Autor: Klaus Huhold

Als erstmals ein Neugeborenes in Benin ein kostenloses Hörscreening erhielt, war dies ein absolutes Highlight ihrer Arbeit, sagt Stephanie Unterrieder. Sie ist globale Leiterin der Hearing Healthcare Alliance und Regionalmanagerin für MED-EL, ein Tiroler Familienunternehmen, das Hörimplantate herstellt. MED-EL engagiert sich seit Langem in Entwicklungs- und Schwellenländern und unterstützt dort den Ausbau des Gesundheitssektors, was mittlerweile zur Einführung von Höruntersuchungen für Neugeborene in zehn Ländern Afrikas geführt hat.

Das Kerngeschäft des in Innsbruck ansässigen Unternehmens liegt in der Herstellung hochkomplexer Hörlösungen, insbesondere der Cochlea-Implantate. Diese speziellen Hörsysteme umgehen den nicht funktionierenden Teil des Innenohrs und ermöglichen mittels elektrischer Schallsignale an das Gehirn das Hören. Sie kommen zum Einsatz, wenn herkömmliche Hörgeräte nicht mehr ausreichen und ein chirurgischer Eingriff notwendig wird. Mit rund 2.700 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von etwa 400 Millionen Euro ist MED-EL in diesem Bereich Weltmarktführer.

MED-El baut Kapazitäten auf: Stephanie Unterrieder bei einem Workshop.

Ein wesentlicher Bestandteil dieser Strategie ist die Wirtschaftspartnerschaft mit der Austrian Development Agency (ADA). Das jüngste gemeinsame Projekt hat ein Volumen von knapp vier Millionen Euro und läuft über vier Jahre. Ziel ist es, gemeinsam mit lokalen Stakeholdern in zehn afrikanischen Ländern den Hörgesundheitssektor zu entwickeln.

„Wir investieren stark in Ausbildung und kooperieren beispielsweise mit der Universität Nairobi in Kenia und der Universität Dhaka in Bangladesch. Mit ihnen setzen wir Bachelor-Programme in Audiologie und Sprachtherapie um“, berichtet Unterrieder. Zusätzlich fördert MED-EL das Neugeborenen-Hörscreening, stärkt das Bewusstsein für Hörgesundheit und unterstützt den Aufbau lokaler Institutionen. Bis zum Abschluss des Programms sollen in mehr als 50 Gesundheitszentren regelmäßige Hörscreenings etabliert und zehntausende Kinder untersucht worden sein. 

Erfolgsmodell PPP

Die Wirtschaftspartnerschaft von MED-EL, die von der NGO ICEP beratend begleitet wird, zeigt beispielhaft, wie Public-Private-Partnerships Win-Win-Situationen schaffen können: Ein österreichisches Unternehmen erschließt neue Märkte und leistet zugleich einen sozialen Beitrag. „Eine Wirtschaftspartnerschaft ist ein ideales Instrument, um über das Kerngeschäft hinaus tätig zu sein, die Lebensqualität vieler Menschen zu verbessern und sich gleichzeitig langfristig Märkte aufzubauen, in denen man in fünf bis zehn Jahren die Früchte ernten wird“, sagt Unterrieder. 

Die deutsche Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE) verfolgt das Ziel, das nachhaltige, verantwortungsvolle und effektive unternehmerische Engagement in Entwicklungs- und Schwellenländern zu fördern. Julia Langendorf, die als Handlungsfeldleiterin Afrika bei der AWE tätig ist, sieht in Partnerschaften von privaten Unternehmen und der Entwicklungszusammenarbeit ebenfalls großes Potenzial. „Bei erfolgreichen Projekten vereinen sich die Flexibilität, Agilität und Innovationskraft der Wirtschaft mit der Nachhaltigkeit, dem langfristigen Denken und der politischen Rahmeneinbettung der Entwicklungszusammenarbeit“, betont sie.

Als gelungenes Beispiel nennt sie Mikroqualifizierungen, welche die AWE gemeinsam mit der TUI Care Foundation im Tourismusbereich eingerichtet hat. Diese geben Interessenten in Ländern, in denen es keine formalen Ausbildungsmöglichkeiten für den Tourismussektor gibt, die Möglichkeit, über die flexible Teilnahme an modularen Kursen Zertifikate zu erwerben. Dadurch erhalten Beschäftigte im Tourismus eine teilformalisierte Ausbildung, während Tourismusbetriebe ihren Fachkräftebedarf besser decken können.

