Leitartikel

Große Aufgaben

Christoph Eder, corporAID

Ausgabe 96 – Herbst 2022

Christoph Eder, Chefredakteur des corporAID Magazin
Christoph Eder, Chefredakteur

Die Herausforderungen werden nicht weniger. Ganz im Gegenteil. In den vergangenen Monaten gesellten sich zur Pandemie eine veritable europäische Energiekrise und globale Versorgungsengpässe bei Getreide und Dünger. Dazu werden die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher, und eine umfassende Transformation des globalen Wirtschaftssystems in Richtung Nachhaltigkeit immer drängender.

In diesen multiplen Krisen kommt den Staaten eine gewichtige Rolle zu. Während der Lock-downs galt es, Wirtschaft und Gesellschaft am Laufen zu halten, heute müssen die Energieversorgung sichergestellt und die Inflation irgendwie unter Kontrolle gehalten werden. Der immer öfter und umfassender eingreifende Staat steht dabei vor einer doppelten Herausforderung: Während Bürger und Unternehmen nicht in eine pessimistische Passivität verfallen dürfen, sollten Politik und Verwaltung das gegenwärtige milliardenteure Problemlösen mit einer optimistischen Zukunftsperspektive verbinden. Denn eine Rückkehr zum vermeintlich sorgenfreien Status quo wird es nicht geben.

Insgesamt ist die Weltgemeinschaft in den vergangenen Jahren allzu oft den Weg des geringsten Widerstandes gegangen – die großen globalen Herausforderungen blieben dabei gerne links liegen. Man muss sich nur die sprachlichen Verrenkungen vor Augen halten, mit denen angesichts des Klimawandels Technologien ergrünten und zu Brücken wurden, die letztlich vielmehr Teil des Problems als der Lösung sind. Das fällt uns heute in vielerlei Hinsicht auf den Kopf. 

Auch Österreich hat hier in der Vergangenheit nur allzu gerne mitgemacht. Und ist heute in besonderer Weise gefordert – nicht nur, wenn es um die kurzfristige Energieversorgung geht. Gerade als kleines Land mit einer offenen Volkswirtschaft entscheidet sich die Zukunft unseres Wohlstands nur überschaubar zwischen Bodensee und Neusiedlersee. Im Hinblick auf die großen globalen Herausforderungen ist Österreich dabei grundsätzlich gut aufgestellt. Von Wasser und Abfall über Energieeffizienz bis zu Kreislaufwirtschaft verfügen die heimische Wirtschaft und Gesellschaft über umfassendes Know-how, das weltweit gefragt ist und einen relevanten Beitrag zur globalen nachhaltigen Transformation leisten könnte. Viele Unternehmen sind zudem ganz proaktiv bereit, die Zukunft ihres Sektors mitzugestalten.

Nicht ganz so bereit scheint die heimische Politik. Zwar werden beispielsweise mit ReFocus Austria Zukunftsmärkte adressiert, ob Besuchsdiplomatie und Marke Österreich-Kommunikation aber den entscheidenden Katalysator darstellen, ist nicht nur angesichts der umfassenden Bemühungen anderer europäischer Länder fraglich. Dass die heimische Entwicklungspolitik über kein aktuelles Strategiedokument verfügt, rundet das Bild ab. Klar ist: Wir können das besser. Weniger klar ist, ob das die gute oder die schlechte Nachricht ist.

Foto: Mihai M. Mitrea