Harald Mahrer: „Die Wirtschaft ist Teil der Lösung.“

WKÖ-Präsident Harald Mahrer ermutigt österreichische Exportunternehmen, über die europäischen Grenzen hinauszuschauen. Gerade in den aufstrebenden Märkten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas könnten sie ihre besonderen Stärken ausspielen.

Harald Mahrer
Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich
Welchen Stellenwert haben Märkte in Afrika, Asien und Lateinamerika heute für österreichische Unternehmen?

Mahrer: Engagement und Interesse für diese Märkte haben massiv zugelegt. Unsere Exporte außerhalb Europas haben sich seit 2000 verdreifacht, heuer sind die Ausfuhren nach Afrika oder Lateinamerika im ersten Halbjahr im Vergleich zu unseren Top-Märkten überdurchschnittlich stark gestiegen. Wir verzeichnen auch einen deutlichen Anstieg an Anfragen von Unternehmen bei unseren Außenwirtschafts-Centern vor Ort. Gerade in instabilen Zeiten wird es immer wichtiger, über den europäischen Tellerrand hinauszublicken. 

Was zeichnet österreichische Unternehmen im internationalen Wettbewerb in Bezug auf Schwellen- und Entwicklungsländer aus, wo liegen die besonderen Stärken?

Mahrer: Österreichs Exportbetriebe sind extrem flexibel und anpassungsfähig. Dadurch gelingt es ihnen, sich an fordernde Umstände perfekt anzupassen. Digitalisierung, nachhaltige Energie, Klimaschutz oder der Ausbau der Infrastruktur sind Megathemen in vielen afrikanischen, lateinamerikanischen oder asiatischen Ländern. Die damit verbundene Nachfrage nach einer verstärkten Zusammenarbeit deckt sich ideal mit den Stärkefeldern österreichischer Firmen. 

Gerade in instabilen Zeiten wird es immer wichtiger, über den europäischen Tellerrand hinauszublicken.

Welche neuen Märkte in Entwicklungsregionen sollten österreichische Unternehmen speziell anvisieren?

Mahrer: Die Weltbank erwartet, dass Afrika mit einem Wirtschaftswachstum von rund vier Prozent heuer und nächstes Jahr die am zweitschnellsten wachsende Region nach Asien sein wird. Potenzial sehen wir in den großen Volkswirtschaften wie Südafrika oder Ägypten, aber auch in aufstrebenden Ländern wie Côte d’Ivoire oder Kenia. Neben Südostasien gewinnt Lateinamerika für uns immer mehr an Bedeutung. Vor allem in den beiden großen Märkten Brasilien und Mexiko können Österreichs Unternehmen mit ihrem Know-how punkten. 

Welche Unterstützung bekommen Unternehmen dabei von der Wirtschaftskammer?

Mahrer: Die Büros unserer Außenwirtschaft Austria sind wichtige Partner für die Firmen vor Ort: Wir nutzen unser Netzwerk und bringen österreichische Unternehmen mit lokalen Partnern in Kontakt. Potenziale aufzuzeigen und internationale Vernetzung stehen bei unseren Großveranstaltungen in Österreich wie dem Africa Day, dem Latin America Day oder dem Exporttag auf der Agenda. Wichtige und stark nachgefragte Services sind unsere Wirtschaftsreisen. Außerdem unterstützen wir mit unserem Netzwerk Firmen, die an den von den Internationalen Finanzinstitutionen wie Weltbank oder Asian Development Bank finanzierten Projekten in Schwellen- und Entwicklungsländern partizipieren wollen.

Welche Rolle messen Sie der heimischen Wirtschaft insbesondere für internationalen Klimaschutz bei – Stichwort Grüne Industriepolitik? 

Mahrer: Klimaneutralität lässt sich nur mit der Wirtschaft und nicht gegen sie erreichen. Österreichs Unternehmen zeigen heute schon auf internationalen Märkten, wie sich Wachstum und Klimaschutz mit zukunftsweisenden Umwelttechnologien verbinden lassen. Umso wichtiger ist es jetzt, die Potenziale der Unternehmen für Klimaneutralität zu entfesseln, statt ihnen mit neuen Hürden und Restriktionen den wirtschaftlichen Erfolg zu erschweren. In der Klimapolitik gilt es in jeder Hinsicht, unternehmerischer zu denken, denn das ist der Hebel für eine erfolgreiche Transformation der Wirtschaft.

Welche Rolle könnten Entwicklungsregionen im Kampf gegen Fachkräftemangel in Österreich spielen – und wie sieht verantwortungsvolles Recruiting – Stichwort Brain Drain – Ihrer Meinung nach aus? 

Mahrer: Entwicklungsregionen zeichnet meist eine sehr junge, aufstiegsorientierte und wissenshungrige Bevölkerung aus. Da es oft geringe Jobchancen im eigenen Land gibt, ist das Potenzial für die Fachkräftegewinnung hoch. Hier setzt unter anderem die internationale Fachkräfte-Offensive der WKÖ an, um so einen wichtigen Beitrag zu leisten, damit unsere Firmen auch international die Fachkräfte finden, die sie brauchen.

Das Bekenntnis der Bundesregierung zu einer wirtschaftsnahen Entwicklungszusammenarbeit ist richtig und wichtig.

Wie kann die österreichische Entwicklungszusammenarbeit verstärkt mit heimischen Unternehmen kooperieren?

Mahrer: Die Wirtschaft ist Teil der Lösung: Durch ihren unternehmerischen Ansatz schaffen Firmen nachhaltige Optionen, von denen beide Seiten profitieren. Das Bekenntnis der österreichischen Bundesregierung zu einer wirtschaftsnahen Entwicklungszusammenarbeit ist daher richtig und wichtig. Insgesamt sollte hier eine Partnerschaft im Mittelpunkt stehen, die Entrepreneurship, Berufsbildung und die gesellschaftliche Innovation in den Vordergrund stellt und damit Hilfe zur Selbsthilfe leistet.

Wie kann Österreichs Wirtschaft zu einer verantwortungsvollen Globalisierung beitragen? 

Mahrer: Österreichs Unternehmen übernehmen längst ökologische und soziale Verantwortung. Bei der Diskussion über Globalisierung darf nicht übersehen werden, dass internationaler Handel grundsätzlich einen positiven Gesamteinfluss auf das Wirtschaftswachstum, die Armutsreduktion, die Arbeitsnachfrage sowie auf die Löhne hat. Als kleine offene Volkswirtschaft wird Österreich seinen Beitrag leisten, dass es weiter in die richtige Richtung geht.

Vielen Dank!

Zur Person 

Harald Mahrer, 50, ist seit 2018 Präsident der Wirtschaftskammer Österreich. Der Unternehmer und Politiker ist außerdem Präsident des ÖVP-Wirtschaftsbunds. Zwischen 2014 und 2017 war der gebürtige Wiener zunächst Staatssekretär und später Bundesminister im Ressort für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Mahrer ist promovierter Betriebswirt. 

 

 

Foto: WKÖ