Interview

Zu hohe Waldverluste

Ausgabe 95 – Sommer 2022

Ewald Rametsteiner, stv. Direktor der FAO-Forstwirtschaftsabteilung, über einige zentrale Herausforderungen in der Walddebatte.

Ewald Rametsteiner, FAO
Ewald Rametsteiner, FAO – die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen

Sie haben im Mai den State of the World‘s Forest Report 2022 vorgestellt. Was sind die Kernaussagen? 

Ewald Rametsteiner: Es sind vor allem zwei Gedanken, die der Bericht vermitteln will: Erstens sollte es den Menschen bewusst sein, wie sehr das Leben auf diesem Planeten von Wäldern abhängt, weil diese für Klima, Biodiversität und Wasserkreisläufe so wichtig sind, und wie viel Material, Energie, Nahrung und auch Erholung wir aus den Wäldern beziehen. Und zweitens, dass wir immer noch viel zu viel Waldfläche verlieren, global gesehen etwa in der Größenordnung aller Wälder Österreichs pro Jahr. 

Was muss passieren?

Rametsteiner: Die wesentlichen Regionen des Waldverlusts sind heute Südamerika und Afrika, und hier den Trend umzudrehen, bedeutet relativ viel Arbeit. 90 Prozent des Verlusts gehen auf das Konto der Landwirtschaft, auf die Produktion von Nahrungsmitteln, die Menschen hier und dort konsumieren. Das zentrale Thema lautet also: Wie versorgen wir eine wachsende Weltbevölkerung, ohne dass wir dafür Bäume schlägern? Wir müssen einerseits effizienter werden, um Abholzung zu reduzieren, und andererseits Flächen, die aufgrund falscher Bewirtschaftung unproduktiv geworden sind, durch das Anpflanzen von Bäumen zurückbringen. Da geht es auch darum, die vielen Kleinbauern und indigenen Völker nicht zu vergessen, die die Hälfte der Agrarflächen nutzen. 

Und wie lassen sich die Wälder nachhaltig bewirtschaften?

Rametsteiner: Hier geht es ganz stark um Abstimmung der Fragen: Was ist für das Ökosystem gut, was ist umsetzbar, was ist vielleicht zu idealistisch? Heute wissen wir zwar, dass beispielsweise Monokulturen nicht jene Ökosystemleistungen erbringen, die wir von Wäldern brauchen. Gleichzeitig muss, egal ob privat oder Staat, jemand Geld in die Hand nehmen, um Aufforstung zu ermöglichen. Wir müssen also schauen, wie wir ökologisch stabilere Wälder auch wirtschaftlich attraktiver machen. Es gibt bereits kleinere und größere Erfolgsmodelle, es engagieren sich Umweltschutzgruppen und Impact Investoren, auch der Finanzsektor wandert aufgrund der Klimadebatte in den Bereich Wald hinein. Immerhin haben wir mit Holz, wenn es nachhaltig genutzt wird, einen hervorragenden erneuerbaren und klimaneutralen Rohstoff quasi vor unserer Haustür.

Vielen Dank für das Gespräch! 

Mehr dazu: The State of the World’s Forests 2022

Foto: beigestellt