Interview

Wem gehört der Sand?

Ausgabe 79 – Jänner | Februar 2019

Klaus Schwarzer ist Sandforscher an der Universität Kiel und untersucht sowohl die Nord- und Ostseestrände in seiner Umgebung als auch die Sandvorkommen Asiens und Afrikas. Dort sei die Lage um den schwindenden Rohstoff mehr als ernst.

Klaus Schwarzer, Sedimentologe von der Uni Kiel
Klaus Schwarzer, Sedimentologe, Uni Kiel
Ohne die friesischen Inseln übergehen zu wollen: Sind schwindende Sandvorkommen vor allem ein Problem von Schwellen- und Entwicklungsländer?
 

Schwarzer: Ja, in Europa gibt es bessere Regelungen und der Verbrauch ist nicht so dramatisch hoch wie etwa in China, Indien oder Brasilien, die ihre Infrastruktur möglichst schnell und kostengünstig aufbauen wollen und dafür Unmengen an Sand verbrauchen. Am gravierendsten ist, dass dort ganz intensiv in die Flüsse eingegriffen wird. Das Mekongdelta in Vietnam oder das Chao Phraya-Delta in Bangkok sinken dadurch langsam ab. Und auch wenn die Nachbarländer den Sandexport nach Singapur offiziell unterbunden haben, findet dieser inoffiziell weiter statt. Apropos inoffiziell: Ich war in Hongkong, als dort 2004 das Land in Penneys Bay für Disneyland geschaffen wurde. Da wurde eine riesige Landfläche von europäischen Firmen künstlich aufgespült. Und die Materialentnahme passierte völlig unkontrolliert im Meer. Sandabbau ist in Afrika oder Asien nahezu überhaupt nicht geregelt.

Fehlt es also vor allem an Regularien?

Schwarzer: Die Frage ist: Wem gehört der Sand? Sand wird als Allgemeingut angesehen. Und er wird vor allem in Bereichen abgebaut, wo man es nicht sieht. Mit Verboten allein wird man aber nicht weit kommen. Wenn Sie den Leuten, die davon leben, keine Alternativen eröffnen, dann wird es genauso weitergehen. Das habe ich selbst in Sri Lanka erlebt. Eine wichtige Frage ist: Müssen wir wirklich so viel Sand verbrauchen? In China werden viele Häuser gebaut, die gar nicht genutzt werden. Da stehen ganze Städte leer.

Der Bauboom wird so schnell nicht aufhören. Ist da nicht die naheliegendste Frage: Müssen wir auf so viel Natursand zurückgreifen oder können wir stattdessen verstärkt auf Recyclingsand bauen?

Schwarzer: Recyclingsand kann zwar nicht die Qualität von Natursand erreichen und wird nicht für Hochhäuser eingesetzt, aber aktuelle Studien zeigen auch, dass die meisten Leute auf der Welt gar nicht so hohe Häuser brauchen. Viele leben ebenerdig oder eingeschossig. Brauchen wir dafür wirklich den besten Beton oder können wir etwas anderes nehmen? Da ist die Baubranche gefragt. Außerdem müsste gleich so gebaut werden, dass man die Wertstoffe später besser trennen kann.

Sollten wir verstärkt auf organisches Material wie Bambus, Holz oder Stroh beim Bauen setzen?

Schwarzer: Das ist eine Frage der Baudimension. Im großen Maßstab werden wir vom Beton nicht wegkommen. Doch es ist ähnlich wie mit dem Wasser- und Energieverbrauch. Wir haben ja auch nach und nach gelernt, mit Wasser sorgsamer umzugehen. Wir müssen im kleinen Bereich anfangen, dann haben wir nachher einen Mix aus vielen Dingen, der funktioniert.

Alternativen kosten Zeit und Geld. Sand hingegen ist quasi umsonst. Muss nicht als erstes Sand einen Preis bekommen?

Schwarzer: Das wäre nicht schlecht, um dem Gefühl, dass Sand unbegrenzt da ist, etwas entgegenzusetzen. Damit ins Bewusstsein rückt, dass sich nicht einfach jeder einen Sack mitnehmen kann.

Ist ein Bewusstseinswandel nur in den Industrieländern zu erhoffen oder gibt es auch Chancen in den sich entwickelnden Weltregionen, in denen es ja besonders wichtig wäre?

Schwarzer: Es hängt davon ab, wo Sie sind. Ein Kollege aus Saigon hat gerade sein Haus im Mekongdelta verkauft, weil es alle 14 Tage unter Wasser steht. Das liegt daran, dass das Delta absinkt, weil Sand fehlt. Sie glauben gar nicht, wie viele Schiffe dort herumfahren, die Sand aus dem Delta baggern. Und diese Erfahrungen fließen mittlerweile in das Wissen ein, das Verständnis wächst. In den Alpen wird der Bezug zu diesem Thema wahrscheinlich eher gering sein, wie hier in Kiel zu Lawinen. Doch in den betroffenen Regionen fragen sich die Menschen schon so langsam: Warum gibt es so viele Überschwemmungen? Warum fangen wir keine Fische mehr? Warum ändert sich alles?

Vielen Dank für das Gespräch!
Foto: Schwarzer

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