In Kapstadt können die Menschen erst einmal aufatmen. Der „Day Zero“, der zunächst für April und dann für Juli prognostiziert wurde, dürfte heuer wohl nicht mehr eintreten. An diesem Tag Null hätte die dürregeplagte südafrikanische Stadt ihre kommunale Wasserversorgung abdrehen und ihre 4,3 Millionen Einwohner mit Rationen von 25 Litern Wasser am Tag versorgen müssen – ausgegeben in Kanistern, unter militärischer Aufsicht, an über 150 Verteilungspunkten. Doch die Stadt setzte sich auf eine strenge Wasserdiät. Helen Zille, Premierministerin der Provinz Westkap, empfahl den Kapstädtern „nicht öfter als zwei Mal pro Woche zu duschen“, Menschen begannen mit Kochwasser ihre Pflanzen zu gießen und selbst Hotelgäste wurden aufgefordert, bei jedem Gang aufs WC abzuwägen, ob sie die Spültaste wirklich betätigen müssen.

Dank der Sparmaßnahmen und mithilfe temporärer Wassertransfers aus dem landwirtschaftlichen Sektor fließt bis heute Wasser in Kapstadts Leitungen. „Die Stadt hat die Krise toll gemeistert, Stadtverwaltung und Einwohner haben sehr vernünftig reagiert“, lobt Katrin Brübach (siehe Interview), die seit Jahresbeginn eng mit den lokalen Behörden zusammenarbeitet. Brübach ist Expertin bei 100 Resilient Cities, einem 2013 von der Rockefeller Stiftung gegründeten Netzwerk. Dieses berät Städte auf der ganzen Welt, wie sie sich gegen Krisen aller Art wappnen können und widerstandsfähiger werden – und das Thema „Wasser“ gilt heute für viele Städte als wesentliche Herausforderung.

Trockene Hähne

Auch Rom, São Paulo und Mexiko City mussten ihre Bewohner bereits auf Wasserdiät setzen.

Denn auch wenn sich die Lage in der südafrikanischen Metropole etwas entspannt, aus anderen Regionen der Welt kommen weniger erfreuliche Meldungen. Bei 45 Grad Hitze gab es etwa im Juli in mehreren iranischen Städten tagelang kein Trinkwasser. Proteste der Bevölkerung gegen die unzureichende Wasserversorgung endeten in teils gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. In Indien wiederum erschien kürzlich ein Regierungsbericht, der die Alarmglocken laut schrillen lässt: das Land leide unter der „schlimmsten Wasserkrise der Geschichte“, derzeit seien 600 Millionen Inder vom Wassermangel betroffen. Schon in zwei Jahren werden mehr als 20 indische Großstädte kaum mehr Grundwasservorräte haben, heißt es weiter in dem Bericht, und im Jahr 2030 hätten etwa 40 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang mehr zu Trinkwasser.

Interview mit Katrin Brübach

Katrin Brübach, 100 Resilient Cities

Lektionen aus Kapstadt

Katrin Brübach, Wasserexpertin bei 100 Resilient Cities, berät Städte wie Kapstadt, Jakarta und Honolulu dabei, Wasserkrisen zu verhindern oder zu bewältigen.

Hinzu kommt, dass fast 70 Prozent des Wassers belastet sei und so jährlich 200.000 Todesfälle verursache – allein Indiens Wasserkrise verringert also erheblich die Chance, das Sechste der 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen: „Zugang zu einwandfreiem und bezahlbarem Trinkwasser für alle“ bis 2030.

Wissenschaftler des Center for Environmental Systems Research an der Universität Kassel gehen auf Basis einer Simulation sogar davon aus, dass im Jahr 2050 bereits jede vierte Stadt der Welt von Wasserknappheit betroffen sein wird. Die Gründe dafür: einerseits nehme die Verstädterung und damit der urbane Wasserbedarf stetig zu. Schon heute leben 54 Prozent der Weltbevölkerung oder rund 3,9 Milliarden Menschen in Städten. Und hinzu komme, dass sich durch den Klimawandel das zeitliche Auftreten und die Intensität von Niederschlägen regional sehr unterschiedlich verändern – Städte müssen sich daher auch auf veränderte Wasserverfügbarkeiten einstellen.

