Zwischen drei und fünf Billionen Dollar, in jedem Fall aber eine Zahl mit zwölf Nullen. So hoch beziffern die Vereinten Nationen die jährlich erforderliche Investitionssumme, um die in der Agenda 2030 festgelegten ehrgeizigen globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung – kurz SDG – zu erreichen. Die Mammutaufgabe umfasst Themen von der Energiewende über Armutsbekämpfung bis zu sauberer Umwelt und nachhaltigem Konsum. Die gute Nachricht ist: Das nötige Kapital ist an sich vorhanden. Laut einem Report der Global Steering Group for Impact Investment GSG halten allein institutionelle Investoren ein geschätztes Investitionsvolumen von 91 Billionen Dollar auf globalen Kapitalmärkten, von denen aktuell mehr als neun Billionen Dollar in negativ verzinsten Anleihen veranlagt sind. Kleinanleger halten zusätzlich Vermögenswerte in Höhe von 110 Billionen Dollar. 

Zugleich steigt laut GSG das Interesse an nachhaltigen Anlageprodukten. Ein Großteil dieser Produkte garantiert jedoch lediglich, dass Anleger so genannte ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Governance) in ihre Finanzanalyse einbeziehen. Und somit etwa Unternehmen mit den schädlichsten Geschäftspraktiken ausschließen oder diejenigen priorisieren, die in Sachen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung besondere Vorreiter sind. Hinzu kommt, dass ESG-Investitionen ihren Fokus tendenziell auf börsennotierte Unternehmen an liquiden Kapitalmärkten legen. Weniger als ein Prozent der globalen Investitionen strebt jedoch proaktiv danach, messbare gesellschaftliche Wirkungen zu erzielen. 

Rendite plus Wirkung

Ein Mangel an Kapital scheint also nicht das Problem zu sein. Wie man dieses allerdings bestmöglich mit Unternehmen matcht, die weltweit kritische Bereiche wie Infrastruktur, Gesundheit, Wasser und Abwasser, Bildung oder nachhaltige Landwirtschaft voranbringen, ist noch ungeklärt. Ein Hoffnungsträger heißt Impact Investing. Dabei handelt es sich ganz allgemein um Investitionen in Unternehmen, Organisationen und Fonds, die nicht nur auf eine finanzielle Rendite, sondern auch auf positive, messbare gesellschaftliche und ökologische Auswirkungen abzielen. 

Anders als beim nachhaltigen Investieren ist beim Impact Investing die Wirkungsorientierung gleichrangig mit der finanziellen Rendite gestellt. Und diese Form der Anlagestrategie hat in den vergangenen zehn Jahren an Dynamik gewonnen: Das Global Impact Investing Network GIIN schätzt das globale Investitionsvolumen für Impact Investing mittlerweile auf 502 Mrd. Dollar. Zwei Drittel der Investoren, die in der Impact Investor Survey 2019 des GIIN befragt wurden, verfolgen durchaus wettbewerbsfähige, marktnahe Renditen (Details siehe Grafik).

Eine Umfrage des Global Impact Investing Network unter 266 Investoren mit einem importorientierten Portfolio von 238 Mrd. Dollar zeigt: Entwicklungsbanken halten knapp die Hälfte des Portfolios, unterscheiden sich in ihren Renditeerwartungen aber nicht nennenswert von kommerziellen Investoren. Anders sieht das bei Stiftungen und nicht-gewinnorientierten Fonds aus..

Solche wirkungsorientierten Investitionen fordern das Rollenverständnis der verschiedensten Akteure – Staat, Stiftungen, Pensionskassen, Großinvestoren, Kleinanleger – heraus. Sie stellen die traditionelle Ansicht in Frage, dass soziale und ökologische Problemstellungen nur mittels philanthropischer Spenden angegangen werden können und private Investoren sich ausschließlich auf die Erzielung finanzieller Erträge konzentrieren sollten. Gerade dieses Umdenken braucht es, meint auch Ulrich Grabenwarter vom Europäischen Investitionsfonds, um „die Erreichung der SDG nicht dem Zufall zu überlassen, sondern zu einem lösungsorientierten Investitionsansatz zu kommen, der den gewünschten Impact weltweit finanzierbar macht“ (siehe Interview).

Mobilisierung

Besondere Herausforderungen birgt die Schließung der Finanzierungslücke für die Erreichung der SDG dabei in Entwicklungsländern: Sie wird hier auf jährlich 2,5 Billionen Dollar geschätzt. Längst ist klar, dass die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen ODA, die sich 2018 auf insgesamt 153 Mrd. Dollar beliefen, diese Aufgabe nicht alleine stemmen können – und auch nicht sollten. Vielmehr müssen Entwicklungshilfemittel künftig verstärkt strategisch als Instrument zur Mobilisierung anderer Finanzierungsquellen eingesetzt werden. 

