Sebastian Wolf, CEO von Rosenbauer
Wie wirken sich die aktuellen Krisen auf Rosenbauer aus?

Wolf: Die Covid-Krise haben wir als Unternehmen natürlich mitbekommen, haben dann aber ein sehr gutes Jahr 2020 hingelegt. Es wurden keine Aufträge storniert, es sind keine Zahlungen ausgefallen. Wir waren im Vergleich mit anderen Branchen in einer privilegierten Situation. Dann gestalteten sich die Lieferketten sukzessive schwieriger. Anfang 2021 kam es vor allem zu Engpässen im Chipbereich. Im zweiten Halbjahr wurde absehbar, dass sich die Preise erhöhen. Der Ukrainekrieg machte die Lage nicht besser, sodass wir die Krise jetzt am stärksten spüren, da unser Geschäftsmodell mit Fixpreis-Verträgen vor einer besonderen Herausforderung steht. 

Wie gehen Sie damit um?

Wolf: Um das Geschäftsmodell abzuhärten, erarbeiten wir gemeinsam mit den Kunden Lösungen. Wir bauen Fahrzeuge auf Lager, um trotz schwieriger Lieferketten kurze Lieferzeiten anbieten zu können. Dabei haben wir sehr wenige Lieferanten außerhalb Europas für die Produktion in Europa und sehr wenige außerhalb der USA für die Produktion in den USA. Das heißt, wir haben schon immer lokal beschafft. Natürlich sind die Abhängigkeiten sehr weitreichend. Wem war bewusst, dass die Volkswagengruppe ihre Kabelstränge hauptsächlich in der Ukraine zukauft? Die Lieferketten noch besser zu kennen und das Risikomanagement zu verstärken, sind Learnings für uns aus der aktuellen Situation. Die Krise hat ganz klar die Grenzen der Globalisierung und den hohen Wert der Planungssicherheit aufgezeigt. Wir gehen aber davon aus, dass sich die Lieferkettenproblematik Mitte nächsten Jahres wieder halbwegs beruhigt. 

Wie sehen Sie Oberösterreich als Standort für ein Unternehmen wie Rosenbauer?

Wolf: Das größte Asset sind unsere Mitarbeiter, die hoch qualifiziert sind und noch dazu oft selbst aus dem Feuerwehrbereich kommen. Auf deren Innovationskraft, auf deren Arbeitseinsatz, auf deren Qualifikation sind wir angewiesen. Und das ist ein riesiger Standortvorteil. Natürlich ist es auch so, dass es aktuell in Österreich und darüber hinaus einen starken Wettbewerb um Arbeitskräfte gibt. Dem müssen wir uns stellen. Wir haben das Glück, dass wir als Arbeitgeber einen sehr guten Ruf haben – nicht zuletzt, weil wir den Purpose des Produkts Feuerwehrfahrzeug gut vermitteln können. Herausfordernd ist, dass wir in Europa jetzt durch die Energiekosten teuer produzieren. Das ist ein Faktor, der unsere Wettbewerbsfähigkeit beeinflussen wird. Damit müssen wir umgehen lernen. Und es wäre sicher auch gut, steuerliche Anreize für mehr Leistung zu schaffen. Aus Sicht der Industrie wäre es ganz wichtig, dass sich Leistungsbereitschaft für den einzelnen Mitarbeiter lohnt. 

Wir haben als Arbeitgeber einen sehr guten Ruf – nicht zuletzt, weil wir den Purpose des Produkts Feuerwehrfahrzeug gut vermitteln können.

Wie verändern sich Ihre Märkte durch die Krisen?

Wolf: Es war sehr interessant zu sehen, dass unsere Heimmärkte die ganze Krise hindurch sehr stark waren. Zentraleuropa und Nordamerika haben sich sehr positiv entwickelt. Andere Märkte haben andere Prioritäten gesetzt, beispielsweise wurden im Mittleren Osten, aber auch in Afrika und in Südamerika Projekte zurückgestellt. Wir gehen davon aus, dass hier ein Aufholbedarf besteht und das Wachstum auch wieder zurückkommen wird. In unserer Branche ist es eben so, dass durchaus mit Budgetmitteln disponiert wird. Letztlich kommt unser Business zu 95 Prozent aus öffentlichen Budgets.

Wie gehen Sie als österreichischer Mittelständler mit den Herausforderungen der Internationalisierung um? 

