Sabine Gaber und Steffen Suhany lenken als Co-Vorstände die Geschicke der Oesterreichischen Entwicklungsbank OeEB.
Herr Suhany, was hat Sie dazu bewogen, die neue Rolle bei der OeEB zu übernehmen?
Suhany: Ich war 20 Jahre bei der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft DEG tätig, nachdem ich zuvor im privaten Bankensektor gearbeitet habe. Entwicklungsbanking hat für mich einen ganz besonderen Reiz, weil es nicht nur um das klassische Bankgeschäft geht, sondern um „Banking mit Sinn“. Es gibt nichts Erfüllenderes, als an Projekten mitzuwirken, die einen echten gesellschaftlichen und ökonomischen Mehrwert schaffen. Entwicklungsbanken unterstützen nicht nur Unternehmen, sondern ganze Volkswirtschaften in ihrer nachhaltigen Entwicklung. Die OeEB habe ich von Anfang an verfolgt, als Schwesterinstitution der DEG hatten wir immer wieder Berührungspunkte. Was die OeEB in so kurzer Zeit erreicht hat, ist beeindruckend. Daher war es für mich klar: Wenn ich noch einmal eine ganz neue berufliche Herausforderung annehme, dann wieder bei einer Entwicklungsbank wie der OeEB.
Frau Gaber, Sie sind seit der Gründung vor rund 15 Jahren bei der OeEB tätig. Wie sehen Sie die Entwicklung der Bank?
Gaber: Am Anfang standen wir vor der Herausforderung, dass das Modell der Entwicklungsfinanzierung in Österreich noch nicht verankert war. Mittlerweile haben wir ein Portfolio von 1,7 Mrd. Euro aufgebaut. Und während wir zu Beginn vor allem mit Kofinanzierungen gearbeitet haben, haben wir etwa im Vorjahr mehr als 80 Prozent unserer Projekte selbst strukturiert. Zudem sind wir heute die größte Klimafinanzierungsinstitution in Österreich. Zunehmend wichtig wird die Mobilisierung von Privatkapital. Die öffentlichen Haushalte in Europa sind stark belastet, es braucht also vermehrt private Investoren, die in Entwicklungsländern investieren. Hier spielen wir eine Schlüsselrolle, indem wir Fonds auflegen, die sowohl öffentliche als auch private Mittel, primär von institutionellen Investoren, mobilisieren, um Projekte in Entwicklungsländern zu finanzieren. So arbeiten wir gerade mit einem österreichischen Partner an einem neuen Klimafonds, für den wir bis Ende des zweiten Quartals im kommenden Jahr 100 Mio. Euro von deutschen und österreichischen Investoren einsammeln wollen. Das Geld wird in verschiedene Zielfonds investiert, die unternehmerische Klimaprojekte finanzieren.
Herr Suhany, was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für eine Entwicklungsbank wie die OeEB?
Suhany: Entwicklungsbanken arbeiten in einem extrem heterogenen Umfeld. Jedes Land, in dem wir tätig sind, hat unterschiedliche Herausforderungen – sei es politisch, wirtschaftlich oder gesellschaftlich. Das bedeutet, dass wir sehr flexibel sein müssen, um die passenden Lösungen zu finden. Im Gegensatz zu einer traditionellen Bank, die standardisierte Produkte anbietet, müssen wir maßgeschneiderte Lösungen für jede Situation entwickeln. In einem Projekt geht es um Fremdkapital, im nächsten um Eigenkapital, und jedes Mal sind die Bedingungen anders. Die OeEB hat es geschafft, trotz ihrer vergleichsweise geringen Größe sehr vielseitig zu arbeiten. Das Team hat ein hohes Maß an Expertise entwickelt, um in verschiedenen Ländern und Sektoren erfolgreich zu sein. Aber auch wenn der Markt, in dem wir agieren, riesig ist und es viele Investitionsmöglichkeiten gibt, müssen wir zugleich sicherstellen, dass die Republik Österreich bereit ist, die entsprechenden Haftungsrisiken zu tragen. Das erfordert eine enge Abstimmung und ein gutes Verständnis für die politischen Rahmenbedingungen.
Die OeEB hat sich zuletzt stark in Afrika engagiert. Wie unterstützt die Bank österreichische Unternehmen dabei, in herausfordernden Märkten Fuß zu fassen?
Gaber: Afrika ist ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Seit einigen Jahren setzen wir die Afrikafazilität des Finanzministeriums um, die speziell darauf abzielt, österreichische KMU zu unterstützen, die in Afrika investieren wollen. Diese Fazilität hilft dabei, Projekte zu finanzieren, die für traditionelle Banken zu risikoreich wären. Unser Ziel ist es, diesen Unternehmen den Zugang zu neuen Märkten zu erleichtern, indem wir nicht nur finanzielle Mittel bereitstellen, sondern sie auch durch den gesamten Prozess begleiten. Die österreichische Unternehmenslandschaft ist stark von KMU geprägt, die oft nicht die nötigen Ressourcen oder das entsprechende Know-how haben. Hier kommen wir ins Spiel: Wir bieten nicht nur Kredite an, sondern auch intensive Beratung, um sicherzustellen, dass diese Unternehmen gut vorbereitet sind und ihre Projekte erfolgreich umsetzen können. Mittlerweile wurden die Mittel der Afrikafazilität vom Finanzministerium von 10 auf 30 Mio. Euro aufgestockt, sieben Projekte aus unterschiedlichen Sektoren wurden bereits finanziert und begleitet.
