
In welchen Tech-Bereichen gibt es derzeit Chancen in Afrika?
Ehimuan: Es entstehen gerade viele spannende Geschäftsfelder. Ein sehr großes Potenzial sehe ich im Fintech-Sektor. Unternehmen, die innovative Lösungen für Kreditvergaben, Sparprodukte oder Transaktionen entwickeln und damit einen echten Mehrwert für die Menschen vor Ort schaffen, können großen Erfolg haben. Das liegt auch an der hohen Bevölkerungszahl vieler afrikanischer Länder. Weitere vielversprechende Bereiche sind E-Commerce, Agritech und Logistik.
Können Sie ein Beispiel für erfolgreiche Unternehmen nennen, die diese Marktbedürfnisse erkannt haben?
Ehimuan: Gerne! Ein Beispiel ist Moniepoint, ein Fintech-Unternehmen, das mittlerweile den Unicorn-Status erreicht hat – also mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet wird. Moniepoint hat erkannt, dass Menschen in abgelegenen Regionen ohne traditionelles Bankwesen dringend Zugang zu Finanzdienstleistungen benötigen. Deshalb hat es ein System entwickelt, das es kleinen und mittelständischen Unternehmen erleichtert, Online-Zahlungen abzuwickeln. Das Modell wird ständig verbessert, und mittlerweile ist sogar VISA investiert.
Ein weiteres Beispiel ist Andela. Dieses Start-up bringt afrikanische Entwickler mit spannenden Tech-Projekten weltweit zusammen. Andela hat ein wichtiges Marktbedürfnis identifiziert: Es gibt viel Talent auf dem afrikanischen Kontinent, aber zu wenige Chancen. Durch ihre Plattform schaffen sie genau diese Möglichkeiten.
Wie groß ist das Interesse globaler Investoren am afrikanischen Tech-Sektor?
Ehimuan: Das Interesse wächst, trotzdem ist Afrika für viele Investoren immer noch ein weitgehend unentdecktes Terrain. Viele Unternehmer bekommen zu hören, dass sie sich auf einen „Marathon“ einstellen müssen, wenn sie in Afrika investieren – das kann abschreckend wirken.
Inwiefern?
Ehimuan: Investoren fragen sich, wie lange es dauert, bis sie Gewinne erzielen, ob sie überhaupt rentabel werden und welche Hürden sie überwinden müssen. Dabei kann das Geschäft in Afrika durchaus auch ein „Sprint“ sein – es sind, etwa für Start-Ups, auch schnelle Gewinne möglich. Wir haben Unternehmen erlebt, die in wenigen Jahren etablierte Player überholt haben. Ein gutes Beispiel ist Flutterwave, ein Zahlungsdienstleister aus Kenia, der in nur fünf Jahren zum Unicorn geworden ist und heute drei Milliarden Dollar wert ist. Das zeigt, welche unternehmerische Dynamik auf dem Kontinent herrscht.
Was macht eine Innovation erfolgreich?
Ehimuan: Eine Innovation muss eine Lösung bieten für ein reales Problem. Entscheidend ist weiters, dass sie nicht nur theoretisch funktioniert, sondern tatsächlich von den Nutzern angenommen wird.
Und was lässt Innovationen scheitern?
Ehimuan: Wenn man sich zu sehr im Konzept verliert oder sich ihr vom falschen Ort aus annähert. Eine Innovation kann noch so vielversprechend wirken – wenn sie nicht mit den künftigen Nutzern abgestimmt ist, ist sie zum Scheitern verurteilt.
Welche Innovationen werden in Zukunft den größten Einfluss in Afrika haben?
Ehimuan: Künstliche Intelligenz und Machine Learning sind bereits heute bedeutend und werden noch wichtiger werden. Ich habe das zum Beispiel in der Landwirtschaft erlebt: KI-gestützte Apps helfen Bauern, Krankheiten an ihren Früchten sofort zu erkennen. Sie machen einfach ein Foto, und die App liefert Lösungen – im Hintergrund sind hochkomplexe Algorithmen am Werk. Solche Technologien werden zunehmend eingesetzt, auch in vielen anderen Bereichen wie Fintech oder Healthtech.

Die potenziellen Nutzer solcher Apps leben aber doch oft selbst nur von der Subsistenzwirtschaft und viele Menschen in Afrika verfügen über ein nur äußerst geringes Einkommen. Wer kann in so einem Umfeld Start-ups für ihre Leistungen bezahlen, wie können sie Gewinne machen?
Was sind die größten Herausforderungen für Unternehmen am afrikanischen Markt?
Muss man also besonders anpassungsfähig sein, um in Afrika erfolgreich zu sein?
Ehimuan: Ich würde eher sagen, man muss aufmerksam sein. Es geht darum, genau zu beobachten, wie sich der Markt entwickelt, um schnell auf neue Bedürfnisse zu reagieren. Zudem ist es wichtig, den örtlichen Partnern und Betreibern von Start-ups zuzuhören. Sie kennen den Markt und seine Besonderheiten aus erster Hand – ihre Erfahrungen können sich deutlich von denen europäischer Unternehmer unterscheiden.
Vielen Dank für das Gespräch.
obald sich ein Bedürfnis zeigt, muss man es schnell erkennen und dafür eine Lösung anbieten.
J. Ehimuan
Das Unternehmen
Start-up-Förderer Beyond Limits Africa
Die Nigerianerin Juliet Ehimuan studierte Informatik unter anderem an der Universität Cambridge und absolvierte ein Postgraduate an der London School of Economics. Sie war zwölf Jahre für Google tätig, zuletzt zuständig für Westafrika. Mittlerweile hat sie mit „Beyond Limits Africa“ ihr eigenes Unternehmen gegründet. Beyond Limits Africa unterstützt Start-Up-Gründer durch Unternehmensführungs-Trainings oder beim Zugang zu Investitionen und bringt sie mit etablierten Akteuren aus dem Tech- und Business-Bereich zusammen. Die Türen von „Beyond Limits Africa“ stehen auch für österreichische Unternehmen offen. Laut Ehimuan kann ihr Unternehmen beispielsweise Marktsondierungsreisen organisieren, bei denen österreichische Firmen Tech-Hubs besuchen oder mit führenden Persönlichkeiten aus der Tech-Szene und dem öffentlichen Leben zusammenkommen können.
Fotos: Marko Kovic I BEypnd Limits Africa via Facebook