Leitartikel

Globalisierung

Christoph Eder, corporAID

Ausgabe 86 – Frühjahr 2020

Christoph Eder, Chefredakteur des corporAID Magazin
Christoph Eder, Chefredakteur

Die Globalisierung wird gerne für so einiges verantwortlich gemacht, das in unserer Welt nicht klassisch rund läuft. Besonders gerne wird sie beispielsweise stellvertretend für den Kapitalismus gebasht. Es wundert daher gar nicht, dass sie jetzt auch für die erste Pandemie seit 100 Jahren verantwortlich gemacht wird. Dabei darf man aber nicht vergessen: Die Globalisierung hat in den drei Jahrzehnten seit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus einige Milliarden Menschen überwiegend in Schwellen- und Entwicklungsländern aus der absoluten Armut geholt und damit jedes Jahr viele Millionen Leben gerettet. Gleichzeitig hat sie auch in Europa zu jenem Wohlstand geführt, der nicht zuletzt Voraussetzung dafür ist, dass wir immer älter werden.

Die Coronavirus-Pandemie wird nicht Ursache, aber gewiss Anlass sein zu hinterfragen, wie künftig mit Globalisierung umgegangen und vor allem wie diese gestaltet werden soll. Es wird uns gerade vor Augen geführt, dass es in Österreich einer größeren Resilienz gegenüber akuten Verwerfungen bedarf. Es zeigt sich beispielsweise, dass sich Europa unter dem Label Globalisierung in manchen Bereichen in einseitige Abhängigkeiten begeben hat – Stichwort China – und in anderen die Balance zwischen Just-in-Time-Bestbieter-Prinzip und Versorgungssicherheit in Krisensituationen ein wenig verrutscht ist. Diese negativen Folgen entstehen zum einen durch die globale Vernetzung, noch gravierender sind aber die potenziellen Folgen, sollte die Globalisierung plötzlich selbst in Frage stehen. Hier ist die Politik gefordert, abwägende Antworten und einen geeigneten Ordnungsrahmen zu finden.

Bei dieser Suche müssen auch die bisher zum Teil ungenutzten Chancen der Globalisierung mitgedacht werden. Gerade weil sich viele Opportunitäten praktisch von selbst ergeben haben, hat man hierzulande dieser proaktiven Dimension in der Vergangenheit nur überschaubar viel Aufmerksamkeit geschenkt. Angesichts der ökonomischen Krise, die in Europa aufgrund von Shutdowns und Verunsicherung folgen wird, wird es besonders wichtig sein, global zu denken und in den kommenden Monaten Unternehmen zu motivieren, zu fördern und zu begleiten, weltweit und ganz speziell in Schwellen- und Entwicklungsländern mit ihren innovativen Produkten und Dienstleistungen zu reüssieren. Gerade bei solchen Wirtschaftsbeziehungen geht der Nutzen für ärmere Weltregionen Hand in Hand mit Arbeitsplätzen und Wohlstand in Österreich.

Bei allen großen Fragen lauert immer die Gefahr, angesichts von Verunsicherung, die entschlossenes Handeln fordert, und von Ungewissheiten, die Planung schwierig machen, quasi sicherheitshalber einmal das Kind mit dem Bade auszuschütten. Das sollte nicht passieren. Wir brauchen kein angstvolles Biedermeier, sondern mutiges globales Engagement.

Foto: Mihai M. Mitrea