Unzählige Inseln mit hunderten Kilometern an Sandstränden, kristallklares Wasser, sanfter Wellengang: Für Touristen sind die Malediven ein Paradies. Bei genauerem Hinsehen und -hören wird das makellose Bild jedoch von knatternden Geräuschen durchkreuzt. Die Inseln sind zu klein und die Distanzen von einer zur nächsten zu lang, um ein rentables Stromnetz mit Unterwasserkabeln zu betreiben. Daher bilden Dieselgeneratoren das Rückgrat der Stromversorgung in allen Bereichen, von den Schulen bis zum Hotel-Resort. 

Diese hat Martin Putschek mit seiner Firma Swimsol nun bereits seit mehr als einem Jahrzehnt fest im Visier. Swimsol ist ein Solarenergie-Unternehmen, das sich auf tropische Küstenregionen – und hier vor allem die Malediven – spezialisiert hat. „Mittlerweile gibt es 200 Hotels auf den Malediven mit einem Strombedarf von jeweils ein bis zwei Megawatt, vor allem für die Klimatisierung. Das entspricht einem Bedarf von mehreren tausend Haushalten in Österreich“, erklärt Putschek. 

Swimsol_Putschek
Mission mit Meerblick: Swimsol-Gründer Martin Putschek auf einer schwimmenden Solaranlage

Bislang wurde den Swimsol–Solaranlagen vorrangig auf den maledivischen Hoteldächern ein Platz eingeräumt. Da jedoch sowohl die Dach- als auch ganz grundsätzlich die Landfläche auf den kleinen Inseln Mangelware ist, geht es – dem Swimsol-Gründungsgedanken entsprechend – nun immer mehr aufs Meer hinaus: mit schwimmenden Photovoltaikanlagen, die den Namen Solar Sea tragen. Die Anlagen sind so robust, dass sie weder von den Wellen, die im Küstenbereich dank der schützenden Riffe maximal zwei Meter hoch werden, noch vom hohen Salzgehalt des Wassers in ihrer Funktionstüchtigkeit eingeschränkt werden. Im Gegenteil: Aufgrund der Kühlwirkung und der Lichtreflexion des Meerwassers sind sie bis zu zehn Prozent leistungsstärker als ihre Pendants auf den Dächern. 

Swimsol: Preisvorteil durch Sonnenstrom

„Auf den Malediven gibt es weder genug Wind noch große Wellen – Gezeiten- oder Windenergie funktionieren dort also nicht. Die erneuerbare Energie der Wahl ist die Solarenergie. Da dort sowohl viel Sonne als auch viel Meer zur Verfügung stehen, kombinieren wir einfach beides“, sagt Putschek. Dabei sei Solarenergie auf den Malediven bereits seit Jahren auch ohne Subventionen günstiger als Strom aus importiertem Diesel. Putschek: „Wir müssen niemandem etwas schenken, sondern ersetzen einfach teuren Dieselstrom durch günstigeren Solarstrom.“ 

Swimsol Team
Teamspirit: Swimsol-Mitarbeiter nach getaner Arbeit

Heute beschäftigt Swimsol 55 Mitarbeiter, 35 in Wien und 20 auf den Malediven. Und 20 maledivische Hotels werden bereits mit Strom versorgt. Die durchschnittlich 200 mal 200 Meter großen Anlagen mit zwei Megawatt Spitzenleistung bleiben dabei im Besitz von Swimsol. „Die Hotels sträuben sich noch gegen eine Investition von drei bis fünf Millionen Euro, die eine große schwimmende Solaranlage samt Batterie kostet. Dabei würde sich diese innerhalb von maximal zehn Jahren rentieren“, sagt Putschek. Aktuell verkauft Swimsol also lediglich den erzeugten Strom im Rahmen von Stromabnahmeverträgen – und koppelt den Preis so an den Dieselstrompreis, dass der Solarstrom stets günstiger ist.

Die Anfänge von Swimsol

Begonnen hat alles eher zufällig. Im Jahr 2009 erweiterte Putschek, damals noch im Einsatz für eine deutsche Solarfirma, eine Geschäftsreise nach Pakistan und Sri Lanka kurzerhand um einen zweitägigen Abstecher auf die Malediven. Dort sah er ein Land, das rund 20 Prozent des BIP für den Import von Diesel ausgibt und dessen Küsten einen ruhigen Wellengang aufweisen. „Da kam mir die Idee: Warum errichtet denn keiner Solaranlagen im Wasser?“, erinnert sich Putschek. 

Prototyp Swimsol
Der erste Prototyp wurde im Jahr 2009 in einem Planschbecken getestet.

