Mitten in einer Weltregion, die nicht wenig von politischer Gewalt, Rechtsunsicherheit und Bürokratie geprägt ist, stechen Panama und Costa Rica als vergleichsweise stabile und offene Volkswirtschaften hervor. Beide Länder haben in den vergangenen Jahrzehnten Reformen vorangetrieben, ihre Infrastruktur ausgebaut und ein investitionsfreundliches Klima geschaffen. Beide Märkte haben zugleich ihre Eigenheiten – und stellen insbesondere europäische Unternehmen vor Herausforderungen, wenn es um Preiswettbewerb, lokale Netzwerke und kulturelle Gepflogenheiten geht. Nella Hengstler, die für beide Länder zuständige Wirtschaftsdelegierte der WKO in Mexiko (siehe auch Interview rechts), fasst zusammen: „Auch wenn der erste Eindruck trügt, sind Panama und Costa Rica mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 85 Milliarden US-Dollar aktuell gleichauf. Dabei punktet Panama vorwiegend als Handels- und Finanzzentrum. Costa Rica hingegen setzt auf Diversifizierung, bekommt nun aber die globale Verunsicherung und eine schwächere Inlandsnachfrage zu spüren.“

Logistikhub mit Baustellen
Panama, flächenmäßig kleiner als Serbien, ist wegen seiner Brückenlage zwischen Nord- und Südamerika und mit dem berühmten Panama-Kanal als Verkehrsverbindung zwischen Atlantik und Pazifik ein Handelsdrehkreuz der Sonderklasse. Abgesehen von Einnahmen aus dem Kanalbetrieb profitiert Panama vom Flugverkehr, von Eisenbahnverbindungen und Freihandelszonen. Auch die Finanzbranche und der Tourismus tragen zum Bruttoinlandsprodukt bei. Aktuell hofft die Regierung, ausreichend Maßnahmen gesetzt zu haben, um vom Verdacht der systematischen Geldwäsche befreit und von schwarzen Listen der EU gestrichen zu werden – Stichwort Panama-Papers.
Andere Herausforderungen bleiben. Neben Sorgen rund um den Wasserstand des Kanals und dringendem Bedarf an Nachrüstungen zeigen sich strukturelle Probleme in Form von sozialen Spannungen, Streiks und Umweltkonflikten. Letztere führten vor zwei Jahren zur Schließung eines einträglichen Kupferbergwerks. Und Chiquita, das 90 Prozent der nationalen Bananenproduktion kontrolliert – Bananen sind das wichtigste Exportgut des Landes –, hat wegen laufender Streiks erst kürzlich Massenentlassungen umgesetzt und den Betrieb eingestellt. Fakt ist: Derzeit lebt jeder Zehnte im Land unterhalb der Armutsgrenze, informelle Arbeit ist weit verbreitet, die Einkommensschere groß. Das Pro-Kopf-Einkommen ist mit fast 19.000 Dollar vergleichsweise hoch: Nach OECD-Vorgaben wird Panama den Schwellenlandstatus demnächst ablegen.
Interview mit Nella Hengstler, WKÖ
Lebendige Volkswirtschaften
Grüne Welle für die Tropen-City
Das österreichische Unternehmen Kapsch TrafficCom hat frühzeitig auf die strategische Bedeutung Panamas gesetzt. Der Einstieg erfolgte vor zehn Jahren über den Kauf einer spanischen Firma mit starker Präsenz in Lateinamerika. Heute ist das Unternehmen mit Lösungen in den beiden Kernbereichen Mautsysteme und Verkehrsmanagement vor Ort gut aufgestellt. „Panama ist eine einzigartige Drehscheibe für den weltweiten Handel und muss sehr darauf achten, ein sicheres und gut funktionierendes Land zu sein“, sagt Samuel Kapsch, der mehrere Jahre den Lateinamerika-Bereich verantwortete und mittlerweile als Vorstand in Wien tätig ist.
Kapsch setzte in Panama City mehrere Aufträge zur Einrichtung adaptiver Ampelsysteme sowie zur Modernisierung der zentralen Verkehrsüberwachung um. Das Ziel: den Verkehrsfluss optimieren, Staus minimieren. Auch wurden Autobahnen mit modernen Mautsystemen ausgestattet. „Die Kooperation mit lokalen Ingenieurbüros und Verkehrsplanern ist für uns erfolgsentscheidend“, erklärt Samuel Kapsch, der Lateinamerika mit einem 300-köpfigen Team bearbeitet. „Wir zählen auf diese Partner in allen Phasen des Projekts: von der Planung über die Installation bis hin zur Wartung.“ Besonders in Märkten mit überschaubarem Projektvolumen sei es zudem sinnvoll – so eine weitere Erfahrung aus dieser Region –, bestehende lokale Lösungen, auch Hardwarekomponenten, in das eigene System zu integrieren.
In Costa Rica ist Kapsch ebenfalls vertreten, wenn auch in geringerem Ausmaß, entsprechend den bescheideneren verkehrstechnischen Ansprüchen. Gemeinsam mit einem lokalen Partner wurde dort eine Mautlösung für eine der Hauptverkehrsachsen des Landes entwickelt. Schrankenlose Systeme wie in Europa gibt es noch nicht, doch das Ziel sei, innovative Technologien schrittweise einzuführen.
Länderprofil Costa Rica und Panama
Ungleiche Nachbarn
Panama und Costa Rica zählen zu den kleinsten Ländern Zentralamerikas, sind aber die bei Weitem entwickeltsten und dynamischsten Volkswirtschaften der Region – mit verschiedenen Stärken.

