Prozent Weltmarktführer. Im Portfolio befinden sich unter anderem auch Forst- und Recyclingkräne, Hooklifts, Mitnahmestapler und LKW-montierte Hubarbeitsbühnen. Die Palfinger Gruppe ist in 31 Ländern tätig, hat 35 Fertigungs-und Montagewerke in Europa, in den GUS-Ländern, in Nord- und Südamerika sowie in Asien und verfügt über ein weltweites Vertriebs- und Servicenetzwerk mit mehr als 5.000 Service-stützpunkten in über 130 Ländern. 59 Prozent des börsenotierten Unternehmens stehen im Besitz der Familie Palfinger. Der Konzern erwirtschaftete 2018 mit rund 10.800 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 1,6 Mrd. Euro. Der Exportanteil beträgt rund 95 Prozent.