Wolf: Wir bedienen den weltweiten Markt schon sehr lange. Unsere ersten Exporte nach China fanden 1926 statt. Das kommt daher, dass der Feuerwehrmarkt ein Nischenmarkt ist. Weltweit werden jährlich – nur – rund 20.000 Fahrzeuge verkauft. Davon haben wir vergangenes Jahr rund 2.000 geliefert. Der Weltmarkt wächst jährlich um vier bis fünf Prozent und verteilt sich zu ähnlichen Teilen auf Europa, Nordamerika und die restliche Welt. Vor allem letzteres ist stark von einzelnen Ausschreibungen beeinflusst, beispielsweise dem größten Einzelauftrag der Feuerwehrgeschichte, als wir 2011 mehr als tausend Fahrzeuge nach Saudi-Arabien geliefert haben. Wo liegen unsere Herausforderungen? Natürlich auch darin, ein wirklich internationaler Konzern zu werden und das heute noch sehr österreichische Führungsteam international aufzustellen. Eine weitere Herausforderung sind die Normen, die sich in den verschiedenen Märkten und sogar innerhalb von Europa stark unterscheiden. Fahrzeuge in den USA sehen ganz anders aus als in Europa. Natürlich sind die jeweiligen Normen auch den lokalen Gegebenheiten geschuldet: In Saudi-Arabien kann ich den Schlauch an Hydranten anschließen, nicht aber Wasser aus einem See oder Fluss pumpen, weil es die dort nicht gibt. Daher sind der Standardisierung beim Löschfahrzeugbau Grenzen gesetzt.

Sebastian Wolf, CEO von Rosenbauer, im Interview mit corporAID
Welche Innovation der vergangenen Jahre ist Ihrer Meinung nach die wichtigste?

Wolf: Die wichtigste Innovation ist sicher der Revolutionary Technology, unser vollelektrisches Feuerwehrfahrzeug mit Range Extender, das wir 2016 als Konzeptstudie vorgestellt haben und mit dem wir im Mai 2023 in Serienfertigung gehen werden. Von zwei wichtigen Kunden, den Berufsfeuerwehren Berlin und Los Angeles, die das Fahrzeug schon erproben, haben wir sehr gute Resonanz erhalten. Dadurch, dass wir das Fahrgestell selbst bauen, ist es auch möglich, weitere Innovationen in dieses Fahrzeug zu packen.

Wie wirken sich Megatrends auf Ihre Branche aus?

Wolf: Wir erstellen jedes Jahr eine Trendmap und besprechen diese auch mit einzelnen Kunden und Stakeholdern. Wir sehen, dass vor allem die Themen Urbanisierung, Diversität und alternde Gesellschaft die Feuerwehr nachhaltig prägen werden. Das bildet sich in unseren Produktentwicklungen ab. So führt die Urbanisierung zu höheren Gebäuden, wodurch stationäre Brandschutzeinrichtungen wichtiger werden, aber auch zu engeren Fahrverhältnissen, wofür es wendigere Fahrzeuge braucht. Wir verringern das Gewicht von Ausrüstungsteilen, um Frauen und älteren Menschen den Einsatz in der Feuerwehr zu erleichtern. 

Ein wesentlicher Faktor für afrikanische Märkte sind nachhaltige Produktlieferungen.

Ihre Hauptmärkte sind Europa und die USA. Welchen Stellenwert haben Emerging Markets für Rosenbauer?

Wolf: Unsere Lösungen müssen immer Fireman Proved, also robust und leicht bedienbar sein, egal ob für Freiwillige Feuerwehren oder für globale Märkte. Sie müssen unter allen Gegebenheiten funktionieren, also auch manuell bedienbar sein, selbst wenn das eigentlich eine Elektronik übernimmt. Wir haben einzelne Produkte speziell für Emerging Markets entwickelt, etwa ein Fahrzeugkonzept, das vom Design her reduziert und auf ein bestmögliches Kosten-Nutzen-Verhältnis ausgelegt ist. Genauso bieten wir Semi und Completely Knocked Down-Lösungen an. Das ist in Emerging Markets oft ein wesentliches Thema, um Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen. Beispielsweise in Algerien arbeiten wir mit einem lokalen Fahrgestellhersteller zusammen und bauen die Fahrzeuge vor Ort auf.

Wie geht es Ihnen in Afrika? 

Wolf: Wir überlegen, Nordafrika gemeinsam mit dem Mittleren Osten zu bedienen, da wir hier Synergiemöglichkeiten und Parallelen sehen, was die gefragten Fahrzeuglösungen betrifft. In Südafrika sind wir mit einem Vertriebs- und Serviceteam vor Ort. Es sind einige Softloan-Projekte in Vorbereitung, beispielsweise in Tansania, wo ein solches Geschäft unmittelbar vor der Realisierung steht. Natürlich ist es in den meisten afrikanischen Ländern vorteilhaft, wenn man eine Finanzierung über die Oesterreichische Kontrollbank mitanbieten kann. Ein wesentlicher Faktor für afrikanische Märkte sind nachhaltige Produktlieferungen. Es bringt nichts, ein modernes Fahrzeug hinzustellen, mit dem sich niemand auskennt. Hier ein Paket inklusive des entsprechenden Trainings anzubieten, Know-how auch für die Instandhaltung der Fahrzeuge zu transferieren, damit die Fahrzeuge sehr lange im Einsatz sein können, ist sicher ein wichtiger Schlüssel.

Sebastian Wolf, CEO von Rosenbauer, im Gespräch mit corporAID
Stellt das Geschäft mit öffentlichen Auftraggebern eine besondere Herausforderung in Bezug auf Compliance dar? 

