Was bedeutet Globalisierung für den Standort Österreich? 

Bernkopf: Ich verbinde mit Globalisierung die Begriffe Verantwortung, Chancen und Risiken. Österreich ist eine kleine Volkswirtschaft, die sehr stark auf den Export angewiesen ist. Der Großteil des Wirtschaftswachstums verdankt sich der Internationalisierung der heimischen Unternehmen. Ohne diese könnten wir unseren heutigen Wohlstand nicht halten. 

Wo sehen Sie die großen Wachstumschancen für die österreichische Außenwirtschaft?

Bernkopf: Rund 70 Prozent unserer Exporte gehen in den EU-Raum, davon fast die Hälfte nach Deutschland. Das ist vor allem historisch bedingt. Im Rahmen unseres Exportversicherungsgeschäfts merken wir nun aber, dass sehr viele Unternehmen gerade aus dem Umwelt- und Technologiebereich verstärkt auf neue Märkte setzen. Die großen Wachstumschancen sehen wir dabei in Asien: China ist hier das vorherrschende Thema, aber auch in Vietnam und Indonesien gab es in den vergangenen Jahren viel Dynamik. In Lateinamerika spielt Brasilien als größte Volkswirtschaft schon länger eine wichtige Rolle, auch Mexiko hat sich in letzter Zeit gut entwickelt. In Afrika passiert ebenfalls einiges, aber ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau. Der Aufholbedarf dort betrifft ganz stark Bereiche, in denen die österreichische Wirtschaft gut aufgestellt ist: Gesundheit, Umwelttechnik, Infrastruktur.

Helmut Bernkopf, Oesterreichische Kontrollbank

„In meinen Augen ist die OeKB im internationalen Vergleich sehr
wettbewerbsfähig.“

 
Warum tun sich österreichische Unternehmen bei der Internationalisierung in schwierigere Märkte oft nicht leicht? 

Bernkopf: Eine zentrale Herausforderung ist die Kleinteiligkeit der Wirtschaft. Für KMU ist es vergleichsweise schwierig, global Fuß zu fassen, selbst wenn sie die richtigen Technologien und Produkte haben. Und die Markterschließung in Entwicklungsländern ist noch ein Stück aufwendiger und teurer. Denn die Auftragsakquise ist hier nicht mit einem einmaligen Besuch erledigt – diese Märkte muss man intensiv bearbeiten! Das geht nicht über eine Fernbeziehung, Unternehmen müssen selbst vor Ort sein oder einen verlässlichen Partner finden. Hinzu kommt, dass österreichische Unternehmen durch ihre kleinteilige Struktur im internationalen Geschäft oft auf die Rolle des Zulieferers beschränkt sind und bis auf ein paar Ausnahmen keine Großaufträge alleine stemmen können. 

Welchen Beitrag leistet die OeKB für die Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft?

Bernkopf: Unser Kerngeschäft besteht darin, mit dem Mandat der Republik Österreich politische und wirtschaftliche Risiken im Auslandsgeschäft abzusichern und Investitionen und Beteiligungen im Ausland zu refinanzieren – und zwar dort, wo es keinen Markt für private Versicherungen gibt. Ein wesentliches Instrument ist die Exportfinanzierung, wo wir über die Hausbanken sehr günstige und langfristige Finanzierungen auf die Beine stellen können. Dabei sind wir innerhalb der europäischen Exportkreditagenturen in vielen Ländern vorne dabei, mitunter haben wir ähnliche Volumina wie Deutschland, einer zehnmal so großen Volkswirtschaft. In meinen Augen ist die OeKB im internationalen Vergleich sehr wettbewerbsfähig. Die Exportfördersysteme der meisten Länder führen Absichern und Finanzieren völlig getrennt voneinander – unser großer Vorteil ist, dass wir beides aus einer Hand anbieten können. Im Rahmen der Vorgaben der EU und OECD, die ein Level-Playing-Field für die Exportwirtschaften anstreben, ist die OeKB vielleicht sogar ein wenig internationaler orientiert als manche unserer Peers.

Wie passt die OeKB ihr Angebot an sich wandelnde Realitäten an? 