Höhere Wasserresilienz

Ressourcen verschwendet: Laut Vereinten Nationen gelangen weltweit 80 Prozent des Abwassers ohne angemessene Aufbereitung in die Umwelt

Neben Bevölkerungswachstum und Klimawandel gibt es laut Experten auch hausgemachte Gründe für Wasserkrisen – und damit im Umkehrschluss die Chance, die eigene Resilienz zu erhöhen. Ein Aktionsfeld lautet beispielsweise: über die Stadtgrenze hinaus zu denken und Wasserprobleme möglichst nah an der Quelle zu beseitigen. So wie es Nairobi versucht. Kenias Haupstadt ist in der Wasserversorgung stark abhängig vom Tana-Fluss und dessen Nebenarmen. Intensive landwirtschaftliche Aktivitäten flussaufwärts hatten allerdings zur Folge, dass immer mehr Sedimente und Pestizide im Wasser landeten, wodurch die Wassermenge und -qualität stromabwärts reduziert wurden. Jetzt arbeitet die Stadt im Rahmen des Upper-Tana-Nairobi Water Fund verstärkt mit den ländlichen Nachbarn an naturnahen Lösungen. Durch diese Initiative werden bäuerliche Betriebe dabei unterstützt, das Land auf eine nachhaltige Weise zu bearbeiten, so dass sich die Wassersicherheit erhöht und gleichzeitig auch die Agrarerträge gesteigert werden.

Eine weitere Empfehlung für wasserknappe Städte ist es, einen Mix im Wasserportfolio anzustreben. Denn Städte, die zur Gänze von Oberflächenwasser aus Flüssen oder Seen abhängig sind, zeigen sich besonders krisengefährdet. Auch Kapstadts bisherige Strategie, sich hauptsächlich auf aufgestaute Wasserreservoirs zu verlassen, hat sich als unzureichend herausgestellt. Nun will die Stadt die Versorgung krisenresilienter aufstellen (siehe auch Artikel) und holt sich dazu Ideen aus aller Welt – selbst der Schiffstransport von Eisbergen aus der Antarktis wird in Erwägung gezogen.

Inspiration könnte vielleicht Singapur liefern. Noch muss die südostasiatische Metropole täglich Millionen Liter Wasser über Pipelines vom Nachbarn Malaysia importieren, doch bis 2060 will sie eine komplette Wasserautarkie erreichen. Daher zapft Singapur zunehmend lokal verfügbare Quellen an: zum einen durch Meerwasserentsalzung, die allerdings energie- und kostenintensiv ist, zum anderen durch das Sammeln von Regenwasser in riesigen Reservoirs. Besonderes Potenzial sieht Singapur in der Aufbereitung von Wasser aus Kläranlagen, hier entwickelt sich die Stadt auch immer mehr zu einem globalen Know-how-Hub. Das recycelte Klärwasser wird hauptsächlich in der industriellen Produktion und zu Kühlungszwecken eingesetzt, es landet aber auch als so genanntes „NEWater“ im normalen Leitungsnetz.

