Null Komma sieben Prozent des Bruttonationaleinkommens gilt seit mehr als 50 Jahren als Goldstandard für die Höhe der Entwicklungshilfeleistungen der Industriestaaten. Wie so oft, wenn die Staatengemeinschaft große Absichten erklärt, ist das natürlich unverbindlich und wurde in der Vergangenheit auch nur von wenigen Ländern erreicht – die skandinavischen Staaten gelten hier als Musterschüler, neuerdings überspringt aber auch Deutschland die Latte. Österreich ist das bislang nicht gelungen.
2022 soll es erstmals so weit sein. 0,87 Prozent oder fast 3,5 Milliarden Euro sind veranschlagt. Möglich macht das nicht eine angesichts drängender globaler Herausforderungen neu aufgestellte Entwicklungszusammenarbeit, sondern Österreichs Beteiligung an der Entschuldung des Sudan. Dessen Schulden stammen aus Exportkrediten aus den 1970er Jahren, und was damit finanziert wurde, weiß heute niemand mehr so genau. Erfolg ist das Allzeithoch der österreichischen Entwicklungsleistungen daher wirklich nicht – und Perspektive für die heimische Entwicklungszusammenarbeit gibt es ebensowenig.
Letztere ist trotz der in den vergangenen Jahren häufig gebrauchten Floskel „Hilfe vor Ort“ chronisch trist. Ohne Entschuldungen wendet Österreich durchschnittlich rund eine Milliarde Euro für globale Entwicklung auf, mehr als die Hälfte davon geht an internationale Organisationen und Europäische Union. Um von diesen rund 0,25 Prozent des BNE auf die lange zugesagten 0,7 Prozent zu kommen, müsste Österreich rund zwei Milliarden Euro jährlich zusätzlich in die Hand nehmen. Damit man international nicht weiter unangenehm auffällt, würden wahrscheinlich 0,5 Prozent reichen – aber auch in diesem Szenario bräuchte es jedes Jahr eine runde Milliarde mehr für globale Entwicklung.
In der Realität freut sich die heimische Politik, wenn sie ein paar Millionen mehr für Humanitäre Hilfe, internationale Klimafonds oder die Entwicklungsagentur ADA bereitstellt. Dabei verkennt sie leider fundamental die Herausforderungen im Bereich Entwicklungsfinanzierung. Denn es ist absehbar, dass die Staatengemeinschaft und damit auch Österreich in den kommenden Jahren substanziell in globale nachhaltige Entwicklung und internationalen Klimaschutz investieren werden müssen.
Die heimischen Strukturen sind dafür nicht im Ansatz ausgelegt – mit diesen setzt Österreich rund 200 Millionen Euro um, eine Vervielfachung wäre notwendig. Zumindest dann, wenn man die Verwendung österreichischer Mittel selbst gestalten und diese mit heimischen Kompetenzen und Interessen verbinden möchte. Rechtzeitig passende Strukturen zu schaffen, wäre daher mehr als vernünftig. Denn klar ist: Praktisches Unvermögen wird Österreich nicht von seinen internationalen Verpflichtungen entbinden.