corporAID: Wie geht es der Rubble Master Gruppe angesichts der Krise?
Hanisch: Die Krise ist eine mehrteilige Krise. Angesichts der Finanzkrise 2008 habe ich mir gedacht: So eine Krise brauche ich genau einmal in meinem unternehmerischen Leben. 2020 kam dann Corona, und ich dachte mir: Na gut, alle zehn Jahre gibt es offensichtlich eine Krise. Jetzt sind zwei Jahre vergangen, und wir haben die Supply Chain-Krise und den Ukrainekrieg. Die Schlagzahl der Krisen scheint sich deutlich zu erhöhen. Die Pandemie 2020 war für uns jedenfalls ein heftiger Einschnitt: Wir konnten unsere Kunden nicht mehr sehen und viele Entscheidungen wurden nicht getroffen. Trotzdem hatten wir einen sehr positiven Ausblick auf 2021. Wir konnten dann auch tatsächlich großes Wachstum zeigen und daraus resultierend gab es eine sehr positive Erwartung für die kommenden Jahre. Diesen grundsätzlich optimistischen Ausblick gibt es noch immer, trotz Supply Chain-Krise und Ukrainekrieg. Wir planen für die Zeit danach. Und wir planen so, dass sich auch unsere Partner darauf einstellen können.
Wie sehen Sie die Zukunft?
Hanisch: Es gibt einen bestimmenden Megatrend: Global Warming und Klimakollaps. Hier geht es zum einen darum, technologisch darauf zu reagieren. Das ist bei uns die Elektrifizierung und Hybridisierung. Zum anderen geht es darum, auch strukturell darauf zu reagieren. Es gibt in vielen Ländern die Bestrebung, mehr in Infrastruktur und in öffentlichen Verkehr zu investieren. Ein gutes Beispiel dafür ist Mexiko, wo wir Teil des Maya Train Projekts sind, das Städte in Yucatan mit einer neuen Bahnlinie verbindet. Wir machen mit unseren Maschinen dafür die Gesteinsaufbereitung. Das zeigt uns, dass sich auch die Länder des globalen Südens fragen: Wie wird die Infrastruktur der Zukunft ausschauen? Wie gehe ich mit Urbanisierung um? Wie kann ich vorhandene Ressourcen besser nutzen? Wie sieht es mit der Kreislaufwirtschaft aus?
Das Umfeld ist fordernder geworden, und es zeigt sich, ob eine Organisation mit Krisen umgehen kann: Hier trennt sich die Spreu vom Weizen.
Gerald Hanisch, Rubble Master Gruppe Tweet
Wie hat die Pandemie das Unternehmen verändert?
Hanisch: Wir haben das erste Coronajahr 2020 genutzt, um uns besser aufzustellen, Innovationen weiter zu bringen, Organisationsentwicklung und Marktentwicklung im Sinne eines Aufbaus strategischer Märkte zu betreiben, um mit den richtigen Produkten auf die Gegebenheiten reagieren zu können. Letztlich wollten wir eine resiliente Organisation aufbauen, die fit für solche Herausforderungen ist. Auch soziale Nachhaltigkeit, Menschen fair zu behandeln, Mitarbeiter zu empowern, sie aufzubauen, hat sich sehr gut bewährt. Gleichzeitig ist eine starke Konsolidierung in Bezug auf die Mitarbeiter eingetreten: Wir sind uns heute darin einig, was wir gemeinsam erreichen wollen. Wir haben unsere internationalen Mitarbeiter lange Zeit nicht treffen können, konnten aber sehen, dass diese zum Beispiel in Nordamerika auch ohne unsere Präsenz performen. Das Umfeld ist fordernder geworden und es zeigt sich, ob eine Organisation mit Krisen umgehen kann: Hier trennt sich die Spreu vom Weizen.
Ist Österreich ein guter Standort für ein international ausgerichtetes Unternehmen?
Hanisch: Ich habe immer gesagt, dass ich mich hier sehr gut beheimatet fühle. „Hier“ ist in unserem Fall Linz. Wir fühlen uns als globales Unternehmen mit einem starken Kern in Österreich. Die Rahmenbedingungen sind günstig, weil Umwelttechnik, die jetzt global an Bedeutung gewinnt, in Österreich schon seit Jahrzehnten wichtig ist. Beispielsweise hatte Linz noch in den 1980er Jahren ein großes Luftverschmutzungsproblem, heute gehört seine Luftqualität mit zu den besten und man würde fast nicht erkennen, dass Linz eine Industriestadt ist.