Good Practice

Weltweit gibt es eine eher geringe Akzeptanz von recyceltem Klärwasser als Trinkwasser – verwendet wird es aber bereits seit Jahrzehnten in Namibias Hauptstadt Windhoek (siehe unten). Für andere Zwecke bietet sich aufbereites Wasser jedenfalls an: Marrakesch beliefert beispielsweise zahlreiche Golfressorts rund um die Stadt mit aufbereitetem Abwasser und schont damit die Grundwasserreserven. Für Weltbank-Experten gilt die nordafrikanische Stadt auch aus einem anderen Grund als Good Practice einer zukunftsfähigen Wasserversorgung: Noch Anfang der 2000er Jahre gingen fast 40 Prozent des in das Wassersystem der Stadt eingeleiteten Wassers verloren – Verluste in dieser Größenordnung sind in vielen Städten in Entwicklungsregionen ganz normal. Verantwortlich dafür sind überforderte und unterfinanzierte Versorger, die zu wenig gegen Leitungslecks, undichte Hydranten und illegale Entnahmen unternehmen. Marrakesch ist es laut Weltbank-Studie gelungen, die Wasserverluste auf 27 Prozent zu senken, langfristig werden 20 Prozent angestrebt.

Und, wie Kapstadt vorzeigt, besteht auch viel Potenzial in der Reduktion der Wassernachfrage – „vor der Krise lag der tägliche Verbrauch bei 140 Litern Trinkwasser pro Person, jetzt kommt man mit 50 Litern über die Runden“, sagt Brübach. Gerade wasserknappe Städte, empfiehlt die Expertin, müssten mehr Anreize schaffen, damit Verbraucher etwa kein Trinkwasser für Bewässerungszwecke einsetzen, sondern dazu Regenwasser sammeln. In Regionen, in denen es öfter zu Starkregen-Ereignissen kommt, kann die großflächige Speicherung und Aufbereitung von Regenwasser übrigens auch gleich in die Stadtplanung implementiert werden – so wie es China bereits mit dem „Schwammstadt“-Konzept in Shanghai, Tianjin und Shenzhen erprobt (siehe unten). Dass dabei urbaner Raum auch grüner und lebenswerter wird, ist ein Nebeneffekt, der wohl viele Stadtbewohner freuen wird.


BEST PRACTICE

Urbaner Wasserschwamm
Das Schwamm-Prinzip wird zum Beispiel in Tianjin Eco City angewendet. In der nordchinesischen Stadt entsteht gerade ein 41 Hektar großer Stadtpark.
Das Schwamm-Prinzip wird zum Beispiel in Tianjin Eco City angewendet. In der nordchinesischen Stadt entsteht gerade ein 41 Hektar großer Stadtpark.

In China werden derzeit 30 Städte in „Sponge Cities“ umgewandelt. Die Idee: Schwammstädte fangen möglichst viel Regenwasser durch begrünte Dächer, durchlässige Straßenbeläge, kleine Regengärten, Feuchtgebiete und Seen auf. Das Wasser wird gleich verwendet oder im Grundwasser gespeichert, statt es, wie oft üblich, in Flüsse und das Meer abzuleiten. Das Zweifach-Ziel der grünen Infrastruktur: die Wasserversorgung abzusichern und das Überschwemmungsrisiko nach Starkregen zu verringern. Auch die urbane Lebensqualität soll sich so deutlich erhöhen.

Vom Klo ins Glas
Technisch möglich, aber noch nicht populär: Trinkwasser aus der Kläranlage

Das klimatisch heiße und trockene Namibia im südlichen Afrika kämpft schon lange mit Wasserknappheit. Aus dem Mangel heraus entwickelte sich das Land zum weltweiten Pionier im Abwasserrecycling: Seit bereits 50 Jahren wird in der Hauptstadt Windhoek Wasser aus einer Kläranlage in einem mehrstufigen Verfahren gefiltert, gereinigt und dem Trinkwasser beigemischt. Auch Singapur setzt auf die „Toilet-to-tap“-Ressource. In Orange County in Kalifornien hingegen wird Recyclingwasser dem Grundwasser beigemengt, aus dem Trinkwasser gewonnen wird. Die Wiederverwendung von Abwasser im Agrar- und Industriebereich ist weiter verbreitet.

Fotos: 100RC, Arne Hoel / World Bank, Wateralex wikimedia, Grant Associates, Danilo Pinzon / World Bank