Es ist ein längst bekanntes Bild, das die aktuelle Außenwirtschaftsstatistik liefert: Die österreichische Exportwirtschaft ist vorwiegend mit dem europäischen Binnenmarkt vernetzt, 75 Prozent der heimischen Exporte gehen in die EU, weitere knapp sechs Prozent in die EFTA-Staaten. In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich die Fokussierung auf den Kontinent Europa nur marginal verringert. 

Was braucht es, damit mehr Unternehmen ihren Blick auf neue, exotischere Märkte richten, dortige Chancen identifizieren und vor allem auch nutzen? Ein verstärkter Fokus in den heimischen Aus- und Weiterbildungsangeboten auf Fremdsprachen, auf die spezifischen Herausforderungen in Schwellen- und Entwicklungslandmärkten und mitunter auch auf Kompetenzvermittlung in der Strukturierung von internationalen Projekten wären zumindest einmal ein guter Anfang. 

Internationalisierungskompetenz

Ein Vorreiter in der Ausbildung mit einem Schwerpunkt auf Internationalisierungskompetenz ist die Wirtschaftsuniversität Wien. Neben einer Reihe an allgemeinen international ausgerichteten Bachelor- und Masterprogrammen gibt es seit dem Wintersemester 2014 auch das Masterprogramm Export- und Internationalisierungsmanagement, das sich insbesondere der Internationalisierung von kleinen und mittleren Unternehmen widmet. „Die WU ist eine der wenigen europäischen Hochschulen, die diese inhaltliche Kombination anbieten“, betont Studiengangsleiter Alexander Mohr. Durch die zunehmende Bedeutung der Schwellen- und Entwicklungsländer für österreichische Unternehmen werde vermehrt auf diese Länder fokussiert. „Die besonderen Chancen und Herausforderungen in Entwicklungsregionen spielen mittlerweile eine wichtige Rolle im Curriculum. Wir arbeiten beispielsweise eng mit Beratungsunternehmen zusammen, die Firmen bei der Expansion nach Asien unterstützen“, so Mohr. Auch das Kompetenzzentrum für Emerging Markets & Mittel- und Osteuropa der WU bemüht sich laufend, Zusatzangebote zum Thema Schwellen- und Entwicklungsländer anzubieten. Wichtiges Asset der WU ist zudem ihr Netzwerk an rund 240 Partneruniversitäten weltweit, darunter Hochschulen in Russland, Thailand, Indonesien, China, den Philippinen, Indien, Brasilien, Argentinien, Mexiko oder Südafrika.

Auch die Johannes Kepler Universität Linz setzt auf intensiven kulturellen Austausch im Rahmen des Global Business Masterstudiengangs. „Die Programmstruktur ist einzigartig, sie sieht nämlich nach dem ersten Studienjahr in Österreich eine internationale Mobilitätsphase vor. Die Teilnehmer studieren somit an drei verschiedenen Universitätsstandorten und bekommen damit intensive Einblicke in unterschiedliche Kulturen und Wirtschaftsregionen“, so Institutsvorstand Robert Breitenecker von der JKU Linz. Neben Kooperationspartnern in Kanada, Taiwan, Russland und Italien wird seit dem Vorjahr auch ein Studienaufenthalt in Peru angeboten.

Projektentwicklung

Gerade Auslandserfahrung ist neben einem betriebswirtschaftlichen Hintergrund und Fremdsprachenkenntnissen essenziell für den Erfolg im internationalen Geschäft, meint der Business Developer Daniel Tappeiner. Er ist bereits jetzt regelmäßig in Ländern wie Ghana oder Äthiopien beruflich unterwegs und wickelt für die Wassertechnik-Sparte des heimischen Bauriesen Strabag insbesondere in Südostasien und Afrika Trink- und Abwasserprojekte ab. „Man ist in jedem Land aufs Neue mit sprachlichen und kulturellen Herausforderungen konfrontiert und muss dem mit einer gewissen Gelassenheit, aber auch mit Respekt begegnen“, so Tappeiner. Gerade wenn es um das Geschäft in Schwellen- und Entwicklungsländern geht, helfe es darüber hinaus sehr, über Exportfinanzierungs- und Absicherungsmöglichkeiten sowie das Ausschreibungsprozedere internationaler Finanzinstitutionen Bescheid zu wissen. „Aktuell sind das aber eher Dinge, die man on-the-job lernt“, relativiert Tappeiner.