Nachhaltigkeit trifft Hightech
Während sich Panama als logistische Brücke profiliert, bringt das noch kleinere Nachbarland Costa Rica mit Natur, gut ausgebildeten Arbeitskräften, politischer Stabilität und einer konsequenten Ausrichtung auf Nachhaltigkeit andere Stärken ins Spiel. Mehr als ein Viertel der Landesfläche steht unter Naturschutz, die Abholzung ist gesetzlich verboten. Die grüne DNA soll dabei nicht nur Touristen, sondern auch Unternehmen anziehen, die hohe Umweltstandards vertreten oder Lösungen für Umweltanliegen bieten. Das Konzept geht auf. Costa Rica hat sich in den vergangenen Jahren zum zweitgrößten Exporteur von Hightech-Gütern und wissensbasierten Dienstleistungen in Lateinamerika entwickelt – vor allem in den Bereichen Elektronik und Medizintechnik. Ihren Reformwillen hat die Regierung mit dem OECD-Beitritt des Landes 2021 nochmals bekundet. Dennoch: Mit einer Armutsquote von rund 20 Prozent – insbesondere in städtischen Gebieten – bleibt auch Costa Rica ein Land mit Herausforderungen.

Etablierte Anbieter
Die Vorreiterrolle Costa Ricas als grüne Ökonomie lässt sich am Energiesektor veranschaulichen: Das Land erzeugt 98 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen, vor allem Wasserkraft. Hier hat sich schon vor mehr als hundert Jahren ein Aufgabenfeld für Andritz eröffnet, wie Senior Vizepräsident Alexander Schwab bezeugt. Seither hat Andritz mehr als 1.300 Megawatt an elektromechanischen Ausrüstungen im Land installiert oder modernisiert, darunter 68 Turbinen. Prestigeprojekt ist Reventazón, das größte Wasserkraftwerk Zentralamerikas mit 323 Megawatt Leistung. Andritz ist auch in Panama aktiv und hat dort hauptsächlich für Kleinwasserkraftwerke Planungen erstellt sowie Ausrüstung geliefert oder modernisiert, insgesamt für mehr als 1.100 Megawatt. Andritz betreut den zentralamerikanischen Markt dabei von Mexiko aus, wo es eine eigene Tochtergesellschaft gegründet hat.

Daneben hat die österreichische Waagner-Biro Bridge Systems einen deutlichen Footprint in Costa Rica hinterlassen. Vertriebsleiter Carlos Arias, Bauingenieur aus Kolumbien, betreut das Lateinamerika-Geschäft von London aus, in Costa Rica und Umgebung ist er mindestens zweimal im Jahr auf Kundenbesuch. Nach Costa Rica hat Waagner-Biro hunderte Meter modulare Stahlbrücken geliefert. Zu den Flaggschiffprojekten zählen neun Bailey-Brücken für die Route 1865 durch den Dschungel entlang der Grenze zu Nicaragua sowie zwei Fachwerkbrücken auf der Route 321, die auch Tropenstürmen standhalten. Die Brücken werden vorgefertigt, in Containern geliefert und von lokalen Baufirmen im Auftrag der jeweiligen Behörden errichtet, erklärt Arias.
„Unser Produkt ist einfach zu verstehen und einfach zu installieren. Wir sind vor Ort inzwischen gut bekannt.“ Ein zweiter Erfolgsfaktor ist der lokale Vertriebspartner: „Er ist für uns Augen und Ohren im fernen Land.“ Dass Beschlüsse in Costa Rica dauern und bürokratische Abläufe aufwändig sind, schreckt Arias nicht. Er setzt auf engen Kundenkontakt und langfristige Zusammenarbeit. Für die Markterschließung in Panama laufen die Vorbereitungen seit dem Vorjahr.

