Elin Baranyai-Ulvestad ist Norwegerin, jedoch fest in Österreich verwurzelt. Die Marketing- und Kommunikationsexpertin arbeitet seit 15 Jahren im internationalen Bereich des Österreichischen Roten Kreuzes ÖRK in Wien. Vor vier Jahren übernahm sie die Leitung von REDpreneur, einer globalen Akademie für Business Skills und Enterprise Development Support. Diese bietet sowohl online- als auch hybride Trainings, Mentoring und Vernetzungsmöglichkeiten an – speziell für Freiwillige und Angestellte von Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften, zivilgesellschaftliche Akteure und Social Entrepreneurs.
Über die Entstehung von REDpreneur sagt Baranyai-Ulvestad: „Wir haben erkannt, dass der Bedarf an Hilfeleistungen durch Konflikte und Krisen weltweit immer weiter steigt. Gleichzeitig können Fördermittel und Spenden nicht mit dem steigenden humanitären Finanzierungsbedarf Schritt halten. Als Organisation sind wir daher angehalten, neue Wege zur Diversifizierung unserer finanziellen Ressourcen zu beschreiten. Unsere Akademie setzt genau hier an: Wir bringen den nationalen Rotkreuz-Gesellschaften bei, unternehmerisch zu denken und finanziell unabhängiger zu werden, damit sie langfristig und nachhaltig wirken können.“ Das Programm erhält nicht nur innerhalb der Rotkreuz- und Rothalbmond-Welt Zuspruch und Aufmerksamkeit, auch andere gemeinnützige Organisationen und Social Entrepreneurs profitieren davon. „Wir wollen uns öffnen, weil wir viel voneinander lernen können“, betont die Programmleiterin.
Mit Unterstützung der ADA
Das ÖRK startete REDpreneur im Jahr 2020 als Pilotprojekt im Südkaukasus und in Ost- und Südosteuropa mit einem Fokus auf Anbieter von Gesundheits- und sozialen Diensten. Aufgrund des hohen Interesses wurde im Frühjahr 2023 ein weltweites Programm gestartet, das auf drei Jahre ausgelegt ist und – wie das Pilotprojekt – von der Austrian Development Agency ADA über die Programmlinie Wirtschaftspartnerschaften unterstützt wird. ADA-Programmmanagerin Susanne Thiard-Laforet begründet die Förderung so: „Dank REDpreneur können sich Sozialorganisationen von Spendenempfängern zu eigenfinanzierten Social Entrepreneurs entwickeln. So können die Akteure ihre soziale Wirkung um ein Vielfaches erhöhen.“
REDpreneur besteht aus vier Elementen: Die Online Training Academy ist ein zweimonatiges virtuelles Präsenztraining für 40 Personen, das darauf abzielt, unternehmerisches Know-how zu vermitteln und wesentliche Tools interaktiv zu üben. Die darauffolgende Master Class ist ein dreimonatiger Accelerator, der neben Online-Sessions ein physisches Workshop-Treffen beinhaltet. Bis zu fünfzehn Teams entwickeln hier investmentfähige Geschäftsmodelle. Vor Beginn des Kursprogramms sind Interessierte zu einer Inspirations- und Informationssession eingeladen, nach Abschluss können Absolventinnen und Absolventen über ein Alumni-Netzwerk im Austausch von Wissen und Erfahrungen bleiben.
Das ÖRK-Team bewirbt das Angebot über das Netzwerk der internationalen Rot-Kreuz-Bewegung und Social Media mit Erfolg. So waren alle bisher angebotenen Masterklassen ausgebucht. Die Finanzierung steht auf drei Beinen: 50 Prozent stammen von der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, 25 Prozent sind Teilnahmegebühren, der Rest wird durch Beiträge seitens anderer nationaler Rotkreuz-Gesellschaften und Unternehmenskooperationen wie etwa mit der ERSTE Stiftung aufgebracht.
Das REDpreneur-Trainingsprogramm wird von erfahrenen Partnern begleitet. Gemeinsam mit dem ÖRK entwickelt New Paradigm Ventures die Curricula und führt die Trainings durch. Impact Hub Vienna begleitet die Teilnehmenden – bisher mehrheitlich Frauen – und stellt einen reibungslosen Ablauf des Programms sicher.
Erste Erfolge
Drei Kohorten haben das Programm bisher durchlaufen, mit Workshops in Athen, Lemberg und Wien. Die Teilnehmer kommen unter anderem aus dem Libanon, Uganda, Kenia, Äthiopien, Nordmazedonien und Georgien. Dazu entstand eine eigene Kohorte aus der Ukraine. „Die größte Herausforderung“, sagt Baranyai-Ulvestad, „sind die unterschiedlichen Levels der Teilnehmer – dies macht viel Flexibilität und persönliche Betreuung erforderlich. Auch die teils unzuverlässige Internetverbindung in manchen Weltregionen ist herausfordernd.“ Auch sprachliche Hürden galt es zu bewältigen. Eine Master Class wurde auf Ukrainisch abgehalten, ansonsten reichte bisher Englisch. Eine größere Lokalisierung wird jedenfalls angestrebt, sagt die Projektleiterin mit Blick in die Zukunft.
