Lateinamerika bietet österreichischen Unternehmen Potenzial in Schlüsselbranchen wie nachhaltige Energien, Rohstoffe und Technologie. Der Latin America Day der WKÖ zeigt, wie heimische Betriebe durch Diversifizierung und Innovation in diesen Märkten Fuß fassen können. Expertinnen und Wirtschaftstreibende teilen wertvolle Einblicke und Zukunftschancen für den Export nach Lateinamerika.
Die Entfernung ist groß: Zwischen Brasilien und Österreich liegen rund 15 Flugstunden, mehr als 10.000 Kilometer trennen Mexiko City von Wien. Dennoch lohnt es sich, den Scheinwerfer auf die Märkte Lateinamerikas zu richten. Mit rund 660 Mio. Menschen leben rund acht Prozent der Weltbevölkerung zwischen Patagonien im Süden und dem Rio Grande im Norden.
„Wir sprechen von einer Region, die zwar geografisch weit entfernt, uns aber kulturell und wirtschaftlich nahe ist. Die Märkte Lateinamerikas sind komplex in der Marktbearbeitung und gleichzeitig homogen in der Kommunikation – mit zwei Sprachen erreicht man 660 Mio. Menschen“, weiß Marco Garcia, Regionalmanager Amerika bei der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA der WKÖ. Während von wichtigen europäischen Märkten nur schwache Wachstumsimpulse ausgehen und geopolitische Blockbildungen den Welthandel verändern, adaptieren immer mehr Betriebe ihre Internationalisierungsstrategie.
Exporte in etablierten Schwerpunktbranchen nach Südamerika ausbauen
Die Devise lautet: Absatzmärkte diversifizieren und neue Zukunftsmärkte erschließen. Gerade mit Blick auf Lieferketten oder die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen ist der Blick über den europäischen Tellerrand wichtiger denn je. Rohstoffe wie Lithium, Niobium oder Silizium-Metall sind wichtige Bausteine für die grüne Wende. Und hier spielt Lateinamerika eine entscheidende Rolle auf den Weltmärkten: Fast zwei Drittel des weltweiten Lithium-Vorkommens liegen in Südamerika, die Region ist aber auch ein wichtiger Lieferant von anderen essenziellen Mineralien und Edelmetallen. Aber auch in der Land- und Forstwirtschaft ist Lateinamerika ein wichtiger Partner für Europa: Vielen ist nicht bewusst, dass Spargel aus Peru, organischer Wein, Honig und Olivenöl aus Argentinien und Acai aus Brasilien in vielen europäischen Produkten schon heute zu finden sind und die nachhaltige Grundversorgung in Europa unterstützt. Gleichzeitig erfüllen schon heute viele Länder die strengen Vorschriften der EU, um den Nachweis der Lieferketten zu erfüllen.
Laut Analyse der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA erstreckt sich das Potenzial für Österreichs Exportunternehmen quer über alle Sektoren: von landwirtschaftlichen Maschinen bis High-Tech- und Innovationslösungen für bzw. mit Startups. Die Modernisierung der Industrie hat in Brasilien oder auch Mexiko die Nachfrage nach Maschinen erhöht, in Argentinien steigt der Bedarf an landwirtschaftlichen Maschinen und in Chile nimmt das Marktvolumen für Bergbauausrüstung und Maschinen wegen höherer Rohstoffpreise zu. Mexiko hat sich zu einem spannenden Markt für die Automobilzulieferindustrie entwickelt. „Investieren in Mexiko ist auch für österreichische Unternehmen attraktiv, vor allem, wenn sie von dort in die USA liefern“, erklärt die WKÖ-Wirtschaftsdelegierte in Mexiko City, Nella Hengstler.
Schon jetzt leben in Südamerika 80 Prozent der Gesamtbevölkerung in urbanen Gebieten. „Bis 2050 soll die Urbanisierungsquote auf 90 Prozent steigen. Das Wachstum der Mega-Cities bringt enorme Herausforderungen mit sich: Unzureichende Wasserversorgung, Luftverschmutzung, Abfall- und Abwasserentsorgung sind einige der Herausforderungen, die mit Know-how und Technologie aus Österreich gelöst werden können“, erklärt Garcia. Die globale Energiewende ist auch Lateinamerika zunehmend spürbar. Die Mehrzahl der Länder forciert zunehmend umweltfreundliche Energieträger. Hier kann Österreichs Wirtschaft mit ihrer Erfahrung punkten. Weiterer Schwerpunkt ist der Ausbau der Infrastruktur: In Chile, Brasilien oder Kolumbien wurden und werden riesige Summen investiert, um moderne Verkehrssysteme in Städten zu errichten, Autobahnen zu bauen oder den Schienenverkehr weiter auszubauen. WKÖ-Wirtschaftsdelegierter in São Paulo Günther Sucher: „Brasilien investiert kräftig in die Infrastruktur und das bedeutet Geschäftschancen für österreichische Zulieferer.“
Darüber hinaus ist Südamerika ein bevölkerungsreicher Kontinent mit einer jungen und in vielen Bereichen gut ausgebildeten Bevölkerung, während die demografische Entwicklung in Europa den Fachkräftemangel verstärkt. Die WKÖ hat daher die Internationale Fachkräfte-Offensive ins Leben gerufen, um Fachkräfte aus Drittstaaten für den Arbeitsstandort Österreich zu gewinnen. Brasilien zählt mit seinem Potenzial an Arbeitskräften in Bereichen wie Gastronomie und Tourismus, Krankenpflege oder IT zu den Fokusländern dieser Initiative. In Argentinien können durch das Doppelstaatsbürgerphänomen viele Menschen angesprochen werden, die schon jetzt EU-Staatsbürger sind und daher leicht integriert werden können.
