Eine Ostafrika-Reise markiert den Beginn einer Fernbeziehung, die bereits seit mehr als 35 Jahren besteht: Anfang der 1980er bereiste die Familie des Salzburger Malers Wilhelm Kaufmann Tansania und lernte dabei die Stadt Singida kennen. Zurück in Österreich, begannen die Kaufmanns erste Hilfsprojekte für Singida zu initiieren. 1984 wurde aus dem privaten Engagement schließlich eine offizielle Partnerschaft zwischen der Stadt Salzburg und der ostafrikanischen 200.000-Einwohner-Stadt.

Seither wurde einiges geschafft, erzählen Andrea Rainer und Judith Schröcksnadel vom Verein Städtepartnerschaft Salzburg-Singida, darunter die Verbesserung des Trinkwassernetzes, der Bau eines Regenwasserspeichers sowie die Gründung des „Upendo“-Waisenhauses. Seit den 1990er Jahren fördert der Verein zudem Bildungs- und Gesundheitsprojekte sowie Dorfentwicklung rund um Singida. Für die Aktivitäten in Ostafrika standen dem Verein 2018 145.000 Euro zur Verfügung – rund zwei Drittel kamen dabei von Stadt und Land Salzburg.

Grenzüberschreitend

Thomas Prorok, KDZ
Thomas Prorok, KDZ

Städtepartnerschaften sind vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg als Friedensmaßnahme populär geworden. Zunächst entstanden sie vor allem zwischen französischen und deutschen Städten, später wurde die Idee europaweit nachgeahmt. Auch österreichische Städte pflegen urbane Freundschaften, weiß Thomas Prorok vom KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung in Wien. „Es gibt in Österreich tausende kommunale Partnerschaften“, schätzt Prorok, allerdings existieren keine Daten zu deren Anzahl oder Art. Die Mehrheit bestehe jedenfalls zwischen europäischen Counterparts. Mitunter finden sich aber auch exotischere Beziehungen: So unterhält Leibnitz eine Städtefreundschaft zu Pedra Badejo auf den Kapverden, Linz ist mit San Carlos (Nicaragua) verpartnert, Klagenfurt mit Nanning (China) und Duschanbe (Tadschikistan) oder St. Pölten mit Wuhan (China).

„Wien bekommt laufend Partnerschaftsanträge auf Stadt- oder Bezirksebene“, sagt Madeleine Salinger von der Magistratsdirektion Europa und Internationales. Mit vielen Städten gebe es enge Kooperationen, auch wenn die Bundeshauptstadt keine Städte-partnerschaften im klassischen Sinn betreibe. „Dabei stehen Themen im Mittelpunkt, von denen beide Seiten profitieren können – im Fall unserer Kooperation mit der chinesischen Stadt Chengdu sind es innovativer Städtebau und Smart-City-Initiativen, Wirtschaft, Tourismus und Kultur.“ Zusätzlich fördert die Stadt Wien im Rahmen einer jährlichen Ausschreibung NGO für Projekte in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Geschlechtergleich-stellung. Darüber hinaus leistet Wien durch die Abgabe von gebrauchten medizintechnischen Geräten und Mobiliar humanitäre Hilfe in der Ukraine und in Moldawien.

Von Stadt zu Stadt

Einen entwicklungspolitischen Fokus finde man nur selten bei österreichischen Städtefreundschaften, erklärt Prorok, „meist handelt es sich um sportlichen und kulturellen Austausch.“ Und findet Entwicklungszusammenarbeit auf kommunaler Ebene statt, so ist das „vor allem die Arbeit engagierter Einzelpersonen“, weiß Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen Städtebunds, der kommunalen Interessenvertretung der 255 heimischen Städte.

