„Wir machen Kamerun sauber. Werden Sie aktiv für ein sauberes und schönes Kamerun!“ Mit Slogans wie diesen ruft Amabo die Kameruner zum Sammeln des allgegenwärtigen Plastikmülls auf. Amabo zerkleinert die zusammengetragenen Kanister, Sackerln, Verpackungen, Bauteile, Flaschen, Dosen und viele andere auf Polyethylen basierende Produkte und schmilzt sie, mit reichlich Sand vermischt, zum innovativen Recyclingprodukt: Dachziegeln. Diese sind den gängigen Wellblechdächern und Tonziegeln in praktisch jeder Hinsicht überlegen, etwa bei Bruchfestigkeit, Langlebigkeit, ökologischer Unbedenklichkeit und Hitzeschutz. Die Rezeptur wurde von Wissenschaftlern in Südafrika entwickelt und bereitgestellt. Sonja Sagmeister, die das österreichisch-kamerunische Start-up gründete, erklärt: „Für mich steht der Umweltgedanke im Zentrum unseres Tuns. Gleichzeitig sollte bei jedem Weltverbesserungsprojekt auch etwas Produktives herauskommen.“
Die Tatsache, dass in dem westafrikanischen Land bereits vierhundert Dächer mit den bunt gefärbten Sandziegeln gedeckt sind, erste Exporte stattfanden und die Nachfrage nicht abreißt, führt Sagmeister, die eine Ausbildung zur Innovationsmanagerin absolviert hat, auf die Kombination von überzeugendem Produkt und gezieltem Marketing zurück. Letzteres betrieb der österreichische IT-Experte Michael Zankl während der Covid-Flaute geschickt über sämtliche Social Media-Kanäle des Landes und darüber hinaus. Amabo gilt als cool, chic und öko.
Begonnen hat alles damit, dass Sagmeister 2019 ein Sabbatical-Jahr einlegte und über eine Weltreise nachdachte, als ihr ein Taxler in Wien erschreckende Fotos von Plastikmüllbergen in seiner Heimat Kamerun zeigte, die sie nicht mehr losließen. Sagmeister begleitet ihr Team in Kamerun von Österreich aus und achtet auf die vorgesehene Kanalisierung der Gelder. „Ich sehe mich vor allem als Compliance-Managerin“, sagt sie, „die korrekte Abwicklung der Prozesse und die Einhaltung aller Vorgaben ist unsere Versicherung.“
Starke Partner für Amabo
Mit der Grundidee, Altplastik zu Dachziegeln zu recyceln, hatte sich Sagmeister frühzeitig an die österreichische Entwicklungsagentur ADA gewandt. Finanzierungszusagen von Privatstiftungen und das Angebot einer ADA-Wirtschaftspartnerschaft ermutigten sie, Ende 2019 in Kamerun durchzustarten. Bald waren ein Büro in der Wirtschaftsmetropole Douala und ein weitläufiges Fabriksgelände im 50 Kilometer entfernten Tiko gefunden. Amabo produziert heute mit 32 ausschließlich lokalen Mitarbeitern Ziegel für rund 200 Quadratmeter Dachfläche pro Tag. Ein günstiger Kredit der Oesterreichischen Entwicklungsbank OeEB aus der African-Austrian SME Investment Facility (siehe corporAID-Artikel) ermöglichte die Anschaffung einer zweiten Produktionsmaschine und die Errichtung einer Solaranlage.
Die aktuelle Herausforderung besteht darin, stets ausreichend Altplastik zur Verfügung zu haben, um die Maschinen auszulasten, die auf die Verarbeitung von zwei Tonnen pro Tag ausgelegt sind. „Es mangelt nicht an Plastikmüll“, erklärt Sagmeister, „aber man kann diesen nicht irgendwo kaufen wie Sand. Und Kooperationen mit Deponien sind schwierig. Daher müssen wir unser eigenes landesweites Plastiksammelsystem aufbauen.“
Für den Ausbau der Müllsammlung gewann Sagmeister ab April 2023 die ADA als Finanzierungspartner. ADA-Programmmanager Maximilian Zangl erklärt, „dass durch diese Wirtschaftspartnerschaft ein funktionierendes Unternehmen in Afrika bei der Verbesserung seines Umfelds unterstützt werden soll, wodurch neue Arbeitsplätze und Einkommenschancen entstehen“.