Österreichische Exporte durch Erschließung neuer Wachstumsbranchen diversifizieren
Österreichs Exportwirtschaft konnte ihre Ausfuhren in die Länder Lateinamerikas in den vergangenen zehn Jahren deutlich steigern. Die zwei für Österreich mit Abstand wichtigsten Exportmärkte sind Mexiko und Brasilien, gefolgt von Chile, Argentinien und Kolumbien. Erwähnenswert ist auch die Wirtschaftsunion Mercosur, die mit 270 Mio. Einwohnern halb so groß ist wie die EU. Große europäische Autoproduzenten produzieren vor Ort nur für diese Region. Im Vorjahr kratzten die Warenexporte mit 3,96 Milliarden Euro erstmals an der 4 Milliarden-Euro-Marke. Das bedeutet aber auch, dass die rot-weiß-roten Lateinamerika-Exporte derzeit nur rund zwei Prozent der gesamten Exportleistung ausmachen. Zum Vergleich: Das entspricht etwas ungefähr der Exportleistung nach Slowenien oder Rumänien. Analysen des International Trade Center (ITC) weisen für heimische Unternehmen in den Ländern Lateinamerikas ein zusätzlich nutzbares Exportpotenzial von rund 2,8 Mrd. US-Dollar aus.
Wo und wie Österreichs Exportwirtschaft dieses Potenzial heben kann, ist das große Thema beim Latin America Day, der am 21. Oktober in der Wirtschaftskammer Österreich über die Bühne geht. Erwartet werden mehr als 400 Teilnehmerinnen, aus Wirtschaft, Diplomatie und Wissenschaft aus Österreich und über 20 lateinamerikanischen Staaten. Highlights sind die Keynote von Oliver Stünkel, Politikwissenschaftler, Autor und außerordentlicher Professor an der School of International Relations der FGV in São Paulo, oder dem ehemaligen Gouverneur der Zentralbank Uruguay Ernesto Talvi.
Mit ihrem Netzwerk ist die AUSSENWIRTSCHAFT Austria der WKÖ ist DER erste Ansprechpartner für österreichische Unternehmen, die sich für Lateinamerika interessieren. Sei es beim Aufbau von beruflichen Kontakten, durch Hilfe bei der Geschäftsanbahnung oder durch die Unterstützung durch Experten mit ihren Lokal-, Sprach- und Wirtschaftskenntnissen – AußenwirtschaftsCenter in Mexiko, Brasilien, Chile, Argentinien und Kolumbien stehen für Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite. Selbstverständlich gibt es beim Latin America Day die Möglichkeit für eine persönliche Beratung mit den WKÖ-Wirtschaftsdelegierten.
„Wir sehen hier neue Trends und Wachstumsbranchen: von nachhaltiger Energiegewinnung und E-Mobilität über Kreislaufwirtschaft und Öko-Landwirtschaft bis hin zu Life Sciences und Fin-Tech. Das alles sind neue Potenzialfelder für heimische Exporteure. Wir möchten österreichische Betriebe sensibilisieren für diese neuen Geschäftsfelder und für sie eine Brücke nach Südamerika schlagen“, resümiert Garcia.
Weitere Informationen unter:
Latin America Day 2024:
www.latinamericaday.at
AußenwirtschaftsCenter Mexiko City:
www.wko.at/aussenwirtschaft/mexiko
AußenwirtschaftsCenter São Paolo bzw.
AußenwirtschaftsBüro Rio de Janeiro:
www.wko.at/aussenwirtschaft/brasilien
AußenwirtschaftsCenter Santiago de Chile:
www.wko.at/aussenwirtschaft/chile
AußenwirtschaftsCenter Buenos Aires:
www.wko.at/aussenwirtschaft/argentinien
AußenwirtschaftsCenter Bogota:
www.wko.at/aussenwirtschaft/kolumbie