Kommentar

WC für alle

Katharina Kainz-Traxler, corporAID

Ausgabe 84 – November | Dezember 2019

Katharina Kainz-Traxler, corporAID

Die klassische Wiener Substandardwohnung trumpft üblicherweise mit Exotikflair auf: Sie hat ein so genanntes indisches Klo, befindet sich dieses doch „jenseits des Ganges“. Indiens Premier Narendra Modi hat den alten Witz wohl endgültig hinuntergespült: Am 2. Oktober, dem 150. Geburtstag von Indiens Ikone Gandhi, verkündete er das Erreichen seiner 2014 formulierten Vision eines “clean and open defecation-free India“. Offiziell soll es nun mit der gängigen Praktik, sich auf Feldern oder an Flüssen zu erleichtern, vorbei sein. Dafür ließ Modi immerhin 110 Millionen neue Toiletten aufstellen. Doch ob diese auch benutzt und instand gehalten werden, ist fraglich: Viele Inder halten die Verrichtung des Geschäfts im Freien für hygienischer als am WC. Außerdem sind die neuen Toiletten meist nicht ans Kanalsystem angeschlossen, eine Entsorgung der Fäkalien also nicht garantiert. Modis WC für alle bietet somit zwar Grund zum Feiern – das Klo jenseits des Ganges ist damit aber zumindest in Indien noch nicht ganz Geschichte.

Foto: Mihai M. Mitrea