Als Best Practice-Beispiel verweist Baranyai-Ulvestad stolz auf ein Rotkreuz-Team aus Nordmazedonien, das im Anschluss an die Teilnahme am Pilotprojekt in Skopje ein qualifiziertes Krankentransportangebot aufgestellt hat. Dank eines hybriden Geschäftsmodells kann der laufende Betrieb heute kostendeckend finanziert werden, obwohl die Leistung sozial bedürftigen Menschen in gleicher Qualität kostenfrei angeboten wird. „Das ist unser Paradebeispiel“, sagt sie. „Hier ist der Schritt in die Umsetzung gelungen. Wir hoffen auf viele weitere solche Erfolge.“
DER TRÄGER: Österreichisches Rotes Kreuz, weltweit tätig
Das Österreichische Rote Kreuz ÖRK mit Hauptsitz in Wien ist die nationale Rotkreuz-Gesellschaft in Österreich und als solche Teil der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. Zur Gründung des ÖRK kam es 1880 durch den Zusammenschluss lokaler Hilfsvereine, heute ist es die größte Hilfsorganisation des Landes. Bekanntester Aufgabenbereich ist der Rettungsdienst. Über seinen internationalen Bereich beteiligt sich das ÖRK an der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, vor allem im östlichen Afrika, in Südost- und Osteuropa sowie im Südkaukasus. Ein Fokus liegt auf der Stärkung der Kapazitäten der lokalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Partnergesellschaften, um so zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele beizutragen.
Fotos: OERK
Finden Sie hier Berichte über frühere Wirtschaftspartnerschaften der Austrian Development Agency mit verschiedenen Partnern:
• Dachziegel aus Altplastik: Cool, chic und öko Wie Amabo in Kamerun aus Altplastik ein innovatives und gefragtes Recyclingprodukt erschafft. (corporAID Magazin Ausgabe 99, Sommer 2023)
• Mit dualer Lehre zum sicheren Job: Wie Mondi die duale Lehre in Côte d‘Ivoire und Marokko fördert. (corporAID Magazin Ausgabe 98, Frühjahr 2023)
• Gamechanger für Asiens Kleinbauern: Wie Pessl Instruments Kleinbauern in Südostasien mit moderner Messtechnik unterstützt. (corporAID Magazin Ausgabe 97, Winter 2022/23)
• Hoffnung für viele Patienten: Wie Medizinprodukteanbieter Lohmann & Rauscher nachhaltige Ausbildungsstrukturen für Ärzte und Krankenpfleger im Bereich Wundmanagement in Malaysia schafft. (corporAID Magazin Ausgabe 96, Herbst 2022)
• Balkandelikatessen: Wie der Wiener Importeur Balkan Express mit handgefertigten Bioaufstrichen- und pürees Lieferketten in Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina stärkt. (corporAID Magazin Ausgabe 95, Sommer 2022)
• Fuß fassen in Afrika: Wie sich der Blumen- und Nahrungspflanzenexperten Delphy aus den Niederlanden über Pilotprojekte einen Markt in Subsahara Afrika aufbaut. (corporAID Magazin Ausgabe 94, Frühling 2022)
• 250 Sofas und mehr: Über die Stärkung eines Lieferanten im Kosovo durch den Objekteinrichter Foness (corporAID Magazin Ausgabe 93, Winter 2021/22)
• Rückholung des Waldes: Über ein Aufforstungsprojekt im Kosovo durch den Zellulosefaserkonzern Lenzing (corporAID Magazin Ausgabe 92, Herbst 2021)
• Weide statt Kohle: Über dem Ausbau des Biomassemarkts in Serbien durch ein internationales Konsortium unter der Führung von E3 International (corporAID Magazin Ausgabe 91, Sommer 2021)
• Fenster für Innovationen über die Unterstützung des Sozialunternehmerförderers Ashoka Austria beim Transfer erfolgreicher Tools nach Ostafrika (corporAID Magazin Ausgabe 90, Frühjahr 2021)
• Hören können! über die Einrichtungen eines breiten Angebots im Bereich Hörgesundheitin Bangladesch und der Elfenbeinküste durch den Hörimplantatehersteller MED-EL (corporAID Magazin Ausgabe 89, Winter 2020)
• Hygiene am Bauernhof über Marktvorbereitungen der Firma Calvatis in Brasilien (corporAID Magazin Ausgabe 88, Herbst 2020)
• App hilft beim Thema Nr. 1 über eine Covid-19-Beratung für Ärzte und Pfleger in Entwicklungsländern durch MedShr (corporAID Magazin Ausgabe 87, Sommer 2020)
• Nutzen statt Verbrennen über das Lobbying für Fackelgas statt importiertem Diesel im Verkehr in Nigeria durch ETEFA (corporAID Magazin Ausgabe 86, Frühjahr 2020)
• Fachkräfteschmiede über den Aufbau einer Ausbildungsstätte für technische Berufe im Kosovo durch Hysni Ymeri (corporAID Magazin Ausgabe 85, Anfang 2020)
• Cashew-Business über den Aufbau einer lokalen Verarbeitung von Öko-Nüssen in Tansania durch Umweltberater Paul Schreilechner