Bernkopf: Wir haben in diesem Jahr unsere Produktpalette erweitert, um Incentivierungen im Bereich klimafreundliche Investitionen zu schaffen. Unser Produkt Exportinvest, mit dem wir Inlandsinvestitionen, die zu mehr Export führen, unterstützen, haben wir um die Komponente Exportinvest Green erweitert. Normalerweise finanzieren wir im Ausmaß der Exportquote. Das heißt, bei sechzig Prozent Exportquote können wir sechzig Prozent einer Inlandsinvestition finanzieren. Bei einer besonders umweltfreundlichen Investition können wir diese Quote um zwanzig Prozent erhöhen. Zudem haben wir vor zwei Jahren in Richtung Afrika starke Akzente gesetzt: Es wurden die Deckungsquoten nach oben gezogen, die Länderlimits angehoben und auch die Laufzeiten verlängert. Das heißt, es gibt sehr viel mehr Spielraum für Geschäfte mit afrikanischen Ländern. Bei der Mehrzahl der Länder haben wir die Limits nicht ausgeschöpft und genügend Luft nach oben. Es kann natürlich immer Einzelfälle geben, wo wir limittechnisch an den Anschlag kommen. Das Finanzministerium reagiert im Allgemeinen sehr schnell und möchte vermeiden, dass Exporte auf Grund von Limitrestriktionen nicht zu Stande kommen. Gleichzeitig sind Konzentrationsrisiken im Versicherungsgeschäft das schlechteste, was man haben kann. 

Welche Intention steckt hinter dem OeKB Sustainability Bond?

Bernkopf: Wir sind nach der Bundesfinanzierungsagentur der zweitgrößte Player am österreichischen Kapitalmarkt im Bereich Emissionen und Begebung von Anleihen. Und wir haben gesehen, dass wir zum Thema Nachhaltigkeit unsere Präsenz ausbauen können. Wir haben dazu einen Rahmen mit sieben sozialen und vier ökologischen Kriterien geschaffen. Unsere erste Emission ist dieses Jahr sehr gut gelaufen: Innerhalb weniger Stunden gab es ein Interesse in Höhe von 1,8 Mrd. Euro. Wir haben bei 500 Mio. Euro die Bücher geschlossen, weil wir ja auch die entsprechenden nachhaltigen Investitionsprojekte brauchen. Diese reichen vom medizinischen Bereich über Umwelttechnologie und Trinkwasserversorgung bis zur Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen, um Beschäftigung zu schaffen. Wir gehen davon aus, dass wir mit Produkten wie dem OeKB Sustainability Bond eine regelmäßige Kapitalmarktpräsenz aufbauen können – natürlich vorausgesetzt, dass es der Markt zulässt und von Investorenseite Appetit besteht.

Helmut Bernkopf, Oesterreichische Kontrollbank

„Die SDG haben einen echten Business-Impact und sind kein Greenwashing.“

 
Inwieweit stellen die Agenda 2030 und die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung SDG neue Marktchancen für Unternehmen dar?

Bernkopf: Das wird meiner Wahrnehmung nach heute viel positiver gesehen als 2015, als die SDG von der Staatengemeinschaft verabschiedet wurden. Mittlerweile nehmen viele Unternehmen die SDG als positives Differenzierungsmerkmal und als Orientierungsrahmen wahr, an dem sie ihre Geschäftsstrategien ausrichten können. Zudem haben viele Unternehmen erkannt, dass sie am Kapitalmarkt ohne Nachhaltigkeitsratings über kurz oder lang Nachteile erfahren werden, weil sich Investoren gegen sie und für Mitbewerber entscheiden werden, die sich stärker und vor allem nachvollziehbar an der Agenda 2030 orientieren. Daher haben die SDG einen echten Business-Impact und sind kein Greenwashing. Und das spüren die österreichischen Firmen auch stark, insbesondere wenn sie auf internationalen Märkten auftreten. Für die OeKB intern waren die SDG von Anfang an ein Kriterium bei der Evaluierung, welche Projekte wir absichern und finanzieren dürfen und bei welchen das nicht möglich ist. Heute analysieren und dokumentieren wir genau, auf welche der 17 Ziele einzelne Geschäftsfälle einzahlen. 

Helmut Bernkopf, Oesterreichische Kontrollbank

„Ich würde mir wünschen, dass Entwicklungszusammenarbeit auch politisch mehr Aufmerksamkeit bekommt.“

Sie haben vorhin die KMU-Struktur der heimischen Wirtschaft angesprochen: Was kann die OeKB dazu beitragen, dass mehr Unternehmen international aktiv werden?

Bernkopf: Hier muss man unterscheiden: Die Märkte in der europäischen Union stellen marktfähige Risiken dar, die der private Versicherungssektor abdeckt. Unsere Kunden sind Unternehmen, die über diese Märkte hinaus tätig sind. Und hier braucht es eine gewisse Größe, Struktur und auch Produkte, die in schwierigeren Märkten nachgefragt werden. Für solche Kunden bieten wir im Auftrag des Bundes unsere Services an. Wenn es darum geht, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre konkreten Produkte in einem solchen Markt erstmals anzubieten, gibt es Institutionen wie die Außenwirtschaft Austria, die eine Markterschließung begleiten können. 