Wir haben seither gelernt, dass man viel Lebensqualität gewinnen und zugleich neue Industriezweige eröffnen kann. Das war für uns auch in Richtung Globalisierung wichtig. Denn das war der Gedanke, als ich vor mehr als 30 Jahren das Unternehmen gegründet habe: Warum können wir diese Perspektive nicht global multiplizieren? In den USA etwa war man nie gezwungen, Energie zu sparen. Aufgrund der Größe des Landes war das Umweltthema dort vielleicht nicht so relevant. Jetzt sieht man, dass wir ihnen einiges beibringen können. Dort gibt es kaum grüne Industrie. Genausowenig wie in China.
Und hier sehe ich den Standort Österreich gut positioniert. Wir haben große Umwelttechnik-Cluster in Oberösterreich und in der Steiermark. Wir haben viele Hidden Champions und Weltmarktführer in diesem Sektor. Es ist mir auch ein Anliegen, die vielen tollen Arbeitsplätze hervorzuheben, die nachhaltig sind und sich mit den richtigen Themen befassen.
Sie haben Kreislaufwirtschaft schon angesprochen. Was bedeutet dieser Trend für Rubble Master?
Hanisch: In unserem Bereich, insbesondere bei Baurestmassen, hat Österreich eine Vorreiterrolle. Wir haben es hier geschafft, die Kreislaufwirtschaft basierend auf dem Verursacherprinzip auf kleinere Strukturen herunterzubrechen: Nämlich Ressourcen dort, wo sie anfallen, gleich wieder aufzubereiten und wieder einzubauen. Das bedeutet auch weniger Transporte auf der Straße. Kreislaufwirtschaft braucht aber einen Rechtsrahmen, weil Recycling auf klaren Regeln basieren muss. Ich muss mich darauf verlassen können, dass ein recyceltes Material qualitätsgeprüft und werthaltig ist und vom Gesetzgeber als solches anerkannt wird. Einen solchen gesicherten Prozess gibt es in vielen Ländern noch nicht. Da sollten wir auch Consulting anbieten, um Kreislaufwirtschaft anderswo voran zu bringen.
Sie haben auch den Trend zur Elektrifizierung angesprochen.
Hanisch: Unsere Maschinen arbeiten seit 1991 – also vom Start weg – dieselelektrisch. Die meisten Mitbewerber haben damals auf dieselhydraulische Anlagen gesetzt. Die Elektrifizierung war damals gar nicht einfach: Jeder hat uns gesagt, dass diese auf einer Baustelle nicht akzeptiert werden würde. In den vergangenen 30 Jahren haben wir sie zur Perfektion gebracht. Wir haben jetzt ein Programm, das Next Level Electrification heißt. Damit wollen wir den Rahmenbedingungen, die wir auf einer Baustelle vorfinden, verstärkt Rechnung tragen und auch die Energieträger einbeziehen. Ich muss die Möglichkeit haben, die Energie abzurufen, die es vom Netz gibt; wenn diese nicht ausreicht, die Differenz über Energiepuffer oder Batterien bereitstellen und zuletzt über Verbrennungsmotoren. Und das machen wir nicht nur bei einzelnen Maschinen, sondern auch bei verknüpften Anlagen – auf einer größeren Baustelle sind ja sehr oft mehrere Anlagen in Betrieb. Dazu braucht man smarte Digitalisierung und Steuerungstechnik, in absehbarer Zeit kommt auch künstliche Intelligenz dazu.
Umwelttechnik, die jetzt global an Bedeutung gewinnt, ist in Österreich schon seit Jahrzehnten wichtig.
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Was macht die Innovationskraft von Rubble Master aus?
Hanisch: Unsere Innovationskraft entsteht daraus, dass wir Dinge nie als abgeschlossen betrachten. Das ist auch eine Frage der persönlichen Einstellung und für mich eine Grundhaltung. 25 Jahre lang hat jeder große Player in unserer Industrie gesagt: Das wird nie gehen, was die machen. Und zwar so lange, bis viele Kunden genau das wollten. Und jetzt werden wir eins zu eins kopiert, seit mehr als fünf Jahren. Letztlich hat uns das darin bestätigt, die Frontrunner und die Innovatoren der Branche zu sein. Dieser Zugang gehört zur DNA von Rubble Master. Dieses ständige Hinterfragen: Gibt es vielleicht noch etwas Besseres – nicht nur in der Produkt-, sondern auch in der Organisationsentwicklung?
Wo liegen Ihre Wachstumsmärkte?