Marlène Siméon, Platforma
Marlène Siméon, Platforma

In anderen Ländern sind Städte deutlich stärker in der Entwicklungshilfe aktiv. Dezentrale Zusammenarbeit findet vor allem zwischen Städten von Ländern statt, die „eine gemeinsame koloniale Vergangenheit mitsamt sprachlicher Verbundenheit haben“, sagt Marlène Siméon, Geschäftsführerin der Initiative Platforma. Platforma, ein Zusammenschluss europäischer Kommunen und Kommunalverbände, setzt sich seit der Gründung vor zehn Jahren für dezentrale Kooperationen ein. Man sei überzeugt, so Siméon, dass Städte als Entwicklungspartner einiges leisten können. „Dauerhafte Partnerschaften bieten viele Ansatzpunkte, die lokale und regionale Kompetenzen betreffen: Abfallmanagement, Abwasser, Kultur, öffentliche Dienstleistungen oder Entwicklung des wirtschaftlichen Umfelds.“ Sie sieht darüber hinaus den Vorteil, dass Städte bürgernah arbeiten und auch engagierte Bürger, Vereine oder migrantische Organisationen einbeziehbar seien.

Für Eva Dick vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik liegt eine Stärke von städtischer Kooperation „im Dialog auf Augenhöhe und Lösungen für Probleme, die beiden Partnern vertraut sind“ (siehe Interview). In vielen Projekten arbeiten Mitarbeiter aus Stadtverwaltungen gemeinsam an der Stärkung der kommunalen Verwaltung oder der Daseinsvorsorge. Als Erfolgsbeispiel gilt die belgische Kleinstadt Roeselare, die seit 2010 mit Dogbo in Benin befreundet ist: Gemeinsam haben Mitarbeiter beider Städte die Geburtsregistrierung Dogbos neu aufgesetzt. Aufgrund des Erfolgs und der Vorbildwirkung haben sie dafür den ersten „Platforma-Award“ bekommen.

Interview mit Eva Dick, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik

Eva Dick, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik

Voneinander lernen

Eva Dick forscht am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn zum Thema „Stadt in der Entwicklungszusammenarbeit“ und berichtet über kommunale Entwicklungszusammenarbeit vor allem aus deutscher Perspektive.

Auch in Deutschland will eine Preisverleihung zu kommunaler Zusammenarbeit inspirieren: Vorigen Dezember wurde der Deutsche Nachhaltigkeitspreis erstmals in der Kategorie „Kommunale Partnerschaften“ verliehen: Gewonnen haben Hoi An in Vietnam und Wernigerode in Sachsen-Anhalt. Das Paar pflegt seit 2013 einen regen Austausch zu Kultur, Bildung, Umweltschutz, Tourismus und Berufsqualifizierung. So gibt es ein Projekt zur Fachkräfteausbildung für Hotellerie und Gastronomie, gemeinsam erarbeitete man außerdem ein Handlungsprogramm zu Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel mit Fokus auf Erneuerbare Energie und Abfallbeseitigung.

Aufholbedarf

Hoi An und Wernigerode hatten beim Beziehungsaufbau Hilfe. Die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt SKEW berät deutsche Städte beim Einstieg in die Entwicklungszusammenarbeit, zeigt mögliche Projekte und wie sie dafür eine finanzielle Förderung erhalten können. „Nachhaltige Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsprojekte“ wird etwa mit bis zu 90 Prozent der Kosten (maximal 250.000 Euro) unterstützt. „Finanzielle Anreize sind ein wichtiger Treiber für dezentrale Entwicklungszusammenarbeit“, sagt Eva Dick. Laut SKEW hat sich seit 2012 die Anzahl der in der Entwicklungszusammenarbeit aktiven deutschen Kommunen auf knapp 800 nahezu vervierfacht.

Im Vergleich zum Nachbarn bestehe in Österreich „großer Aufholbedarf“, meint Prorok, „hierzulande gilt Entwicklungszusammenarbeit als Thema des Bundes“. Eine Förderstelle des zuständigen Ministeriums wie das SKEW in Deutschland gibt es nicht. Es fehlt an einer Strategie, die Städte als Entwicklungsakteure adressiert, so dass beispielsweise kommunale Experten ihre Kompetenzen im Rahmen internationaler Einsätze einbringen könnten. Denn Aktivitäten in Entwicklungsländern sind nicht ohne weiteres aus städtischen Haushalten zu finanzieren. Die Gelder sind knapp bemessen: Die öffentlichen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit der Bundesländer und Gemeinden bewegten sich zuletzt lediglich zwischen 5,5 und 8,8 Mio. Euro im Jahr.

