Meinung

Wurschtigkeit statt Interessen

Christoph Eder, corporAID

Ausgabe 105 – Winter 2024/25

Entwicklungspolitik sollte kein Altruismus sein, sondern ein strategisches Instrument, wenn es um Themen wie Klimaschutz oder das Vorgehen gegen irreguläre Migration geht. Dazu kommt der wirtschaftliche Nutzen: Neue Absatzmärkte könnten mitgestaltet werden, was insbesondere in Zeiten schwächelnder traditioneller Partner wie Deutschland essenziell ist.

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Christoph Eder, Chefredakteur

Die Koalitionsverhandlungen in Österreich stehen unter einem prägenden Motto: Es muss gespart werden. Das ist insofern vernünftig, als dass die Politik ihren Handlungsspielraum erhalten und mit Gestaltungsanspruch Schwerpunkte setzen statt Löcher stopfen sollte. Ebenso sicher wie das Sparen ist: Entwicklungspolitik wird bei den Regierungsverhandlungen keine Rolle spielen. Denn schon bisher zählte dieses Politikfeld nicht zu den Prioritäten. Die Mittel für globale nachhaltige Entwicklung sind im internationalen Vergleich eher bescheiden und haben sich in den vergangenen Jahren abgesehen von der Humanitären Hilfe nicht substanziell verändert. Dass diese wiederum bestenfalls eine Verschubmasse im Budgetpoker darstellen, darf daher nicht überraschen.

Das ist schade, denn Österreich profitiert gerade als kleines, exportorientiertes Land von globaler Entwicklung. Entwicklungspolitik ist daher auch kein Altruismus, sondern ein strategisches Instrument, wenn es um Themen wie Klimaschutz oder das Vorgehen gegen irreguläre Migration geht. Dazu kommt der wirtschaftliche Nutzen: Neue Absatzmärkte könnten mitgestaltet werden, was insbesondere in Zeiten schwächelnder traditioneller Partner wie Deutschland essenziell ist.

Außenminister Schallenberg hat unlängst anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Austrian Development Agency betont, dass die nicht einfachen globalen Umstände erforderten, die heimische Entwicklungspolitik neu zu kalibrieren und dabei unsere Werte und Interessen stärker in den Fokus zu rücken. Damit bringt er das wesentliche Problem auf den Punkt: Gerade weil wir Entwicklungspolitik unabhängig von unseren Interessen betrachten, wird sie zu oft als verzichtbar angesehen und nur so weit bespielt, dass man international nicht schlecht auffällt. Folglich fehlt ein langfristiger strategischer Ansatz, der sowohl nationale Interessen als auch globale Verantwortung verbindet.

Gleichzeitig wäre eine stärker interessensorientierte Entwicklungspolitik auch weniger abhängig von aktuellen politischen Befindlichkeiten. Der Blick in die USA zeigt, dass die Grundausrichtung der Entwicklungspolitik unter Trump letztlich kaum anders als unter Obama oder Biden war. Der Grund liegt in der klaren Definition nationaler Interessen, die – abseits der politischen Rhetorik – als Konstante bestehen bleiben.

Auch Österreichs Beitrag zu globaler nachhaltiger Entwicklung wird aller Voraussicht nach von Kontinuität geprägt bleiben. Grund dafür sind aber nicht unsere konstanten Interessen, sondern unsere konstante Wurschtigkeit. In einer Zeit vielfältiger globaler Herausforderungen ist das nicht sehr vernünftig.