Techniktransfer Firmen mit Standorten in Schwellen- und Entwicklungsländern schaffen in Kooperation mit der Entwicklungszusammenarbeit einen Wissenstransfer. So etwa die österreichische Firma Mondi, die Papierfabriken in Afrika betreibt.

Wachstum für Entwicklung

Die Idee, die hinter diesen Partnerschaften steckt, wurde in ihren Grundzügen bereits 1949 vom damaligen US-Präsident Harry Truman in seiner Antrittsrede formuliert: Wirtschaftliches Wachstum und gesteigerte Produktivität sind die Schlüssel für Wohlstand in Entwicklungsländern. Die Rede markierte den Beginn der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, damals noch unter dem Begriff „Entwicklungshilfe“. 

Aufstieg von Ländern

Zwar garantiert Wachstum alleine keine nachhaltige Armutsreduktion, es ist aber die Voraussetzung dafür. Erst durch die mit Wachstum verbundenen höheren Einnahmen können Staaten in Infrastruktur investieren und eigene soziale Sicherungssysteme wie eine umfassende Gesundheitsversorgung und ein funktionierendes Bildungswesen aufbauen. Das gibt Entwicklungsländern die Möglichkeit zu graduieren, also zu Ländern mit mittlerem Einkommen aufzusteigen. Viele asiatische Staaten – etwa Südkorea und Taiwan – haben diesen Weg erfolgreich beschritten und sich von Entwicklungsländern zu hochindustrialisierten Wohlstandsnationen entwickelt. 

Die Privatwirtschaft kann hier mit ihrer Innovationskraft und ihrer Expertise entscheidende Wachstumsimpulse setzen und für einen Kapazitätsaufbau sorgen. Allerdings ist die systematische Einbindung von Unternehmen in die Entwicklungszusammenarbeit ein noch relativ junges Konzept. Deutschland setzt seit Mitte der 1990er Jahre auf Public-Private-Partnerships, in Österreich wiederum führte die Austrian Development Agency im Jahr 2005 das Konzept der Wirtschaftspartnerschaften ein. 

Klares Ziel vonnöten

Die erfahrene Projektmanagerin Langendorf räumt ein, dass solche Kooperationen – bei all dem Potenzial, das sie besitzen – auch Herausforderungen mit sich bringen. Das fange damit an, dass eine gemeinsame Basis zwischen den entwicklungspolitischen Akteuren und dem Unternehmen gefunden werden müsse. „Die Entwicklungszusammenarbeit ist stark von langfristigen politischen Vorgaben geprägt, während Unternehmen oft sehr flexibel auf die sich schnell ändernden Marktbedingungen reagieren müssen“, so Langendorf. Zudem stelle die Vielzahl der Akteure eine weitere Herausforderung dar. Zu den involvierten Unternehmen und den Agenturen für Entwicklungszusammenarbeit kämen nämlich auch die staatlichen Behörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen dazu. „Das macht die Abstimmungsprozesse sehr komplex“, berichtet Langendorf. „Wenn diese dann aber einmal funktionieren, sind es sehr starke Strukturen.“

 

Auch auf einen weiteren Punkt weist Langendorf hin: Damit derartige Public-Private-Partnerships funktionieren, braucht es eine klare Zielsetzung. „Zunächst muss es um ein Thema gehen, das sowohl für die öffentliche Hand als auch für das investierende Unternehmen relevant ist“, betont Langendorf. „Dann braucht es kein globalgalaktisches Denken, sondern eine konkrete Projektidee, für die man eine marktbasierte Lösung finden möchte, um in einem bestimmten Sektor einen Markt zu erschließen.“

„Entscheidend ist auch“, so Langendorf, „dass beide Seiten genügend Ressourcen zur Verfügung haben, die sie diesem Projekt zuteilen können.“ Denn die Finanzierung bleibt eine der größten Hürden. Public-Private-Partnerships bedeuten nämlich keineswegs, dass der Staat private Investitionen einfach subventioniert. Vielmehr kooperiert er mit Unternehmen bei der Umsetzung von entwicklungspolitischen Programmen, stellt teilweise Finanzierungen bereit oder hilft, unternehmerische Risiken abzufedern. 

