Sekem Energy
Die künftigen Windkraftanlagentechniker wenden ihre neu gewonnenen elektro-, maschinen- und metalltechnischen Fachkompetenzen vor Ort an.

Mit mehr als 180 Windparks spielt Windkraft eine bedeutende Rolle im Energiemix der Türkei. Branchenzentrum ist die Hafenstadt Izmir. Hier sind nicht nur große Windparks, sondern auch eine starke Zulieferindustrie sowie Wartungs- und Reparaturunternehmen angesiedelt. Und hier hat ein österreichisch-türkisches Konsortium unter der Leitung des Beraters Heinz Praßl von Sekem Energy eine wegweisende Ausbildung zum Windkraftanlagentechniker etabliert, die das Wachstum der Branche weiter beflügeln dürfte. Praßl erklärt den Hintergrund: „In der Türkei – wie überall – haben Windparkbetreiber das Problem, dass sie nach Auslaufen der anfänglich günstigen Wartungsverträge dauerhaft von den Herstellern abhängig bleiben. Diese Abhängigkeit ist teuer und nur lösbar, wenn die Betreiber über ihre eigene Instandhaltung und Wartung verfügen. Und das ermöglichen wir, indem wir über unseren Lehrgang zertifizierte Windkraftanlagentechniker bereitstellen.“

Starke Partner

Die Initialzündung für den Lehrgang kam vom türkischen Windenergieverband Turep. Dieser beauftragte das österreichisch-türkische Trainings- und Zertifizierungsunternehmen BDT Consulting mit der Umsetzung. BDT sicherte sich sogleich die Unterstützung durch das BFI Burgenland, das wiederum Sekem Energy als Projektleiter für das Vorhaben vorschlug. 

Mit Unterstützung der Austrian Development Agency ADA führte Sekem Energy zunächst zwei Machbarkeitsstudien durch. Es zeigte sich, dass in der Türkei eine unabhängige Ausbildung zum Wartungstechniker für Windkraftanlagen fehlte, eine solche aber gerade im wenig entwickelten ländlichen Raum zahlreiche Arbeitsplätze schaffen würde. Vor allem Letzteres bewog die ADA, einer Förderung des Vorhabens im Rahmen einer Wirtschaftspartnerschaft zuzustimmen. Damit hätte es losgehen können, wäre Turep nach einem Vorstandswechsel nicht kurzfristig aus dem Projekt ausgestiegen. 

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Auch anspruchsvolle Sicherheitstrainings sind Teil der Ausbildung.

BDT machte sich auf die Suche nach Ersatzpartnern und wurde fündig. Die Privatuniversität Yasar in Izmir, die ein eigenes Department für erneuerbare Energie führt, und der Berater Bolakar Energji waren interessiert, sich an diesem Lehrgang tatkräftig zu beteiligen. Sekem Energy stellte das Projekt um und reichte es – wiederum mit Erfolg – bei der ADA zur Förderung ein. Die Vorlaufzeit belief sich damit auf drei Jahre. Dass Turep den Lehrgang nach einem weiteren Vorstandswechsel heute voll unterstützt, ist dabei eine erfreuliche Wendung. 

Lehrgang mit Unique Selling Point 

Durch die öffentliche Kofinanzierung verfügten die Partner über den nötigen finanziellen Spielraum, um die Ausbildung ab Anfang 2020 binnen vier Jahren zu etablieren. Dies gelang trotz erschwerter Bedingungen durch die Covid-Pandemie. Abgesprochen war bereits, dass die Universität Yasar Hörsäle und Labore zur Verfügung stellen und mehrere Windparkbetreiber ihre Anlagen für den praktischen Unterricht zugänglich machen würden. 

Aus Fachleuten der Universität und Praktikern der Windenergiebranche stellten die Projektpartner ein kompetentes Trainerteam zusammen. Mit Unterstützung des BFI Burgenland wurden die Kandidaten didaktisch und fachlich auf ihre Lehrtätigkeit vorbereitet. Gemeinsam mit den beteiligten Fachleuten und Firmen wurde dann das Curriculum erstellt und der Lehrgang zur Akkreditierung vorgelegt. „Das Curriculum umfasste ursprünglich 410 Unterrichtseinheiten à 50 Minuten über zehn Wochen. Der Pilotkurs im Sommer 2023 mit 30 Teilnehmern zeigte dann aber, dass dies zu intensiv ist“, erklärt Praßl. Der aktuelle Basiskurs ist um rund 80 Stunden kürzer und auf acht Wochen reduziert. Darauf aufbauend oder auch unabhängig davon sind bis zu 15 Spezialkurse zu verschiedenen Themen belegbar. 

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Praxisnahe Ausbildung im Labor

Der Kurs erfüllt die Trainingsstandards des Herstellerverbands Global Wind Organisation, der einen Schwerpunkt auf Sicherheit und Gesundheit legt. Besonders stolz ist Praßl darauf, dass es gelungen ist, den Lehrgang ISO-zertifizieren zu lassen. Er erklärt: „Das ist unser USP und bedeutet, dass unsere Absolventen wie auch der Lehrgang selbst internationalen Ansprüchen genügen und daher weltweit gefragt sein werden.“ Der Lehrgang ist unter dem Titel RENEWAC geschützt und wird von BDT Consulting gemanagt. BDT ist somit Ansprechpartner für interessierte Berufsanwärter, Windparkbetreiber oder Wartungsunternehmen und kann auch Lizenzen für den Lehrgang vergeben. 