Eine wichtige Rolle kommt hier den bi- und multilateralen Entwicklungsbanken zu. Diese sind aufgrund ihres Mandats und der inhärenten Wirkungsorientierung selbst so etwas wie Impact Investoren, was aber noch viel wichtiger ist: Sie sind Enabler und Intermediäre, die einen Markt für Impact Investing aufbereiten können. Denn Entwicklungsbanken können durch konzessionäre Darlehen oder Zuschüsse Finanzierungslücken schließen und mittels Garantien, Nachrangdarlehen sowie der Übernahme risikobehafteter Kapitaltranchen innerhalb strukturierter Fonds das Gesamtrisiko von Investitionsvorhaben verringern und so dazu beitragen, diese auch für renditeorientierte Investoren attraktiv zu machen. Zudem besitzen Entwicklungsbanken spezifische Länder- und Sektorexpertise, um relevante Investitionsvorhaben in Schwellen- und Entwicklungsländern überhaupt zu identifizieren und zu strukturieren. 

Dem Anspruch, durch innovative Finanzierungsmechanismen auch andere Investorengruppen für Vorhaben in Entwicklungsländern mit positivem Impact zu mobilisieren, kommen bi- und multilaterale Entwicklungsbanken zunehmend nach – wenn auch noch weit entfernt von den angestrebten Billionenbeträgen. Ein gemeinsamer Bericht der bi- und multilateralen Entwicklungsbanken zeigt: Diese konnten 2018 für Vorhaben in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zusätzliche langfristige Mittel von privaten und institutionellen Investoren wie Versicherungsunternehmen, Pensions- und Staatsfonds in Höhe von 60,7 Mrd. Euro mobilisieren. 2017 waren es noch 49,5 Mrd. Euro. Auf die europäischen Entwicklungsbanken, die ein Gesamtportfolio von 41,2 Mrd. Euro halten – darunter jenes der Oesterreichischen Entwicklungsbank OeEB mit 1,2 Mrd. Euro – entfielen dabei rund 7,5 Mrd. Euro an zusätzlich mobilisiertem privatem und institutionellem Kapital.

Interview mit Ulrich Grabenwarter, European Investment Fund

Ulrich Grabenwarter, EIF

Echter Impact muss finanzierbar werden

Finanzexperte Ulrich Grabenwarter vom Europäischen Investitionsfonds EIF wünscht sich einen proaktiveren Umgang mit dem Thema Impact Investment und sieht eine wichtige Rolle für Entwicklungsbanken.

Mehr Partner, mehr Risiko

Wird es mit der wachsenden Zahl an privaten Investoren, die nicht nur nach Rendite, sondern auch nach ökologischem und sozialem Impact suchen, also leichter, privates Kapital an Bord zu holen? Bisher noch begrenzt – Entwicklungsfinanzierer müssen weiterhin händeringend nach Ansätzen suchen, die entwicklungspolitische Vorhaben auch in weniger entwickelten Ländern und abseits renditestarker Sektoren wie Energie und Industrie für private Kapitalgeber zumutbar machen.

Laut Grabenwarter liegt die größte Herausforderung in der überschaubaren Masse an Risikokapital, das die Entwicklungsbanken zur Verfügung haben. „Zwar sind Entwicklungsbanken mit Kapital ausgestattet, das eine geringere Renditeanforderung aufweist, die Risikobereitschaft ist aber aufgrund von immer strengeren Auflagen nicht unbedingt höher“, bedauert er. Während dabei etwa die Deutsche Entwicklungs- und Investitionsgesellschaft DEG mit einem Finanzierungsportfolio von 8,4 Mrd. Euro zumindest einen Teil ihres Budgets aus Haushaltsmitteln des deutschen Bundes erhält, ist die heimische OeEB im Kern eine Privatbank, die im Auftrag des Finanzministeriums tätig ist und über Bundeshaftungen abgesichert wird. Echtes Risikokapital – Fehlanzeige. 

Zudem rät etwa die Boston Consulting Group Entwicklungsfinanzierern zu einer engeren Zusammenarbeit mit externen Partnern. Viele würden zusätzliches Kapital und Expertise nicht von einem breiten Netzwerk aus privaten und institutionellen Investoren, sondern vorwiegend von anderen Entwicklungsbanken lukrieren. Ein sektorübergreifendes Netzwerk könnte hingegen dabei helfen, Know-how und Perspektiven privater Investoren in die Projektentwicklung einzubeziehen, um letztlich die Strukturierung innovativer Finanzierungsinstrumente und -vorhaben zu ermöglichen, die für ein breites Spektrum an Kapitalgebern attraktiv sind.

Während in naher Zukunft keine Aussicht auf echtes Risikokapital von der Republik Österreich besteht, startet die OeEB einen partnerschaftlichen Anlauf gemeinsam mit der Wiener Privatbank Bank Gutmann. Mit dem Gutmann OeEB Impact Fund will man künftig heimischen Großinvestoren die Möglichkeit bieten, über spezialisierte Private Equity Fonds in KMU in Schwellen- und Entwicklungsländern zu investieren. Laut Nikolaus Görg, Projektverantwortlicher bei der Bank Gutmann, war das Interesse bei den Kunden hoch, das erste Closing konnte bereits binnen weniger Wochen nach Vertriebsstart abgeschlossen werden. Damit macht auch die österreichische Entwicklungsbank einen Schritt in Richtung zusätzlicher Mobilisierung von privatem Kapital – für die Erreichung der Agenda 2030 müssen weltweit noch unzählige solcher Schritte
folgen.

 Fotos: Mykyta Dolmatov, Mihai M. Mitrea