Kommentar

Kohleausstieg ohne Illusionen

Frederik Schäfer, corporAID

Ausgabe 104 – Herbst 2024

Frederik Schäfer, corporAID Team
Frederik Schäfer, Chef vom Dienst

„Schwarzes Gold ist das Herz der Nacht, und solang es schlägt, wird die Welt sich drehen, wird es weitergehen“, sang Peter Alexander 1979 pathetisch über die Kohle, die jahrzehntelang nicht nur im deutschsprachigen Raum als Symbol des wirtschaftlichen Aufschwungs und regionaler Identifikation diente – und das nicht ohne Grund: Die wirtschaftliche Entwicklung des 20. Jahrhunderts wäre ohne Kohlebergbau, Kohleverstromung und Stahlproduktion aus Koks kaum denkbar gewesen.


Heute gilt Kohle als das Schmuddelkind unter den Energieträgern – und das zurecht. Der CO2-Ausstoß der nach wie vor verbreiteten Kohleverstromung ist enorm, ebenso die Umweltbelastungen. Der dringend notwendige Ausstieg aus der Kohle gestaltet sich jedoch vielerorts schwierig: Länder wie Indien, Indonesien oder Südafrika verfügen nicht über die Voraussetzungen, um – wie Deutschland – viele Milliarden für einen regionalen Strukturwandel bereitzustellen.

Dass die großen Industrieländer seit 2021 mit den Just Energy Transition Partnerships versichern, die Schwellenländer bei der Energiewende nicht allein zu lassen, ist durchaus bemerkenswert. Problematisch ist jedoch, dass die Unterstützung oft komplex und bürokratisch erfolgt, häufig nicht aus direkten Zuschüssen, sondern aus Krediten nahe den Marktkonditionen besteht, und generell unklar bleibt, inwiefern diese Partnerschaften tatsächlich „just“ – also gerecht oder treffender: sozialverträglich – sind.

Es wäre jedenfalls ein Fehler, die Herausforderungen eines umfassenden Kohleausstiegs durch eine rosarote Brille zu betrachten. Das durchaus verbreitete Narrativ, dass heutige Kohlearbeiter nahtlos in den Aufbau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen integriert werden könnten, ist schlichtweg unrealistisch. Vielmehr muss genau geprüft werden, welche Skills diese Menschen mitbringen und wo sie sinnvoll eingesetzt werden können. Und es darf nicht verschwiegen werden, dass dieser große Transformationsprozess auch viele Verlierer mit sich bringen wird. Dennoch lohnt sich jeder Euro in diese Richtung: Der Erfolg des Klimaschutzes, der nun einmal per se global erfolgen muss, hängt maßgeblich vom Kohleausstieg ab. Anstatt uns in Auseinandersetzungen um ein paar Windräder oder Wärmepumpen zu verlieren, sollte eine deutlich entschlossenere (europäische) Unterstützung der Schwellen- und Entwicklungsländer beim Kohleausstieg das Gebot der Stunde sein.

Foto: Mihai Mitrea