Leitartikel

Bordwerkzeug

Christoph Eder, corporAID

Ausgabe 95 – Sommer 2022

Christoph Eder, Chefredakteur des corporAID Magazin
Christoph Eder, Chefredakteur

Rückblickend betrachtet ist es vielleicht nicht sehr weitsichtig gewesen, anstatt einer nationalen Kraftanstrengung in Richtung Energiewende fossiles Gas zur Brückentechnologie zu erklären und dabei auf nur einen Lieferanten zu setzen. Und das ist nicht nur im Rückblick so. Strom kommt in Österreich landläufig ja aus der Steckdose, und wie dieser dort hineingelangt, interessiert nur eine kleine Minderheit. Die breite Mehrheit und mit ihr die Politik sind vielmehr stolz darauf, Kraftwerke wie Zwentendorf und Hainburg verhindert zu haben, ohne sich dabei die Frage zu stellen, woher der vergleichsweise CO2-arme und autarke Strom stattdessen kommen soll. In der Realität kam die ja tatsächlich benötigte Energie zuerst aus deutschen und dann aus tschechischen Kernkraftwerken und eben aus russischen Gaspipelines.

Im Verbund mit dem Kampf gegen die Erderwärmung ist nun eine Energiewende gefragt, die wirklich die Richtung ändert. Das Gas der Zukunft soll Wasserstoff werden. Prioritär in jenen Anwendungen, die sich aufgrund der benötigten Temperaturen, katalytischen Wirkung oder Energiedichte absehbar nicht elektrifizieren lassen. So steht es auch in der kürzlich vorgestellten österreichischen Wasserstoffstrategie. Weil Wasserstoff zwar das häufigste Element des Universums ist, auf der Erde elementar und damit nutzbar aber praktisch nicht vorkommt, benötigt es zu dessen Herstellung wiederum Energie – und für den gewünschten klimaneutralen grünen Wasserstoff ebensolche aus erneuerbaren Quellen. 

Österreich wird den eigenen Bedarf an grünem Wasserstoff nicht einmal ansatzweise selbst decken können. Die Wasserstoffstrategie setzt daher auf internationale Partnerschaften, wie das auch andere, allen voran Deutschland, tun. Entwicklungsländern kommt hier eine entscheidende Rolle zu. Viele bieten exzellente Bedingungen für eine Überproduktion an erneuerbarem Strom zur Herstellung von grünem Wasserstoff. 

Nur: Österreich ist für solche Partnerschaften nicht gut aufgestellt. Für eine echte Zusammenarbeit mit transformativem Anspruch fehlen hierzulande Perspektive, Instrumente und nicht zuletzt Mittel. Entwicklungskredite, die Partnerländern Investitionen in die Umsetzung der Absichten ermöglichen, gibt es beispielsweise gar nicht. Von smarten Tools zum gemeinsamen Marktaufbau ganz zu schweigen. Das heimische Bordwerkzeug besteht gemeinhin lediglich aus Förderungen und Verboten. Und selbst mit diesen wird nicht immer unfallfrei hantiert. Beispielsweise wird aktuell diskutiert, den Gasverbrauch mit Tempo 100 auf der Autobahn zu drosseln, und versucht, durch Energiegutscheine die Allokation des knappen Gutes Gas effizienter zu gestalten.

Beim Zukunftsthema grüner Wasserstoff werden wir so nicht weiterkommen. Wenn Österreich eigene Interessen einbringen, das Thema mitgestalten und letztlich die Versorgung sichern möchte, muss daher dringlich das Bordwerkzeug erweitert werden – und zwar substanziell. 

Foto: Mihai M. Mitrea