Gutes Timing: So lautete das meist vergebene Attribut anlässlich der Präsentation des aktuellen DAC Peer Review, Österreichs nunmehr fünftem Zeugnis zum Thema Entwicklungsengagement, Ende Februar in Wien. Ausgestellt wurde dieses von Praktikern aus Irland und der Slowakei sowie Experten des Entwicklungshilfeausschusses der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD, kurz DAC. Zur rechten Zeit kommt dieses Zeugnis wohl deshalb, weil auch das aktuelle Regierungsprogramm ein überraschend klares Bekenntnis zur Wichtigkeit von Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe enthält. Und damit ergibt sich ein Zeitfenster für konkrete Maßnahmen, um Österreichs Beitrag für globale Entwicklung neu zu gestalten.

Fehlende Gesamtstrategie

Wo der Fokus bei dieser Neuausrichtung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit liegen soll, ist für Susanna Moorehead, Vorsitzende des OECD DAC, klar: Österreich solle endlich eine übergeordnete Vision und Strategie formulieren, welche die Beiträge und Rollen sämtlicher Akteure definiert und politische Prioritäten mit – idealerweise auch höheren – Budgetzuweisungen verknüpft (mehr im Interview hier). 2018 lagen die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen bei 988 Mio. Euro, das entspricht 0,26 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung – und ist der geringste Prozentsatz seit 2004.

Eine Gesamtstrategie, die alle Entwicklungshilfeausgaben Österreichs an klar formulierte Entwicklungsziele bindet, empfahl der OECD DAC bereits im ersten Peer Review Österreichs im Jahr 1999. Mehr als zwanzig Jahre später ist die heimische Entwicklungszusammenarbeit hier nicht wirklich weitergekommen und zudem nach wie vor kein einheitliches Politikfeld. Formal zuständig ist wie eh und je das Außenministerium BMEIA, in der Realität ist aber eine Vielzahl von Bundesministerien involviert und die strategische Steuerungsfunktion des BMEIA auf einen engen Bereich beschränkt – alleine deshalb, weil das Außenministerium nur etwa 15 Prozent des gesamten Entwicklungshilfebudgets verwaltet. Für aktuell fast zwei Drittel ist das Finanzministerium zuständig, das die Beiträge an die Europäische Union und internationale Finanzinstitutionen verantwortet und auch für die Oesterreichische Entwicklungsbank OeEB zuständig ist. Orientierung bietet dabei eine hauseigene Strategie.

Dass unter diesen Voraussetzungen die Erarbeitung einer übergeordneten Gesamtstrategie eine Herausforderung werden könnte, zu diesem Schluss kommt auch eine Evaluierung der österreichischen Entwicklungsagentur ADA aus dem Vorjahr: Wie die Evaluatoren damals feststellten, „fehlen die Räume und Prozesse zum Ausverhandeln der Zielsetzungen unterschiedlicher Ressorts, die einen starken Einfluss auf die Erreichung der Ziele der Entwicklungszusammenarbeit haben“. Insgesamt stellt die Studie der ADA ein durchaus brauchbares Zeugnis aus, hält jedoch fest, dass sie in der aktuellen Budgetsituation an ihre Leistungsgrenzen stößt.

Interview mit Susanna Moorehead, OECD DAC

Susanna Moorehead, Vorsitzende des OECD DAC

Stärken besser nutzen

Susanna Moorehead, Vorsitzende des Entwicklungshilfeausschusses der OECD, sieht eine der großen Zukunftsfragen darin, Klimaschutzbestreben mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung armer Länder in Einklang zu bringen. Von Österreich wünscht sie sich mehr finanzielles Commitment und einen ganzheitlicheren Zugang zu Entwicklungszusammenarbeit.

Chancen nutzen

Im DAC Peer Review erntet Österreich im Allgemeinen Lob für die institutionelle Kapazität der ADA – sie sei laut den OECD-Experten professionell aufgestellt, um qualitätsvolle Entwicklungsprojekte durchzuführen. Nur: Aktuell werden weniger als zehn Prozent der heimischen Entwicklungshilfeleistungen über die Austrian Development Agency abgewickelt. Allein der österreichische Beitrag zum Europäischen Entwicklungsfonds ist mit 107 Mio. Euro höher als das gesamte operative Budget der ADA, das sich 2018 auf rund 80 Mio. Euro belief. Eine Kernempfehlung des DAC Peer Review lautet daher, die ADA mehr zu nutzen, indem Österreich den Anteil der programmierbaren Mittel, die direkt in den Partnerländern umgesetzt werden, erhöht. 

