Kapital für riskante Investments

Eine Dachziegelfabrik in Kamerun, ein Verpackungs- materialhersteller in Marokko: Die Oesterreichische Entwicklungsbank (OeEB) kann in schwierigen Märkten dort investieren, wo der Privatsektor zurückschreckt. Sie will aber nicht Subventionsgeber sein, sondern sucht erfolgversprechende Geschäftsmodelle, die vor Ort nachhaltige Entwicklung bringen.

von Klaus Huhold

Angedacht war das von der Österreicherin Sonja Sagmeister in Kamerun angestoßene Projekt Amabo als soziale Initiative im Umweltbereich. Ziel war es, Plastikmüll zu sammeln und Aufklärungsarbeit zu leisten. Doch schnell „stellte sich die Frage, wie wir den gesammelten Abfall wertschöpfend nutzen können“, berichtet Sagmeister. Daraus entstand die Idee, aus Sand und geschmolzenem Altplastik Dachziegel zu produzieren – aus dem Sozialprojekt wurde ein Sozialunternehmen. 

Heute produziert Amabo rund 10.000 Dachziegel pro Tag, hat bereits in den Tschad, in die Zentralafrikanische Republik und nach Äquatorialguinea exportiert und beschäftigt rund 30 Arbeiter in seiner Fabrik in Tiko sowie sechs weitere Angestellte im Büro in der Hafenstadt Douala. „Der Sozial- und Umweltgedanke steht nach wie vor im Vordergrund, zugleich kann sich das Projekt mittlerweile auch selbst tragen“, betont Sagmeister. 

Aus streng betriebswirtschaftlicher Sicht hätte man das Projekt wahrscheinlich nicht starten dürfen, meint sie. Schließlich brachte Amabo mit seinem Dachziegel aus Kunststoffrezyklat ein völlig neues Produkt auf den Markt – und das in einem äußerst volatilen Umfeld: Die Fabrik wurde im Südwesten des Landes errichtet, wo es immer wieder zu politischen Unruhen kommt. „Aber ich habe das Potenzial der jungen Menschen vor Ort gesehen, und ihren Willen, einen Aufstieg zu schaffen und ihre Lebenssituation zu verbessern“, erzählt sie. 

Kreditwürdigkeit

Das Potenzial solcher Projekte in schwierigen Märkten zu erkennen, gehört zum Kerngeschäft von Entwicklungsbanken wie der Oesterreichischen Entwicklungsbank (OeEB). Diese spezialisierten Institute haben den Auftrag, wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle in Entwicklungs- und Schwellenländern, die zugleich einen entwicklungspolitischen Nutzen bringen, zu fördern. Mit ihrer Möglichkeit, auf eine hundertprozentige Bundeshaftung zurückzugreifen, kann die OeEB höhere Risiken eingehen und spezielle Kredite anbieten – mit längeren Laufzeiten und flexibleren Rückzahlungsmodalitäten.

Anträge werden dabei vor allem auf drei Aspekte kritisch untersucht: ob das unternehmerische Konzept tragfähig ist, ob die Initiatorinnen und Initiatoren glaubhaft machen können, dass sie das lokale Umfeld verstehen, und ob sie selbst an ihr Modell glauben. „Wir suchen Unternehmer, die uns von ihren Erfolgsaussichten überzeugen“, sagt OeEB-Vorstand Steffen Suhany. „Dabei stehen wir nicht im Wettbewerb zum privaten Finanzsektor, sondern kommen immer dann ins Spiel, wenn wir additional sein können, zum Beispiel weil bestimmte Märkte oder längere Laufzeiten den Privatbanken zu riskant sind.“ 

Vielversprechender Markt

Mit Alpla hat sich neuerdings ein österreichisches Großunternehmen für eine Expansion auf den afrikanischen Kontinent entschieden – mit einem Jahresumsatz von 4,9 Milliarden Euro ist der globale Verpackungsspezialist aus Vorarlberg ganz anders aufgestellt als ein Sozialunternehmen wie Amabo. 

Alpla fand in Marokko einen besonders stabilen und wachstumsstarken Markt in der Region. Mit seiner jungen Bevölkerung, einem expandierenden Konsumgütersektor und einer attraktiven Förderlandschaft für industrielle Investitionen bietet das Land dem weltweit tätigen Konzern ein sehr günstiges Umfeld. Im Joint Venture mit der örtlichen Diana Holding entstand in der Hafenstadt Tanger eine Produktionsstätte für komplette Verpackungssysteme – von PET-Vorformlingen über Flaschenverschlüsse bis hin zu Paletten. 

Auch am neuen Standort setzt das Unternehmen bei der Absicherung der operativen Stabilität und Kontrolle des unternehmerischen Risikos auf zwei zentrale Säulen: die Verarbeitung von Recyclingkunststoffen und die Ausbildung lokaler Fachkräfte. „Gleichzeitig wollen wir die nachhaltige industrielle Entwicklung in Marokko stärken, lokale Wertschöpfung fördern und umweltfreundliche Produktionsprozesse ermöglichen“, erklärt Christian Fessler, Managing Director für Nahost und Nordafrika. Er rechnet mit einer positiven Umsatzentwicklung infolge einer wachsenden lokalen Nachfrage. 