Die österreichische Entwicklungsbank
Enabler für Entwicklung
Die OeEB wurde 2008 als Entwicklungsbank der Republik Österreich gegründet. Die hundertprozentige Tochter der Oesterreichischen Kontrollbank OeKB arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen mit dem Ziel, die Lebenssituation der Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern zu verbessern. Als Spezialinstitut finanziert sie private Investitionsvorhaben, die sowohl wirtschaftlich als auch entwicklungspolitisch sinnvoll sein müssen. Projektbegleitend werden Programme unterstützt, mit denen zusätzliche Entwicklungseffekte erzielt werden. Mit rund 70 Mitarbeitenden verantwortet die OeEB ein Portfolio von 1,7 Mrd. Euro. Im Geschäftsjahr 2023 wurden insgesamt 25 Transaktionen mit einem Volumen von 390 Mio. Euro unterfertigt, aus Mitteln der Afrikafazilität wurde ein neues Projekt in Höhe von 1,5 Mio. Euro unterschrieben.
Gibt es Potenzial, die Zusammenarbeit mit der österreichischen Wirtschaft zu intensivieren?
Gaber: Ja, es gibt definitiv noch Luft nach oben. Österreich ist im Vergleich erst spät in die Entwicklungsmärkte eingestiegen. Historisch gesehen lag der Fokus auf Südosteuropa, was dazu geführt hat, dass das Interesse an Afrika geringer ausgeprägt war. Wir arbeiten jedoch daran, das zu ändern, und sehen bereits erste Erfolge. Die Nachfrage nach Investitionen in Afrika wächst, und wir sind bereit, diesen Unternehmen die nötige Unterstützung zu bieten.
Wie sehen Sie die Rolle der OeEB in der europäischen Entwicklungsbanken-Community?
Suhany: Aie OeEB ist eine vergleichsweise junge Institution, die sich aber in den vergangenen Jahren einen sehr guten Ruf erarbeitet hat. Wir arbeiten eng mit anderen europäischen Entwicklungsbanken zusammen und sehen uns weniger als Konkurrenten, sondern vielmehr als Partner. Oftmals finanzieren wir Projekte gemeinsam, teilen Risiken und bringen unsere jeweiligen Stärken ein. Die Kooperation zwischen den europäischen Entwicklungsbanken ist wichtig, da die Herausforderungen, vor denen wir stehen, global sind. Ob es um Klimawandel, Armutsbekämpfung oder Infrastrukturentwicklung geht – diese Themen betreffen uns alle.
Welche strategischen Ziele verfolgt die OeEB bis 2030?
Gaber: Unser Fokus liegt auf zwei großen Themen: Klimaschutz und Digitalisierung. Bis 2030 wollen wir in diesen Bereichen signifikante Fortschritte machen. Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, und als Entwicklungsbank sehen wir uns in der Verantwortung, weltweit Projekte zu finanzieren, die zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen.
Gleichzeitig müssen wir unsere internen Strukturen digitalisieren. Bankgeschäfte werden immer komplexer, und wir müssen effizienter werden, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Digitalisierung wird uns helfen, schneller und agiler auf Veränderungen zu reagieren und unsere Prozesse zu optimieren. Es ist wichtig, dass wir als Bank modern bleiben, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein.
Herr Suhany, wie sehen Sie die OeEB im Jahr 2030?
Suhany: Ich sehe die OeEB als eine noch größere und dynamischere Institution, die sich weiteren Innovationen, etwa im Bereich der modernen Finanzdienstleistungen, geöffnet hat. Wachstum ist ein wichtiger Faktor, aber nicht um jeden Preis. Wir wollen nachhaltig wachsen, unsere Prozesse effizienter gestalten und gleichzeitig unsere Werte bewahren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Arbeitsmarkt. Wir werden 2030 noch stärker auf hochqualifizierte und motivierte Mitarbeitende angewiesen sein. Der Wettbewerb um Talente wird härter, und wir müssen sicherstellen, dass wir die besten Köpfe für uns gewinnen. Da könnten wir noch diverser sein, etwa was die Erfahrungsschätze angeht: Dort draußen gibt es bestimmt Meteorologen, die noch nie auf die Gedanken gekommen sind, dass man bei uns einsteigen kann, dass wir Klimaexperten brauchen, die mit Modellen arbeiten können. Wir müssen diese Menschen für uns begeistern.