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Die angehenden Wartungstechniker erhalten eine praxisnahe Ausbildung.

Der Name RENEWAC (Renewable Energy Maintenace Academy) ist dabei Programm, erklärt Praßl. Denn es gibt Überlegungen, ausgehend von der neuen Ausbildung eine Akademie zu eröffnen, die Instandhaltungslehrgänge für Branchen wie Photovoltaik, Biomasse bis hin zu Bahntechnik anbietet. Gleichzeitig werde man in Istanbul oder an der Schwarzmeerküste Ausbildungspartner suchen, um auch für diese windenergiestarken Regionen Wartungstechniker bereitzustellen. 

Der erste reguläre Basiskurs für Windkraftanlagenwartung in Izmir ist mit 25 Teilnehmern im November 2023 angelaufen. „Durch die Kursgebühren, die zumeist die Arbeitgeber übernehmen, ist er bereits selbstfinanzierend“, berichtet Praßl. Und dass es schon wieder Anmeldungen für den nächsten Kurs gibt, zeigt: Der Bedarf scheint punktgenau addressiert zu sein. 

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Die Zertifizierung der zwölf Trainer des neuen Instandhaltungslehrgangs war ein willkommener Anlass für die Zusam- menkunft aller Beteiligten.
Fotos: Renewac

Energielösungen

Die Sekem Energy Gmbh wurde im Jahr 2009 von der Energie- und Landwirtschaftsfachfrau Birgit Birnstingl in Hitzendorf, Steiermark, gegründet, um innovative Projekte zu erneuerbarer Energie und nachhaltiger regionaler Entwicklung im In- und Ausland auf Schiene zu bringen. Fokus ist die Förderung lokaler Wertschöpfung und Kreislaufwirtschaft. 


Finden Sie hier Berichte über frühere Wirtschaftspartnerschaften der Austrian Development Agency mit verschiedenen Partnern:

Dachziegel aus Altplastik: Cool, chic und öko Wie Amabo in Kamerun aus Altplastik ein innovatives und gefragtes Recyclingprodukt erschafft. (corporAID Magazin Ausgabe 99, Sommer 2023) 

Mit dualer Lehre zum sicheren Job: Wie Mondi die duale Lehre in Côte d‘Ivoire und Marokko fördert. (corporAID Magazin Ausgabe 98, Frühjahr 2023)

Gamechanger für Asiens Kleinbauern: Wie Pessl Instruments Kleinbauern in Südostasien mit moderner Messtechnik unterstützt. (corporAID Magazin Ausgabe 97, Winter 2022/23)

Hoffnung für viele Patienten: Wie Medizinprodukteanbieter Lohmann & Rauscher nachhaltige Ausbildungsstrukturen für Ärzte und Krankenpfleger im Bereich Wundmanagement in Malaysia schafft. (corporAID Magazin Ausgabe 96, Herbst 2022)

Balkandelikatessen: Wie der Wiener Importeur Balkan Express mit handgefertigten Bioaufstrichen- und pürees Lieferketten in Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina stärkt. (corporAID Magazin Ausgabe 95, Sommer 2022)

Fuß fassen in Afrika: Wie sich der Blumen- und Nahrungspflanzenexperten Delphy aus den Niederlanden über Pilotprojekte einen Markt in Subsahara Afrika aufbaut. (corporAID Magazin Ausgabe 94, Frühling 2022)

250 Sofas und mehr: Über die Stärkung eines Lieferanten im Kosovo durch den Objekteinrichter Foness (corporAID Magazin Ausgabe 93, Winter 2021/22)

Rückholung des Waldes: Über ein Aufforstungsprojekt im Kosovo durch den Zellulosefaserkonzern Lenzing (corporAID Magazin Ausgabe 92, Herbst 2021)

Weide statt Kohle: Über dem Ausbau des Biomassemarkts in Serbien durch ein internationales Konsortium unter der Führung von E3 International (corporAID Magazin Ausgabe 91, Sommer 2021)

Fenster für Innovationen über die Unterstützung des Sozialunternehmerförderers Ashoka Austria beim Transfer erfolgreicher Tools nach Ostafrika (corporAID Magazin Ausgabe 90, Frühjahr 2021)

Hören können! über die Einrichtungen eines breiten Angebots im Bereich Hörgesundheitin Bangladesch und der Elfenbeinküste durch den Hörimplantatehersteller MED-EL (corporAID Magazin Ausgabe 89, Winter 2020)

Hygiene am Bauernhof über Marktvorbereitungen der Firma Calvatis in Brasilien (corporAID Magazin Ausgabe 88, Herbst 2020)

App hilft beim Thema Nr. 1 über eine Covid-19-Beratung für Ärzte und Pfleger in Entwicklungsländern durch MedShr (corporAID Magazin Ausgabe 87, Sommer 2020)

Nutzen statt Verbrennen über das Lobbying für Fackelgas statt importiertem Diesel im Verkehr in Nigeria durch ETEFA (corporAID Magazin Ausgabe 86, Frühjahr 2020)

Fachkräfteschmiede über den Aufbau einer Ausbildungsstätte für technische Berufe im Kosovo durch Hysni Ymeri (corporAID Magazin Ausgabe 85, Anfang 2020)

Cashew-Business über den Aufbau einer lokalen Verarbeitung von Öko-Nüssen in Tansania durch Umweltberater Paul Schreilechner