 

Kurz erklärt

Public Private Development Partnerships

Kooperationen zwischen öffentlichem Sektor und privaten Unternehmen besitzen klare Rahmenbedingungen. 

Public Private Partnerships (PPPs) in der Entwicklungszusammenarbeit sind Kooperationen zwischen dem öffentlichen Sektor und privaten Unternehmen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung. Sie werden in Projekten gebündelt, die sowohl die sozialen Rahmenbedingungen dieser Partnerschaft als auch einen Finanzierungsplan festlegen. Ziel ist es, privatwirtschaftliche Ressourcen – wie Kapital, Know-How und Innovationskraft – mit entwicklungspolitischen Zielen wie Armutsbekämpfung und Kapazitätsaufbau zu verknüpfen. 

Diese Partnerschaften gibt es seit den 1990er Jahren, als entwicklungspolitische Akteure wie die Weltbank oder auch nationale Agenturen damit begannen, den Privatsektor stärker in die Entwicklungszusammenarbeit einzubinden. Das deutsche DeveloPPP-Programm feiert heuer seinen 25. Jahrestag.

In Österreich gibt es das Programm Wirtschaftspartnerschaften seit 20 Jahren. Zwischen 2005 und 2023 erhielten 222 Projekte von der Austrian Development Agency (ADA) Förderungen in Höhe von insgesamt 60 Millionen Euro. Der geografische Schwerpunkt lag dabei in Südosteuropa, gefolgt von Afrika. 

 

Herausforderung Finanzierung 

Gerade die Märkte von Entwicklungs- und Schwellenländern gelten als besonders risikobehaftet, entsprechend fallen die Länder-Ratings aus. Die Österreichische Kontrollbank (OeKB) klassifiziert Länder nach einer Skala von eins (geringstes Risiko) bis sieben (höchstes Risiko). Fast alle Länder in Subsahara-Afrika fallen in die höchsten Risikokategorien. Das schreckt Unternehmen nicht nur ab, sondern erschwert auch Finanzierungen für Projekte in diesen Ländern erheblich. „Solche Ratings sind sehr wirkmächtig“, betont Anna-Katharina Hornidge, Direktorin des German Institute of Development and Sustainability (IDOS), einer der führenden entwicklungspolitischen Denkfabriken in Europa. 

 

Kooperationen zwischen Firmen und Entwicklungszusammenarbeit können hier zu einem De-Risking beitragen. Insbesondere Entwicklungsbanken kann als einer Art von Ankerfinanciers die Rolle zukommen, Projekte in einem risikoreichen Umfeld zu ermöglichen: Durch eine Beteiligung an Finanzierungen – üblicherweise in Größenordnungen zwischen 20 und 30 Prozent – öffnen sie Spielräume für private Kapitalgeber, die von Geschäftsbanken bis zu Investoren reichen. 

„Banken können als Informanten und Broker eine sehr wichtige Rolle einnehmen“, betont Hornidge. „Denn sie haben wertvolle Einblicke, ab wann Projekte finanziell attraktiv sind oder warum Investorinnen und Investoren in ein Projekt einsteigen oder sich wieder zurückziehen.“ 

Wachsende Bedeutung von Privat 

Das Teilen von Risiken ist für Unternehmen mitunter das wichtigste Anliegen an die Entwicklungszusammenarbeit. Und es ist auch häufig Voraussetzung für ein Engagement der Privatwirtschaft im Entwicklungsbereich. 
 
Dieses wird in Zukunft wiederum verstärkt gefragt sein, meint Hornidge. Um nämlich die Agenda 2030 – also die von den Vereinten Nationen vorgegebenen Ziele für nachhaltige Entwicklung, zu denen sich die EU nach wie vor bekennt – zu verwirklichen, „werden große Summen nötig sein. Diese können nicht allein öffentlich mobilisiert werden.“
 
Zumal sich mit den Vereinigten Staaten der größte einzelstaatliche Geldgeber verabschiedet hat. 65 Milliarden Dollar an Entwicklungsgeldern haben die USA alleine im Jahr 2024 noch bereitgestellt. Nun hat die Administration von Präsident Donald Trump die Entwicklungsagentur USAID gänzlich zerschlagen und verkündet, dass 83 Prozent der Programme gestrichen sind, weil sie nicht mit der America first-Politik des Präsidenten übereinstimmen. 
 