Wenn der Preis entscheidet
Deutlich härter ist der Wettbewerb bei technischer Ausrüstung. Dies können zwei österreichische Firmen bezeugen. Für den Hersteller von Brechern und Siebanlagen, Rubble Master, arbeitet Handelsvertreter Ander Neuburger – er hat mehrere Jahre in Lateinamerika gelebt – von Lissabon aus, verbringt jedoch weiterhin viele Wochen im Vertriebsgebiet. Er hat – wie überall sonst auch – den Einstieg in diese Länder über lokale Baumaschinenhändler gesucht, die ihn zu Kunden begleiten und das Service und die Nachbetreuung der Kunden übernehmen können. Insgesamt sind heute vier Rubble Master-Maschinen in Costa Rica und zwei in Panama im Einsatz, vor allem zum Brechen von Naturstein als Material für den Straßenbau – der große Durchbruch blieb aber aus. Gründe sieht er in den kleinen Marktvolumina, den langen Vorlaufzeiten für Bauprojekte und dem starken Wettbewerb durch gebrauchte Maschinen aus den USA. „Wir haben es hier nicht mit Mexiko oder Brasilien zu tun“, hält Neuburger fest. Dass in El Salvador inzwischen mehr Maschinen stehen als in Panama und Costa Rica zusammen, erklärt er dadurch, dass dort einfach mehr gebaut wird.

Konkurrenz aus China
Michael Sörgel, Sales Manager von Eglo Leuchten mit Spanisch als Muttersprache, kann Ähnliches berichten. Sein Unternehmen gründete 2017 eine eigene Vertriebsgesellschaft in Costa Rica, um von da aus die gesamte Region vor allem über Baumärkte zu versorgen. Allerdings ließen sich Mitbewerber in einer Freihandelszone in Panama nieder und schwemmten den Markt mit Billigware aus China. Der Nachhaltigkeitsgedanke, den sich Costa Rica auf die Fahnen schreibt, tritt im Alltag angesichts des billigeren Produkts leider in den Hintergrund. Eglo setzt auf FSC-zertifizierte, umweltfreundlich produzierte Leuchten – doch dafür gibt es nur eine kleine Zielgruppe. Einzelne Großaufträge internationaler Kunden – zum Beispiel Hotels – konnten den Verbleib einer eigenen Vertriebsgesellschaft nicht rechtfertigen. Die Konsequenzen sind bereits gezogen. Der lokale Direktverkauf wurde einem Franchiseunternehmen übergeben, der Vertrieb mit der seit fast zwanzig Jahren bestehenden Niederlassung in Mexiko zusammengeführt. „Das ist insofern schade, als wir den Zollfrei-Bonus von Costa Rica verlieren und sich unsere Produkte durch den 17-prozentigen Zoll in Mexiko verteuern“, erklärt Sörgel.
Die Pros und Cons von Costa Rica fasst er so zusammen: „Der Markt ist sehr offen und zugleich sehr preissensibel – jeder kann auf eine Messe nach China fahren und sich das Gewünschte im Container liefern lassen. Dazu ist in keinem Land Lateinamerikas das Lohnniveau so hoch wie in Costa Rica.“ Der Mindestlohn lag zuletzt bei 728 Euro. Ein Lichtblick bleibt: „Was wir auch gesehen haben: So oft wir unsere Ware unter Designed in Austria oder Austrian Manufacturer promotet haben, kam das gut an. Österreich ist eine Marke, der die Leute vertrauen.“
Nella Hengstler hat als Wirtschaftsdelegierte etliche Unternehmen auf diese Märkte begleitet. Ihr Fazit: „Lokale Partnerschaften sind oft der Schlüssel zum Erfolg – idealerweise mit Vertriebspartnern, die auch verlässlichen Service bieten. Österreichische Qualität wird geschätzt, wenngleich der Preisfaktor den Kundenkreis einschränkt.“ Doch auch das gelte: Österreichische Unternehmen wissen mit Flexibilität und kultureller Anpassungsfähigkeit zu überzeugen – ein klarer Vorteil in komplexen Märkten.