Nächste Schritte für Amabo
In Vorbereitung des Projekts erkämpfte sich Sagmeister eine Müllsammellizenz. Und mit den Bürgermeistern zweier Städte wurden viel versprechende Vorgespräche über die Einrichtung von Müllsammelstellen geführt, an denen die Bevölkerung Altplastik gegen Geld oder Gutscheine abgeben kann. Solche Stellen soll es landesweit geben, eine App soll den Handel und Austausch erleichtern. Dazu sollen Subunternehmen engagiert, ausgebildet und ausgestattet werden, die bereits zerkleinertes Plastik liefern. Außerdem strebt Amabo Plastik-Abnahmeverträge mit Hotels, Großbetrieben und Baumärkten an. „Wir nehmen ihnen das Material ab, das ansonsten oft wild entsorgt oder verbrannt wird“, sagt Sagmeister. Sie verspricht sich langfristig auch viel von bewusstseinsbildenden Maßnahmen. Amabo hat bereits zwei Mitarbeiter für den Umweltunterricht in Schulen abgestellt und plant dies auszuweiten.
Die Auszeichung Amabos als Rising Star bei den European Business Awards in der Kategorie Umwelt und Entwicklungshilfe im Jahr 2020 bestätigte Sagmeister, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Zurzeit wird aktiv über eine weitere Expansion des Erfolgsmodells nachgedacht. Ghana, Côte d‘Ivoire und Nigeria kommen als Standorte in Frage. Sagmeister seufzt: „Es ist nur ein Hobby, aber es ist inzwischen sehr intensiv.“
Amabo – First Class Roof Tiles
Die Amabo GmbH wurde 2019 von Sonja Sagmeister mit zwei Privatstiftungen als Finanzierungsholding für die African Market And Business Opening AMABO Cameroon Ltd. gegründet. Der Betrieb läuft heute kostendeckend.
Fotos: Amabo
Finden Sie hier Berichte über frühere Wirtschaftspartnerschaften der Austrian Development Agency mit verschiedenen Partnern:
• Mit dualer Lehre zum sicheren Job: Wie Mondi die duale Lehre in Côte d‘Ivoire und Marokko fördert. (corporAID Magazin Ausgabe 98, Frühjahr 2023)
• Gamechanger für Asiens Kleinbauern: Wie Pessl Instruments Kleinbauern in Südostasien mit moderner Messtechnik unterstützt. (corporAID Magazin Ausgabe 97, Winter 2022/23)
• Hoffnung für viele Patienten: Wie Medizinprodukteanbieter Lohmann & Rauscher nachhaltige Ausbildungsstrukturen für Ärzte und Krankenpfleger im Bereich Wundmanagement in Malaysia schafft. (corporAID Magazin Ausgabe 96, Herbst 2022)
• Balkandelikatessen: Wie der Wiener Importeur Balkan Express mit handgefertigten Bioaufstrichen- und pürees Lieferketten in Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina stärkt. (corporAID Magazin Ausgabe 95, Sommer 2022)
• Fuß fassen in Afrika: Wie sich der Blumen- und Nahrungspflanzenexperten Delphy aus den Niederlanden über Pilotprojekte einen Markt in Subsahara Afrika aufbaut. (corporAID Magazin Ausgabe 94, Frühling 2022)
• 250 Sofas und mehr: Über die Stärkung eines Lieferanten im Kosovo durch den Objekteinrichter Foness (corporAID Magazin Ausgabe 93, Winter 2021/22)
• Rückholung des Waldes: Über ein Aufforstungsprojekt im Kosovo durch den Zellulosefaserkonzern Lenzing (corporAID Magazin Ausgabe 92, Herbst 2021)
• Weide statt Kohle: Über dem Ausbau des Biomassemarkts in Serbien durch ein internationales Konsortium unter der Führung von E3 International (corporAID Magazin Ausgabe 91, Sommer 2021)
• Fenster für Innovationen über die Unterstützung des Sozialunternehmerförderers Ashoka Austria beim Transfer erfolgreicher Tools nach Ostafrika (corporAID Magazin Ausgabe 90, Frühjahr 2021)
• Hören können! über die Einrichtungen eines breiten Angebots im Bereich Hörgesundheitin Bangladesch und der Elfenbeinküste durch den Hörimplantatehersteller MED-EL (corporAID Magazin Ausgabe 89, Winter 2020)
• Hygiene am Bauernhof über Marktvorbereitungen der Firma Calvatis in Brasilien (corporAID Magazin Ausgabe 88, Herbst 2020)
• App hilft beim Thema Nr. 1 über eine Covid-19-Beratung für Ärzte und Pfleger in Entwicklungsländern durch MedShr (corporAID Magazin Ausgabe 87, Sommer 2020)
• Nutzen statt Verbrennen über das Lobbying für Fackelgas statt importiertem Diesel im Verkehr in Nigeria durch ETEFA (corporAID Magazin Ausgabe 86, Frühjahr 2020)
• Fachkräfteschmiede über den Aufbau einer Ausbildungsstätte für technische Berufe im Kosovo durch Hysni Ymeri (corporAID Magazin Ausgabe 85, Anfang 2020)
• Cashew-Business über den Aufbau einer lokalen Verarbeitung von Öko-Nüssen in Tansania durch Umweltberater Paul Schreilechner