Der erste Prototyp schwamm im Planschbecken, dann in verschiedenen Pools des Wasserbaulabors der Technischen Universität Wien. Schließlich übersiedelten ihn die Tüftler rund um den Physiker Putschek in das knapp 200 Meter lange Becken der Schiffsbautechnischen Versuchsanstalt in Wien-Brigittenau. „Normalerweise wird hier mit unterschiedlichen Wellenmustern die Stabilität von Hochseeschiffen geprüft. Hier durften wir auch unsere Modelle testen“, sagt Putschek. Im Jahr 2014 wurde dann vor dem Strand eines großen Resorts auf den Malediven die erste speziell auf Salzwasser und moderaten Wellengang ausgerichtete schwimmende Solaranlage installiert.

Überraschungen erleben auch die versiertesten Techniker immer wieder: „Dass schwache Ströme das Korallenwachstum anregen und Korallen dann an unserer Pilotanlage ein Kabel nach dem anderen durchtrennen würden, damit hatten wir nicht gerechnet“, berichtet Putschek – heute verwendet Swimsol speziell armierte Kabel. 

Swimsol: Direkt verbunden mit den Malediven

Anfangs machte der Vertrieb keine großen Sprünge. Die meisten Hotelverantwortlichen zeigten zwar grundsätzliches Interesse, wollten aber erst einmal beobachten, wie sich das Konzept bei der Konkurrenz bewährte. „Erst nachdem wir das zweite Projekt abgeschlossen hatten, nahm das Ganze an Tempo auf”, sagt Putschek. 

Doch obwohl der Unternehmer mittlerweile auf einige errichtete Anlagen verweisen kann, rechnet er pro Projekt nach wie vor mit rund zwei Jahren Vorlauf. Auch weil die Hotelverantwortlichen häufig nicht auf den Malediven, sondern in Singapur, Indien oder Thailand anzutreffen sind. Kommt es zum Auftrag, beschafft Swimsol die Photovoltaikmodule aus China, die weiteren Komponenten stammen aus Österreich, Deutschland und Ungarn. 

Am Unternehmensstandort in Putscheks Heimatstadt Klosterneuburg wird die Anlage dann konfiguriert, bevor sie per Frachtschiff auf die Malediven geschickt und dort von einem Swimsol-Team in Betrieb genommen wird. 

Von der Swimsol-Schaltzentrale im vierten Wiener Gemeindebezirk aus können die Experten jederzeit auf die Anlagen zugreifen. Im verschachtelten Altbau herrscht ein lockerer Umgangston, der optimistische Start-up-Geist scheint auch durch die coronabedingten Umsatzeinbußen nicht gemindert zu werden. „Corona hat die Tourismusbranche natürlich hart erwischt – und viele Hotels hatten erst einmal anderes zu tun, als sich um neue Solaranlagen zu kümmern“, sagt Putschek. Zugute kam Swimsol aber, dass mehr als ein Drittel der Mitarbeiter auf den Malediven lebt und auch in Zeiten von Reiserestriktionen weiter an den bereits in Auftrag gegebenen Projekten arbeiten konnte. Mittlerweile wurden auf den Malediven die Maßnahmen gelockert, und für Swimsol nimmt auch die Geschäftsanbahnung wieder an Fahrt auf.

Swimsol: Die Entwicklungsbank im Boot

Die größte Bedrohung für den Inselstaat im Indischen Ozean stellt jedoch nicht das Virus, sondern der steigende Meeresspiegel dar. Vielerorts wird bereits der „Untergang der Malediven“, des niedrigstgelegenen Staates der Erde, prophezeit. Und auch Putschek weiß aus eigener Erfahrung: „Manchmal ist ein Strand, der im Vorjahr noch da war, einfach weg.“

Swimsol Nasheed
Sondersitzung: Ex-Präsident Nasheed lud zur Regierungsklausur im Taucheranzug.

Auf diese existenzielle Gefahr für sein Heimatland hat Ex-Präsident Mohamed Nasheed vor einigen Jahren mit einer öffentlichkeitswirksamen Unterwassersitzung seiner Regierung hingewiesen. Nasheed und seine Minister tagten in Taucheranzügen und unterschrieben ihren Klimaschutz-Appell mit wasserdichten Stiften. Was skurril wirkt, unterstreicht die reale Gefahr: Bereits ein Anstieg der Meeresspiegel um weniger als einen halben Meter würde die Inselgruppe unbewohnbar machen.

