Leitartikel

Zweischneidig

Christoph Eder, corporAID

Ausgabe 99 – Sommer 2023

Die globalen Transformationen vom Klimaschutz bis zur vielzitierten Schaffung von Perspektiven vor Ort erfordern mehr als große Ansagen und Absichtserklärungen.

Christoph Eder, Chefredakteur des corporAID Magazin
Christoph Eder, Chefredakteur

Von der Zeitenwende im Umgang mit aggressiven Autokratien über den Kampf gegen den Klimawandel bis zur weltweiten Schaffung von Wohlstand und Lebensperspektiven zur Verhinderung von Flucht und Migration – die Politik geizt nicht mit großen Ansagen und Absichtserklärungen. Was dabei mitunter in den Hintergrund gerät, ist die Übersetzungsleistung in die Praxis. Wenn es um die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern geht, kann das ein zweischneidiges Schwert sein.

Denn die globalen Transformationen vom Klimaschutz bis zur vielzitierten Schaffung von Perspektiven vor Ort brauchen eine wirkungsvolle Zusammenarbeit insbesondere mit den afrikanischen Ländern – der Klimawandel wird nicht im österreichischen Heizungskeller und der Wunsch von Millionen Menschen nach einem besseren Leben in Freiheit und Wohlstand nicht durch Grenzzäune gestoppt werden. Wie diese zukunftsweisende Kooperation mit unserem Nachbarkontinent in der Praxis aussehen könnte, wird leider auf die lange Bank geschoben. Klar ist, dass es bessere Formen der Zusammenarbeit braucht, als sie heute zur Verfügung stehen. Zu oft wird versucht, große Herausforderungen mit einem Kleinklein an Projekten zu adressieren, statt mit einem ordnungspolitischen Ansatz nachhaltig funktionierende Strukturen zu schaffen.

Wichtig wäre das nicht zuletzt bei der Integration von Entwicklungsländern in den Weltmarkt – eine notwendige Voraussetzung für die genannten Transformationen. In den vergangenen Jahren wurden dazu auf vielen Ebenen freiwillige und regulatorische Verpflichtungen für verantwortungsvolles Wirtschaften ausgebaut. Ob Umwelt- und Sozialstandards in der Lieferkette oder die Treibhausgasintensität von Rohstoffen und Vormaterialen – europäische Unternehmen sehen sich nicht nur mit wachsenden Ansprüchen, sondern zunehmend auch mit handfesten Folgen von Verstößen konfrontiert.

Gerade in afrikanischen Ländern wird Business so immer öfter zu einem kaum absehbaren Risiko. Das hat zur Folge, dass Unternehmen eine Geschäftstätigkeit in schwierigeren Märkten hinterfragen. Denn es wäre naiv zu erwarten, dass sie die Umweltstandards oder die Arbeitsbedingungen eines ganzen Landes allein verbessern können. Und es ist letztlich ignorant davon auszugehen, dass sich unerwünschte Realitäten vor allem durch Dokumentationspflichten verbessern ließen.

Die Politik macht es sich zu einfach, hier vordergründig die Wirtschaft in die Verantwortung zu nehmen. Vielmehr braucht es flankierend ein massives Engagement der europäischen Staaten. Die Entwicklungszusammenarbeit ist gefordert, Hand in Hand mit den Partnerländern einen ordnungspolitischen Rahmen zu setzen, der die Absichtserklärungen von der Weltbühne in die Realität eines durchschnittlichen afrikanischen Entwicklungslandes holt – und damit verantwortungsvolles Wirtschaften vor Ort nachhaltig ermöglicht.

 

Foto: Mihai Mitrea