Eine Beratungsstelle wie die SKEW „wäre ein klares politisches Bekenntnis zu dieser Form der Zusammenarbeit und wünschenswert“, meinen Rainer und Schröcksnadel vom Verein Salzburg-Singida. Die beiden wären aber auch schon mit weniger zufrieden: Ein erster Schritt wäre bereits die „dauerhafte politische Zustimmung auf lokaler Ebene“, erklären sie, denn „Städtepartnerschaften mit Ländern Afrikas, Lateinamerikas oder Asiens haben andere Zielsetzungen als kulturell orientierte Partnerschaften mit europäischen Städten und einen viel höheren Begleitbedarf.“ Und heimische Städte hätten einiges anzubieten, ist sich Prorok sicher, wie „Expertise rund um kommunale Daseinsvorsorge, lokale wirtschaftliche Entwicklung, administrative Kompetenzen oder die Organisation von Ehrenamtlichen.“

Zarte Pflänzchen

Auch wenn kommunale Entwicklungszusammenarbeit in Österreich heute noch kaum Thema ist, sieht Prorok zumindest etwas Bewegung in der Sache: Allgemein trage die Diskussion um die 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung SDG dazu bei, dass sich auch immer mehr Städte mit globaler Verantwortung auseinandersetzen. Und mit „BACID.eu“ – das Kürzel steht für Building Administrative Capacities in the Danube Region – gibt es ein erstes Programm, bei dem der Bund den Know-how-Transfer zwischen österreichischen Städten und Städten am Westbalkan und in Moldau finanziell unterstützt und so Beratungsprojekte für Tourismuskonzepte und Stadtplanungen ermöglicht.

Thomas Weninger, Österreichischer Städtebund
Thomas Weninger, Österreichischer Städtebund

Hier gehe es darum, „die Verwaltungsinstitutionen in diesen jungen Demokratien auf lokaler Ebene weiterzuentwickeln“, erklärt Thomas Weninger vom Städtebund. BACID wird von der Austrian Development Agency gefördert und vom Städtebund und dem KDZ abgewickelt. Das Volumen ist auf 6.000 bis 10.000 Euro pro förderfähiger Maßnahme allerdings stark begrenzt.

Dass die verstärkte Zusammenarbeit kommunaler Experten zur Entwicklung praktischer Ideen und wertvoller Lösungen führt, ist für Vincent Acakpo, Bürgermeister von Dogbo in Benin, durch die langjährigen Erfahrungen mit dem belgischen Partner Roeselare längst erwiesen. „Dezentralisierte Zusammenarbeit ermöglicht es, voneinander zu lernen und gute Erfahrungen auszutauschen“, meint er, und ist überzeugt: „Kein Land kann sich entwickeln, ohne die Kommunen zu beteiligen.“


Infobox: Kleinstädtische Teamarbeit

Partner seit 2010: Dogbo-Bürgermeister V. Acakpo (l.) und H. Kindt (r.), Stadtrat von Roeselare
Partner seit 2010: Dogbo-Bürgermeister V. Acakpo (l.) und H. Kindt (r.), Stadtrat von Roeselare

„16.200 Kinder wurden in den vergangenen fünf Jahren in Dogbo geboren“, erzählt Vincent Acakpo, Bürgermeister der west-afrikanischen Kleinstadt. Dass er diese Zahl nennen kann, ist einer mehrjährigen Partnerschaft mit der belgischen Kleinstadt Roeselare zu verdanken: Denn bis 2010 wurde in Dogbo ein erheblicher Teil der Neugeborenen nicht registriert. In Teamarbeit von Mitarbeitern beider städtischen Verwaltungen ist ein Riesenfortschritt gelungen: „Heute werden alle Geburten offiziell erfasst“, so Henk Kindt, Stadtrat von Roeselare, und erklärt, „diese Registrierung ist elementar, damit Menschen in die Schule gehen, Ausbildungen machen, einen Führerschein bekommen und eine gute Arbeit finden können“. Das Geburtsregistrierungsprogramm, das auf Capacity Building, Bewusstseinsbildung und Digitalisierung setzte, erhielt 2018 den „Platforma“-Preis für das „beste europäische Projekt der dezentralen Entwicklungszusammenarbeit.“


Fotos: KDZ, DIE, Österreichischer Städtebund, Platforma, Michael Ball