Welche Rolle nimmt die Oesterreichische Entwicklungsbank OeEB in der OeKB-Gruppe ein? 

Bernkopf: Die Oesterreichische Entwicklungsbank ist der kommerzielle Teil der Entwicklungszusammenarbeit, verschenkt also kein Geld, sondern finanziert Projekte, die wirtschaftlich tragfähig sind. Die Mission der Entwicklungsbank ist dabei in erster Linie Armutsbekämpfung. Die OeEB ist eine vergleichsweise junge Organisation, die sich in zehn Jahren eine tolle Position im europäischen Kontext erarbeitet hat. Mit einem Portfolio von rund einer Mrd. Euro hat die OeEB eine kritische Größe erreicht und investiert jedes Jahr rund 300 Mio. Euro in neue Projekte – von der Größe des Portfolios ist sie die Nummer sechs in Europa. Ihre Strategie wurde heuer weiterentwickelt, regional hin zu einem stärkeren Afrika-Schwerpunkt und thematisch in Richtung Umwelt und Gender. Natürlich kann man für Ausgaben im entwicklungspolitischen Bereich vor allem in Wirtschaftskreisen mehr Verständnis wecken, wenn man auch positive Wirkungen für die österreichische Wirtschaft erzielt. Im Idealfall schafft die OeEB die Brücke zwischen Armutsbekämpfung und Mehrwert für heimische Unternehmen. 

Wie sehen Sie Österreich insgesamt beim Thema Entwicklungsfinanzierung aufgestellt? 

Bernkopf: Wenn man auf die finanzielle Zusammenarbeit schaut, dann haben Soft Loans eine immense Bedeutung und erzielen auch eine ebensolche Wirkung. Da gibt es viele positive Beispiele, die das belegen: Etwa in Indonesien, wo Österreich in der Vergangenheit mit Soft Loans sehr aktiv war und heimische Unternehmen mittlerweile auch größere, kommerzielle Projekte umsetzen. Was in Österreich hingegen fehlt, ist eine ungebundene, bilaterale finanzielle Zusammenarbeit. In Skandinavien und den Niederlanden haben solche Instrumente viel mehr Tradition. Ich würde mir wünschen, dass Entwicklungszusammenarbeit auch politisch mehr Aufmerksamkeit bekommt. Letztendlich ist das aber eine Entscheidung der Politik – die OeKB Gruppe ist in jedem Fall offen für neue Initiativen.

Vielen Dank für das Gespräch!

ZUR PERSON

Helmut Bernkopf ist seit 2016 Mitglied des Vorstands der Oesterreichischen Kontrollbank. Der Absolvent der Wirtschaftsuniversität Wien war zuvor bei der Bank Austria in unterschiedlichen Managementpositionen unter anderem im Osteuropageschäft tätig, bevor er 2008 in den Vorstand wechselte.

ZUR ORGANISATION

Exportversicherer von zentraler Bedeutung
OeKB-Standort in der Wiener Innenstadt

Die Oesterreichische Kontrollbank OeKB wurde 1946 vom österreichischen Bankensektor gegründet, um das heimische Kreditwesen nach dem zweiten Weltkrieg wiederaufzubauen. 1950 beauftragte die Bundesregierung das bis dahin reine Dienstleistungsunternehmen für die Kreditwirtschaft mit der Absicherung und ab den 1960er Jahren mit der Finanzierung des Exportgeschäfts österreichischer Unternehmen. Heute ist die OeKB zentrale Anlaufstelle für Finanz- und Informationsdienstleistungen für die Exportwirtschaft und den Kapitalmarkt. Ihr Aufgabenbereich umfasst Export-, Tourismus-, Kapitalmarkt- und Energiemarktservices sowie die Entwicklungsfinanzierung. Letztere wird von der im Jahr 2008 gegründeten Oesterreichischen Entwicklungsbank OeEB, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der OeKB, betreut. Mit mehr als 460 Mitarbeitern wurde im Geschäftsjahr 2018 eine Bilanzsumme von 28,7 Mrd. Euro ausgewiesen und ein Gesamtergebnis von 27 Mio. Euro erwirtschaftet, das Haftungsvolumen im Rahmen des Ausfuhrförderungsgesetzes betrug 26,3 Mrd. Euro.

Fotos: Mihai Mitrea, OeKB