Robuste Absicherungen

Sowohl Alpla als auch Amabo haben zur Realisierung ihrer Projekte einen Kredit von der Oesterreichischen Entwicklungsbank bezogen, bereitgestellt aus Mitteln der African-Austrian SME Investment Facility vom Bundesministerium für Finanzen. Alpla erhielt einen Mezzanine-Kredit in Höhe von drei Millionen Euro, den Kredit an Amabo weist die OeEB mit 490.000 Euro aus. Laut Amabo-Gründerin Sagmeister ist es „undenkbar“, dass eine Privatbank ein Umwelt-Start-Up wie Amabo finanziert, das nicht auf Profitmaximierung ausgerichtet ist und noch dazu in einem westafrikanischen Land mit einem derart hohem Ausfallrisiko angesiedelt ist. Für Alpla ist der Mezzanine-Kredit, der Fremd- und Eigenkapital mischt, von Vorteil: „Er bietet uns flexibles Kapital ohne sofortige Verwässerung des Eigenkapitals und senkt somit unser Risiko“, heißt es aus dem Unternehmen.

Die Entwicklungsbank selbst kalkuliert ihre Kosten mit Bedacht. OeEB-Vorstand Suhany erklärt: „Wir sind weder eine Subventionsmaschine noch Gewinnmaximierer. Wir lassen uns die Risiken, die wir eingehen, bezahlen.“ Der erfahrene Banker weist dabei darauf hin, dass es gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern zwar „hohe Risiken gibt, aber gleichzeitig auch enorme Chancen. Die Bevölkerung ist jung, die Märkte sind dynamisch und noch nicht so gesättigt wie in den entwickelten Volkswirtschaften.“

Das birgt auch für österreichische Unternehmen ein großes Versprechen. Doch der Vergleich zeigt, dass ihre europäischen Wettbewerber beim Schritt in solche Märkte mit weiteren flankierenden Maßnahmen rechnen können. So unterhält etwa die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), eine hundertprozentige Tochter der KfW-Bankengruppe, in 17 wichtigen Märkten – darunter Brasilien, Indien, Nigeria oder Kenia – Standorte, die primär deutsche investierende Unternehmen unterstützen. Mit den „German Desks“ wiederum bietet die DEG mittelständischen Unternehmen Anlaufstellen, wenn sie erstmals auf dem afrikanischen Markt aktiv werden wollen – mit Angeboten von Konteneröffnung und Zahlungsverkehr über Handelsfinanzierung bis hin zu Investitionskrediten und strukturierten Finanzierungen.

Auch im privaten Finanzsektor finden österreichische Unternehmen nicht allzu große Unterstützung. Heimische Großbanken konzentrieren ihre internationalen Aktivitäten traditionell auf Mittel- und Osteuropa und weniger auf Schwellenmärkte. Österreich fehlt damit weitgehend eine vergleichbare Systeminfrastruktur, die Unternehmen beim Eintritt in afrikanische Märkte unterstützen könnte. Aus diesem Grund gestalten sich für heimische Firmen, insbesondere Mittelständler, Markterschließungen häufig deutlich aufwändiger und auch risikoanfälliger. 

Es ist daher nicht überraschend, wenn Sagmeister bezeugt, dass sie in Kamerun belgischen oder auch italienischen und türkischen Unternehmern begegnet sei, aber keinen österreichischen. „Wir sind das einzige österreichische Projekt in der Geschichte des Landes, das vor Ort mit einer Fabrik produziert“, sagt sie. „Das ist schade!“ Und sie konstatiert: „Wenn weiter Ängste vorherrschen, statt dass Chancen gesehen werden – auch für die Menschen vor Ort –, dann verliert Österreich den Anschluss.“

Foto: World Bank

„Wir sind Risktaker“

Steffen Suhany, Vorstand der Oesterreichischen Entwicklungsbank OeEB, über risikoreiche Märkte und die Ankerfunktion der Bank für Unternehmen.

Hintergrund: Oesterreichische Entwicklungsbank

Die Oesterreichische Entwicklungsbank OeEB ist eine hundertprozentige Tochter der Oesterreichischen Kontrollbank AG. Ihr Auftrag besteht darin, private Investitionsprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern zu finanzieren und damit zur Umsetzung der österreichischen Entwicklungspolitik beizutragen. 

Die OeEB vergibt langfristige Investitionsfinanzierungen an private Unternehmen und beteiligt sich als Minderheitsinvestor an Projekten oder Fonds. Zusätzlich stellt sie Mittel für technische Hilfe zur Verfügung. Mit Programmen wie der African-Austrian SME Investment Facility fördert sie kleine und mittlere Unternehmen, die in afrikanischen Ländern investieren möchten. Mit rund 70 Mitarbeitenden verantwortet die Oesterreichische Entwicklungsbank ein Portfolio von 1,7 Milliarden Euro. Im Geschäftsjahr 2024 wurden Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von 305,2 Millionen Millionen Euro autorisiert.