Wohlwollend erwähnt wird zudem das österreichische Engagement im Bereich Wirtschaft und Entwicklung. Auf diese Weise habe man im Jahr 2017 etwas mehr als 50 Mio. Euro an zusätzlichen Ressourcen aus dem Privatsektor mobilisiert und damit eine wichtige Hebelwirkung erzielt. Eine bessere Verknüpfung zwischen Aktivitäten von Entwicklungsagentur und Entwicklungsbank würde den österreichischen Ansatz zusätzlich stärken, ebenso wie eine bessere Abstimmung mit allen weiteren Stellen, die im selben Partnerland tätig sind, zeigt der Bericht Potenziale auf. Jüngste Bemühungen der OeEB zur Schaffung der African-Austrian SME Investment Facility, die österreichischen Unternehmen für Investitionen in afrikanische Märkten Kredite oder Beteiligungskapital zur Verfügung stellt, halten die Experten für vielversprechend. 

Beifall erntet auch Österreichs multilaterale Zusammenarbeit: „Österreich räumt der Arbeit im multilateralen System Priorität ein, Beiträge zu multilateralen Organisationen machen einen bedeutenden Teil seines Budgets aus.“ Nun ist es zwar richtig, dass 59 Prozent der heimischen Entwicklungshilfegelder an EU, Internationale Finanzinstitutionen und Vereinte Nationen fließen. Um allein aufgrund dieser Tatsache eine Priorisierung abzuleiten, braucht es jedoch eine gehörige Portion Euphemismus. Der vermeintliche Fokus besteht nämlich primär aus anteiligen EU-Beiträgen und der Beteiligung an Kapitalerhöhungen und Wiederauffüllungen internationaler Fonds von Weltbank und regionalen Entwicklungsbanken im Ausmaß der österreichischen Anteile. Wirklich gestaltbare Beiträge, etwa Österreichs freiwillige Zahlungen an Programme der Vereinten Nationen, sind im Vergleich dazu verschwindend gering. Der Peer Review hält hierzu fest: „Da Österreich in den meisten Organisationen nur einen geringen finanziellen Beitrag leistet, würde eine klarere Formulierung seiner Ziele auch zu größeren Einflussmöglichkeiten beitragen.“ Es lässt sich also festhalten: Wenn man keinen eigenen Fokus setzt, rücken internationale Verpflichtungen quasi von alleine in den Vordergrund.

Rückhalt gewinnen

Eine weitere Kritik des Review Teams betrifft die mangelnde Transparenz der österreichischen Aktivitäten. Selbst für Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung scheint es schwierig zu sein, sich einen Überblick über das heimische Entwicklungsengagement zu verschaffen. „Ich war überrascht, von manchen Dingen zu hören, von denen nicht einmal ich wusste, dass wir sie machen“, so ein Spitzenvertreter bei der Präsentation des Berichts. Nicht verwunderlich angesichts der Tatsache, dass nur ADA und OeEB Detailinformationen zu finanzierten Vorhaben publizieren. Vergeblich sucht man Näheres zum internationalen Engagement anderer staatlicher Akteure – geschweige denn zu den Ergebnissen, die damit angestrebt werden. 

Das ist doppelt problematisch: Denn ohne Transparenz gegenüber den Steuerzahlern wird deren Interesse an und Bewusstsein für die Chancen von Entwicklungszusammenarbeit stets begrenzt bleiben. Dieser Rückhalt der breiten Öffentlichkeit wäre aber wiederum essenziell, um dem politischen Veränderungswillen auf Regierungsebene den entscheidenden Anstoß zu geben. Ob das Timing des DAC Peer Review letzten Endes tatsächlich so gut war oder die Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit in Anbetracht der aktuellen Ausnahmesituation nicht doch wieder an Priorität verliert, bleibt abzuwarten.

Foto: BMEIA/Mahmoud

ZAHLEN & FAKTEN

Wohin die knappe Milliarde fließt

Österreichs öffentliche Entwicklungshilfeleistungen ODA lagen 2018 bei insgesamt 988 Mio. Euro. Ein genauerer Blick auf die Zahlen zeigt: Bei 17 Prozent der ODA-Gelder handelt es sich um Rechengrößen mit überschaubarem entwicklungspolitischen Mehrwert – sogenannte Phantomhilfe.

Grafik ODA 2018
Quelle: ADA