Hanisch: In Nordamerika werden derzeit Milliarden in Infrastrukturentwicklung investiert: Wir sind dabei. In Lateinamerika gibt es große Projekte, an denen wir beteiligt sind, nur weiß man dort nie, welchen Zyklen die einzelnen Länder folgen. Aktuell ist Mexiko spannend, Argentinien war zuletzt komplett weg, kommt aber wieder, ebenso Brasilien. Afrika sehe ich immer noch als schwierigen Markt, weil große Infrastrukturinitiativen fehlen und auch Investitionen überschaubar sind – außer von China. Wir hatten in Afrika immer wieder Möglichkeiten, aber leider keine nachhaltigen. Da hat man einen Markt aufgebaut, und plötzlich ist dieser aus politischen oder anderen Gegebenheiten völlig verschwunden und nicht mehr zurückgekommen. Es ist schade, aber ich sehe in Afrika momentan unsere geringsten Chancen.
Wo sehen Sie die Herausforderungen von Emerging Markets?
Hanisch: Die Märkte sind volatil, das heißt, man muss sehr breit streuen. Es ist zudem wichtig, bei Großprojekten dabei zu sein, um das Geschäft in eine gewisse Nachhaltigkeit zu bringen. Es gibt teilweise sehr undurchschaubare Entscheidungsprozesse. Es gibt Korruption. Aber wir haben es trotzdem geschafft, eine positive Einstellung insbesondere zu Lateinamerika zu entwickeln. Auch bedingt dadurch, dass die Menschen dort hungrig sind nach neuen Technologien. Vor allem die Jungen wollen Bildung und Teil einer aufstrebenden Generation sein. Aus österreichischer Sicht ist Lateinamerika leider oft noch eine Blackbox. Dabei arbeiten wir schon seit geraumer Zeit in Lateinamerika, und ich hätte nie gedacht, dass wir dort so erfolgreich sein werden. Überhaupt gibt es Länder, die absolut in die richtige Richtung gehen, und diese sollte man stärker vor den Vorhang bringen.
Was macht ein Unternehmen zukunftsfähig?
Hanisch: Zuerst einmal Authentizität und Werte. Dazu braucht es eindeutige Positionen hinsichtlich Megatrends und den Herausforderungen der Zukunft. Ein Schlüssel wird sein, gute Mitarbeiter zu finden und das auch als wesentlichen Teil des strategischen Managements anzusehen. Und nicht zuletzt braucht es einen klaren Fokus und eine resiliente Organisation.
25 Jahre hat jeder große Player in unserer Industrie gesagt: Das wird nie gehen, was die machen. Und zwar so lange, bis viele Kunden genau das wollten.
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Und was sind Ihre persönlichen Erfolgsfaktoren?
Hanisch: Mein persönliches Erfolgsgeheimnis ist, immer dazu zu lernen, mit Herausforderungen sportlich umzugehen und in jedem Problem auch eine Chance zu sehen. Meine Position war immer, sehr offensiv zu sagen: Ich kann einen Beitrag leisten. So sehe ich auch meinen Stil. Ich rede nicht lang, wir machen es. Hin und wieder scheitern wir natürlich, aber wir stehen sofort wieder auf. Mich begeistern Innovationen, mich begeistert auch mein Umfeld. Menschen in den einzelnen Märkten inspirieren mich oft mit ihren ganz neuen Zugängen. Und ich finde das unglaublich spannend.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person
Gerald Hanisch, 62, ist Gründer und Geschäftsführer des oberösterreichischen Maschinenbauunternehmens Rubble Master Gruppe. Der aus Linz stammende Ingenieur durchlief verschiedene berufliche Stationen als Konstrukteur, Entwicklungstechniker und Verkaufsleiter, bevor er Ende der 1980er Jahre mit der Entwicklung mobiler Brechanlagen in der Kompaktklasse begann. 1991 gründete Hanisch das Unternehmen Rubble Master, das seither im globalen Recyclingmarkt erfolgreich unterwegs ist.
Zum Unternehmen
Rubble Master Gruppe: Recyclingprofi aus Linz
Mobile Compact Crushing nennt sich das Geschäftssegment, auf das sich die oberösterreichische Rubble Master Gruppe spezialisiert hat. Die Brecher- und Siebanlagen des im Jahr 1991 von Gerald Hanisch gegründeten Maschinenbauunternehmens werden im Linzer Südpark und in Dungannon, Nordirland, entwickelt und assembliert. Die Exportquote liegt bei mehr als 95 Prozent mit den Kernmärkten in Europa und Nordamerika. Die Crusher und Siebanlagen von Rubble Master sind auch auf Baustellen und Bergbauorten in rund hundert Ländern von Nepal über Kamerun bis Brasilien auf allen Kontinenten zu finden. Das im Haupteigentum von Hanisch stehende Unternehmen beschäftigt rund 350 Mitarbeiter und erwirtschaftete im Jahr 2021 einen Gesamtumsatz von 194 Millionen Euro.