Aber auch in vielen europäischen Ländern steigt der Spardruck auf die Budgets, weshalb die Zuwendungen für die Entwicklungszusammenarbeit sinken. Frankreich hat im vergangenen Jahr seine Förderungen um 18 Prozent, das waren insgesamt 800 Millionen Euro, gekürzt, Großbritannien hat seine Aufwendungen von 15 auf 10 Milliarden Pfund heruntergefahren. Zuletzt haben die Niederlande angekündigt, ab 2027 ihre Entwicklungsgelder um 2,4 Milliarden Euro, das ist ein Drittel des bisherigen Budgets, zu kürzen. 
 
Wie die künftige österreichische Regierung mit diesem Thema umgehen wird, wird sich weisen, formal hält sie in ihrem Programm vage an dem bisher noch nie erreichten Ziel fest, rund 0,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts für Entwicklungszusammenarbeit aufzubringen.
 
Ausgaben für Entwicklungsbudgets sind in Zeiten, in denen die Wirtschaft in vielen europäischen Ländern stagniert und das Sozialsystem unter Druck steht, schwieriger zu argumentieren. Doch ist Entwicklungspolitik nicht einfach ein Transfer von Steuergeldern in Entwicklungs- und Schwellenländer – wie es in der öffentlichen Debatte gerade von ihren Gegnern dargestellt wird. „Sie ist eine Mischung aus Eigeninteressen und globaler Solidarität“, sagt Hornidge. 
 
Entlastung für Umwelt - Wirtschaftspartnerschaften können auch für eine Schonung von Ressourcen sorgen:
Die steirische Firma Komptech errichtet in Ghana Müllanlagen und schult Fachkräfte für den Umgang mit Geräten.

Austausch statt Protektionismus  

Genau an dieser Schnittstelle kann funktionierenden Public Private Partnerships eine entscheidende Rolle zukommen – eben weil derartige Partnerschaften den eigenen Unternehmen neue Märkte und Profitmöglichkeiten eröffnen, während sie den Partnerländern sozialen Impact und wirtschaftliche Impulse bringen. Darüber hinaus halten sie in einer Zeit, in der der Protektionismus immer stärker wird und internationale wirtschaftliche Beziehungen als Nullsummenspiel betrachtet werden, die Idee hoch, dass wirtschaftlicher Austausch auf beiden Seiten Gewinner bringen kann – ein Effekt, für den es viele Beispiele gibt, und ein wichtiges Argument, um gegenüber einer zusehends skeptischen Öffentlichkeit die Verwendung von öffentlichen Geldern für Entwicklungszusammenarbeit zu begründen. 

Langfristige Perspektive

Wie hoch die Ansprüche sind, die beteiligte Akteure oder auch die Öffentlichkeit an Public-Private-Partnerships stellen, sei aber eine „Frage des Erwartungsmanagements“, meint Langendorf. Sie können nicht Aufgaben des Staates ersetzen oder übernehmen. Aber sie können für ein bestimmtes Investitionsklima und Trickle-Down-Effekte sorgen. „Wenn ein Investor einen Windpark errichtet, benötigt er ein funktionierendes Stromnetz. Wenn sich Firmen in einem Land ansiedeln wollen, benötigen sie qualifizierte Arbeitskräfte.“ 
 

Derartige Anforderungen können etwa für ein besseres Ausbildungs- und Schulsystem sorgen, das den Menschen mehr Chancen gibt, in ihren Ländern in sichere und gesunde Arbeitsverhältnisse zu gelangen. „Das sind Effekte, die man mit einer gut strukturierten Zusammenarbeit mit der Wirtschaft erreichen kann“, sagt Langendorf. „Das geschieht aber freilich nicht sofort, dafür braucht es eine langfristige Perspektive.“