Wolf: Wir haben eine weltweite Marke aufgebaut und eine Verpflichtung gegenüber unseren Mitarbeitern und Kunden. Wir verfügen seit mehr als zehn Jahren über eine sehr gut entwickelte Compliancestruktur und über hohe Standards, die manchmal herausfordernd sind. Mitunter stehen wir mit lokalen Anbietern im Wettbewerb, und wenn wir dann die rote Linie aufzeigen, kann es passieren, dass wir nicht zum Zug kommen. Gleichzeitig gibt es Kunden, die unsere Standards besonders schätzen. Letztlich sichert es unsere Zukunft ab, nicht korrupt zu sein. 

Welche Rolle spielt Brandschutz für die Entwicklung eines Landes? 

Wolf: Wenn ich den Brandschutz nicht gewährleisten kann, ist das Risiko für Investitionen sehr hoch. Investoren werden darin einen Standortnachteil sehen. Von Bedeutung ist Brandschutz auch für die Logistik. Beispielsweise müssen Flughäfen internationale Standards einhalten. Hier muss der Brandschutz schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt aufgebaut werden, um in der Folge auch die wirtschaftliche und ökonomische Entwicklung eines Landes voranzutreiben.

Letztlich sichert es unsere Zukunft ab, nicht korrupt zu sein.

Was sagen Ihnen die 17 Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen?

Wolf: Wir haben einige ausgewählt, die wir verfolgen. Besonders wichtig ist uns das Ziel 3, Gesundheit und Wohlergehen und Ziel 4, hochwertige Bildung: Wir haben rund 60 Lehrlinge im Haus, tragen mit unseren Trainingsprogrammen und Simulatorlösungen aber auch zur Ausbildung auf Kundenseite bei. Bei Ziel 5, Geschlechtergleichheit, wollen wir unsere Frauenquote im Unternehmen von heute zwölf Prozent zumindest auf 15 Prozent steigern, das ist durchaus fordernd. Zum Thema menschenwürdige Arbeit sind wir gerade dabei, unsere Lieferketten zu durchforsten. Da geht es nicht nur um die direkte Lieferkette, sondern wir müssen auch Tier 2- und teilweise sogar Tier 3-Lieferanten betrachten, nicht zuletzt um Reportinganforderungen zu erfüllen. Bei Ziel 9 Industrie, Innovation und Infrastruktur wollen wir als Marktführer ganz vorne dabei sein. Und am Klimaschutz arbeiten wir ebenfalls: Wir wollen unseren ökologischen Footprint verbessern. Hier zählt natürlich auch unser Beitrag, Brände schnell und effizient zu löschen – 15 Prozent aller CO2-Emissionen sind auf Waldbrände zurückzuführen. Da durch den Klimawandel Extremwetterereignisse häufiger werden, gehen wir davon aus, dass unsere Branche an Bedeutung gewinnt.

Sebastian Wolf, CEO von Rosenbauer
Was macht ein Unternehmen zukunftsfähig?

Wolf: Ein zukunftsfähiges Unternehmen hat eine Vision, auf die es hinarbeitet und versucht, stets besser zu werden. Das ist auch das, was ich als CEO anstrebe: Laufend besser zu werden, nicht aufzugeben, Ziele rasch umzusetzen. Wir wollen jedenfalls die Nummer eins in der Feuerwehrbranche bleiben und dazu beitragen, Leben und Wohlstand zu schützen. 

Vielen Dank für das Gespräch! 


Zur Person

Sebastian Wolf, 40, hat im August 2022 den langjährigen Chef Dieter Siegel als CEO von Rosenbauer abgelöst. Wolf studierte an der Johannes Kepler Universität in Linz Wirtschaftswissenschaften und stieg nach einigen Jahren als Unternehmensberater im Jahr 2008 bei Rosenbauer ein, 2017 folgte die Beförderung zum Finanzvorstand. Mit Wolf steht erstmals in der mehr als 150-jährigen Firmengeschichte ein Nicht-Familienmitglied an der Spitze des Konzerns.

Zum Unternehmen

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Die in Leonding bei Linz ansässige Rosenbauer International AG entwickelt und produziert Feuerwehrfahrzeuge, Löschtechnik, Ausrüstung und digitale Lösungen sowie Anlagen für den vorbeugenden Brandschutz für Kunden in 120 Ländern. Das Unternehmen wurde im Jahr 1866 von Johann Rosenbauer als Feuerwehrausrüstungsgeschäft in Linz gegründet, 1906 folgte die eigene Produktion. 1994 ging das Unternehmen an die Börse – und setzte mit dem kommunalen Löschfahrzeug AT einen neuen Standard im Bereich der Feuerwehrfahrzeuge. Mittlerweile verfügt Rosenbauer über neun Produktionsstandorte in Europa sowie drei weitere in den USA und vier in Asien. Ende des Vorjahres beschäftigte der Konzern weltweit 4.130 Mitarbeiter, davon 1.800 am Standort in Leonding. Der Umsatz des Weltmarktführers, der nach wie vor mehrheitlich im Familienbesitz ist, belief sich 2021 auf rund 975 Mio. Euro.

Fotos: Bernhard Weber, Rosenbauer