Aber auch wenn Swimsol den Anstieg des Meeresspiegels nicht bremsen wird, will Putschek mit seiner nachhaltigen Stromerzeugung in Vorleistung gehen. Unterstützung erhält er dabei von der Oesterreichischen Entwicklungsbank OeEB. Die OeEB finanziert Projekte, die wirtschaftlich tragfähig und entwicklungspolitisch sinnvoll sind, und legt dabei einen Schwerpunkt auf erneuerbare Energieprojekte in Entwicklungsländern. 

Ende des Vorjahres gewährte sie Swimsol in Kooperation mit dem Schweizer Impact Investor responsAbility einen Syndikatskredit in Höhe von 14 Millionen US-Dollar. OeEB-Vorstand Sabine Gaber betont, dass die „Verbesserung des Zugangs zu sauberer, verlässlicher Energie, die wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht und gleichzeitig unser Klima schützt“ eine zentrale Herausforderung sei und zeigt sich „stolz, Swimsol beim Ausbau dieser innovativen sauberen Energielösung zu unterstützen“. Für Swimsol bedeutet der OeEB-Kredit einen enormen Schub bei der Expansion. „Die Bank finanziert 65 Prozent der Investitionen, die restlichen 35 Prozent bringen wir aus Eigenkapital auf. Zusammen macht das rund 20 Millionen Dollar – damit können wir mehr als zehn Megawatt Strom erzeugen“, freut sich Putschek. 

Gute Karten für Swimsol 

Putscheks Vision lautet, den für die Stromerzeugung benötigten Diesel auf den Malediven in zehn Jahren zu halbieren – aktuell beläuft sich dieser auf 400 bis 500 Millionen Liter jährlich. „Dazu müssen wir 500 Megawatt installieren. Für die nächsten fünf Jahre peilen wir 100 Megawatt an – 20 Prozent aller Hotels auf den Malediven sollen von einer unserer Anlage versorgt werden“, so Putschek. Danach soll auch der Sprung in weitere tropische Inselregionen, die ähnliche Bedingungen wie die Malediven aufweisen, gewagt werden – in Malaysia wurden bereits erste Anlagen installiert, daneben stehen Indonesien und die Seychellen ganz oben auf der Liste. 

Swimsol Malediven
Vogelperspektive: Die Dächer dieses maledivischen Hotelresorts wurden mit Swimsol-Solaranlagen ausgestattet.

Ermöglicht werden soll die rasche Skalierung durch deutlich günstigere Batterien, um den tagsüber erzeugten Solarstrom für die Nacht zu speichern. Putschek erwartet, dass man in fünf Jahren eine Kilowattstunde für zwei Cent speichern können wird – aktuell betrage der Preis zehn Cent, also das Fünffache. 

Zudem sollte das Unternehmen von den verstärkten internationalen Bemühungen zum Klimaschutz profitieren. So erkennen erste Resorts den Marketingnutzen von sauberer Energieversorgung und überbieten sich gegenseitig im Wettstreit darüber, welches Hotel den meisten Solarstrom erzeugt. Langfristig könnte Swimsol auch ein erhöhter Preis für CO2-Emissionen in die Hände spielen: „Wenn Kohlestrom immer teurer, Photovoltaikanlagen aber kontinuierlich günstiger werden, wird Solarstrom in naher Zukunft niedrigere Erzeugungskosten haben als konventioneller Strom. Dann können wir nach Jakarta oder Bangkok gehen – und dann reden wir nicht mehr von Mega-, sondern von Gigawatt“, prophezeit Putschek. Derlei Gedankenspiele stehen aber noch nicht im Businessplan. 

Für Martin Putschek stand unmittelbar im Anschluss an das Gespräch im Februar eine Reise auf die Seychellen an. Eine Geschäftsreise natürlich – denn Urlaub macht Putschek am liebsten in den Bergen. 

Familienbetrieb Swimsol

Swimsol-Solarsea
Schwimmende Solaranlagen sind leistungsstärker als ihre Pendants auf den Dächern.

Martin Putschek gründete Swimsol 2011 als Forschungs-Start-up. In Kooperation mit der Technischen Universität Wien und dem Fraunhofer Institut entwickelte er die erste auf Meerwasser schwimmende Solaranlage. Kurz darauf holte Putschek seinen Bruder Wolfgang, ehemals Vorstand einer Investmentbank, als CFO in die Unternehmensführung. Heute beschäftigt Swimsol 55 Mitarbeiter – 35 in Österreich, die für die Planung der Solaranlagen sowie die Projektleitung verantwortlich sind, sowie 20 auf den Malediven, zuständig für Installation, Wartung und Elektrik. Im Vorjahr betrug der Umsatz (coronabedingt) fünf Millionen Euro, heuer sollen es knapp acht und 2023 mehr als zehn Millionen Euro sein.

Fotos: Swimsol, Mohamed Seeneen/Flickr