In der Tat bietet derzeit lediglich die Oesterreichische Kontrollbank mit der für Bestandskunden konzipierten Exportakademie ein kompaktes Format an, das im Bereich Export- und Projektfinanzierung grundlegendes Wissen vermittelt. Ein entsprechendes Weiterbildungsangebot der Fachhochschule Wien in Kooperation mit der Außenwirtschaft Austria zum „Akademischen Experten für internationale Projektentwicklung“ musste kürzlich aufgrund mangelnden Interesses ruhend gestellt werden. „Gerade mittelständische Unternehmen melden zwar entsprechenden Bedarf nach Qualifikationen für das internationale Projektgeschäft, wollen aktuell aber scheinbar lieber eine individualisierte Beratung, anstatt ihre Mitarbeiter standardmäßig zu qualifizieren“, mutmaßt Natalie Völkl, Leiterin des Zentrums für akademische Weiterbildung an der FH Wien. Man wolle jedenfalls am Ball bleiben und mit Stakeholdern der Branche in Kontakt bleiben, um eine Wiederaufnahme des Weiterbildungsprogramms laufend zu evaluieren, so Völkl. Daniel Tappeiner sieht dem noch natürliche Grenzen gesetzt: „Die Community in Österreich ist da schon vergleichsweise klein, es gibt bislang nicht viele Menschen, die im Bereich Projektstrukurierung tätig sind.“

Perspektivenwechsel

Wo aber stehen Schwellen- und Entwicklungsländer explizit im Zentrum des Ausbildungsangebots? Kurz gesagt: in Graz. Die Fachhochschule Joanneum richtete bereits 2011 das Masterprogramm International Management klar auf das Zukunftsthema „Business in Emerging Markets“ aus. Studienleiter Wolfgang Granigg sieht sich als Pionier: „Schwellenländer werden immer mehr zum Motor der Weltwirtschaft. Dieser Themenbereich wird an den Hochschulen aber leider noch viel zu wenig in den Fokus gerückt. Durch die sich gerade fundamental verändernde Weltwirtschaft ist es besonders wichtig, Studierende nicht auf die Geschäftswelt von heute, sondern bestmöglich auf die Chancen und Herausforderungen von morgen vorzubereiten. Und da gehören Schwellenländer einfach dazu.“ Der interdisziplinäre Unterricht findet durchgehend in englischer Sprache statt, ein verpflichtendes Auslandssemester in einem Schwellenland soll einen Perspektivenwechsel ermöglichen und die interkulturellen Fähigkeiten stärken.

Dass es die differenzierte Auseinandersetzung mit den Chancen und Herausforderungen, welche die Internationalisierung in einer globalisierten Welt mit sich bringt, braucht, hat man auch an der IMC Fachhochschule Krems erkannt. In diesem Jahr wurde etwa das Masterstudienprogramm International Business and Export Management überarbeitet und um den Aspekt der Wirtschaftsdiplomatie erweitert, um die Erwartungen des Arbeitsmarktes besser zu erfüllen. „Neben innerbetrieblichen Faktoren wie internationale Markteintrittsstrategien oder Lieferkettenmanagement werden im Masterstudium International Business and Economic Diplomacy auch externe Faktoren des Internationalisierungsprozesses wie Außen- und Handelspolitik sowie Wirtschaftsförderungsmaßnahmen thematisiert, da beide für den Erfolg internationaler Geschäftsbeziehungen maßgeblich sind“, erklärt Studiengangsleiterin Alina Schoenberg. „Zudem geben wir unseren Studierenden praktische Fähigkeiten wie Business Analytics, Verhandlungstechniken, Krisenmanagement und diplomatische Etikette mit auf den Weg, die notwendig sind, um auf dem internationalen Parkett bestehen zu können.“ Schwellen- und Entwicklungsländer werden aktuell jedoch nur implizit in den Lehrveranstaltungen berücksichtigt.

Mit Weitblick

Einen ganz anderen Ansatz wählt die FH Kärnten, wo seit 2015 ein eigenes Masterprogramm mit Fokus auf Business Development angeboten wird. „Beim Business Development geht es stark um die Neugeschäftentwicklung, Internationalisierung ist nur eine Stoßrichtung davon. Unser Studiengang zielt ganz allgemein auf Tools und Methoden eines Business Developers ab – unabhängig davon, ob es um Wachstum zuhause oder Wachstum im Ausland geht“, sagt Studiengangsleiter Alexander Schwarz-Musch. Er meint, dass es mehr sogenannte „integrierende Generalisten“, wie Business Developer auch gerne genannt werden, in Unternehmen braucht, damit diese verstärkt Wachstumsmöglichkeit identifizieren, Geschäftsmodelle anpassen oder neue entwickeln können. Denn Business Development sei eben mehr als „nur“ Vertrieb. „Natürlich ist der Vertrieb wichtig und gut, aber Business Development geht darüber hinaus, hat eine konzeptionelle Komponente dahinter, eine strategische, zukunftsorientierte Ausrichtung“, so Schwarz-Musch. Und vielleicht ist es ja gerade dieser Weitblick, der in vielen österreichischen Unternehmen noch etwas weiterentwickelt werden könnte.

Foto: Istock/CHBD