
Es ist eine der wertvollsten Währungen der internationalen Politik: die Verlässlichkeit. Ein Land, das sich auf eine Partnerschaft einlässt, muss darauf zählen können, dass morgen noch gilt, was heute abgemacht wurde. Für die neue US-Regierung unter Donald Trump hat dies offenbar keine Bedeutung. Beispielhaft steht dafür ihr Vorgehen in der Entwicklungszusammenarbeit: Von einem Tag auf den anderen wurden die Gelder für den Großteil der Projekte der Entwicklungsagentur USAID gestrichen. Diese Wende ist in ihrer Plötzlichkeit so einmalig wie sie für die betroffenen Länder erschütternd ist: So wurden unzählige Gesundheitsprogramme über Nacht gestoppt, Millionen Patienten in Entwicklungsländern haben dadurch ihre Versorgung verloren.
Genau hier sieht China seine geostrategische Chance: Es will sich nun verstärkt anstelle der USA als verlässlicher Partner präsentieren, berichtet die Politologin Julia Gurol-Haller im jüngsten corporAID-Podcast (abzurufen unter www.corporaid.at/podcast). Chinas Verlässlichkeit gibt es nicht gratis, sie geht mit klaren und auch harten Bedingungen einher. Die Volksrepublik betreibt Entwicklungspolitik mit Krediten, und wer diese nicht bedienen kann, verliert beispielsweise die Kontrolle über strategische Infrastruktur: So übernahm China Teile des Hafens von Mombasa in Kenia.
Der Rückzug der USA und das stark an Eigeninteressen orientierte Vorgehen von China öffnen Europa eine Tür: Es kann sich als der verlässliche Partner etablieren, der darüber hinaus Beziehungen so gestaltet, dass letztlich beide Seiten profitieren – und das in Afrika auch in unmittelbarer Nachbarschaft. Derzeit geschieht aber genau das Gegenteil: Auch viele europäische Länder reduzieren ihre Mittel für Entwicklungszusammenarbeit massiv, zuletzt Frankreich und die Niederlande. Das mag kurzfristig veränderten Prioritäten und teils engen Budgets geschuldet sein, langfristig kann sich das aber als vertane Chance und Selbstschädigung erweisen. Zumal sich damit auch Europa als wankelmütiger und nicht als verlässlicher Akteur zeigt