Es ist der 25. April 2015, in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu wackelt Tim Gochers Haus, Gegenstände fliegen durch die Wohnung, ein Familienmitglied fällt die Treppe hinunter, Gocher hat den Schock seines Lebens und glaubt im ersten Moment, ein Flugzeug sei ganz in der Nähe abgestürzt. Die Erleichterung darüber, dass seine Familie und er bis auf einige blaue Flecken wohlauf sind, mischt sich schnell mit dem Entsetzen über das, was dieses Erdbeben mit seiner Wahlheimat Nepal gemacht hat: Rund 8.000 Tote, verheerende Verwüstungen, ganze Ortschaften sind vernichtet. Nur fünf Monate später blockiert Indien aufgrund eines Streits über die neue nepalesische Verfassung für einige Monate wichtige Versorgungsrouten in das kleine Nachbarland, es kommt zu enormen Engpässen bei Benzin, Gas und Medikamenten.

Den britischen Investmentbanker Gocher beschleichen daraufhin leichte Zweifel, ob die Gründung des ersten Private Equity Fonds in dem arg gebeutelten Himalaya-Land tatsächlich so eine gute Idee war. „Seitdem ging es aber nur bergauf“, sagt er heute und lacht: „Das Erdbeben hat auch dazu geführt, dass das Land enger zusammengerückt ist und endlich politisch stabil wurde. Dies sind nun die guten Zeiten!“

Optimismus und Enthusiasmus sind zwei Eigenschaften, die Gocher repräsentiert wie kein Zweiter, wenn er über Investmentmöglichkeiten in Nepal spricht. 2013 hat er, der sich beim Trekking vor 16 Jahren in das Land und in seine nepalesische Frau verliebte und schließlich Nepal zum Zentrum seines Geschäftslebens gemacht hat, den Dolma Impact Fund ins Leben gerufen. Dieser Private Equity Fonds stellt Wachstumskapital und Expertise für nepalesische Unternehmen zur Verfügung. Diese sollen dadurch ihre Kapazitäten, ihr Know-how und ihre Wettbewerbsfähigkeit ausbauen. Und vor allem Arbeitsplätze schaffen sowie weitere ausländische Investoren anlocken. 

Interview mit Tim Gocher, Dolma Impact Fund

Tim Gocher vom Dolma Impact Fund

Es kommt auf die Rendite an

Investor Tim Gocher ist davon überzeugt, dass nur verstärkter Wettbewerb und ein deutlich größeres Engagement ausländischer Investoren Nepal nachhaltig nach vorne bringen können. Noch ist er allerdings von Entwicklungsbanken...

Von beidem gibt es viel zu wenig in Nepal, dessen BIP pro Kopf im Jahr 2017 laut Weltbank bei 849 Dollar lag (1,8 Prozent des österreichischen Wertes). Dolma investiert als strategischer Partner, teilt Risiken mit den Unternehmern, und will mit ökonomisch sinnvollen Investitionen eine nachhaltige Entwicklung in Nepal anstoßen. Vor allem einige europäische Entwicklungsbanken haben Gocher seit 2011 geholfen, den Fonds aus der Taufe zu heben, unter anderem die Oesterreichische Entwicklungsbank OeEB, die ihre Beteiligung im vergangenen Jahr von vier auf 5,5 Mio. Dollar aufgestockt hat. Dolma ist ein Zehn-Jahres-Fonds, Gocher hat 15 Prozent Nettorendite als Ziel ausgegeben. Für erneuerbare Energieprojekte gibt es laut Gocher gute Exitmöglichkeiten an der nepalesischen Börse, für andere Projekte dürften diese im Weiterverkauf der Anteile an indische Konzerne liegen, von denen sich viele verstärkt auf Nepal konzentrieren. Zudem ist die nepalesische Währung an die indische gekoppelt.

Mitsprache ist ein Muss 

Nach einem Investment des Dolma Impact Fund sichert sich Gocher beim jeweiligen Unternehmen meist Anteile von 30 bis 49 Prozent, einen Platz im Aufsichtsrat, uneingeschränkten Zugang zu den Geschäftsbüchern und Vetorechte. Auf diese Weise will er mitgestalten und vor allem auch die Gefahr der Korruption im Keim ersticken. Beides tut er mit großem Erfolg: Das investierte Kapital des Fonds beträgt momentan 36,6 Mio. Dollar, 4.000 Jobs wurden durch die Investments in den Portfoliounternehmen geschaffen. Ein Beispiel ist das Pharmaunternehmen Rhododendron Biotech, der erste und einzige Hersteller von Dialyseflüssigkeit (Dialysat) in Nepal. Das Unternehmen beschäftigt mittlerweile fast 200 Mitarbeiter und schreibt schwarze Zahlen. Davon profitieren sowohl die Wirtschaft als auch die Nierenpatienten des Landes, deren Zahl in den vergangenen Jahren deutlich größer geworden ist. Unter ihnen ist auch der nepalesische Ministerpräsident, der sich in einer Unterredung mit Gocher begeistert über die Arbeit von Rhododendron Biotech gezeigt hat.

Ein weiteres Erfolgsbeispiel ist das Digitalunternehmen Cloud Factory, das bereits 1.800 Mitarbeiter hat. Die meisten von ihnen erfüllen simple Aufgaben der Dateneingabe, die man in Europa oder Amerika wohl eher langweilig fände, sagt Gocher. Und fügt hinzu: „In Nepal ist die Situation aber eine ganz andere. Man genießt einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert, wenn man dort arbeitet, die sind so cool wie Google.“ Darüber hinaus investiert der Dolma Impact Fund vor allem in erneuerbare Energie. Nepal hat mit Stromengpässen zu kämpfen, dabei bietet die weltweit bestaunte nepalesische Natur viele Möglichkeiten für eine nachhaltige Energieversorgung.

Werbung ist nicht nötig

In Gochers Team arbeiten elf Mitarbeiter, bis auf ihn selbst alles Nepalesen, die in den USA oder Europa ausgebildet wurden und zurückgekommen sind, um die Wirtschaft in ihrer Heimat voranzutreiben. Sie haben alle Hände voll zu tun, denn die Interessenten rennen ihnen die Türe ein. Wenn es so weiter geht, dürften Private Equity Fonds in Nepal in Zukunft keine Seltenheit mehr sein. Einen Nachahmer hat Gocher bereits. Zudem möchte er selbst bald noch einen weiteren Fonds ins Leben rufen.

Die OeEB wird den umtriebigen britischen Investor dabei weiterhin unterstützen.

„Als erster Private Equity Fonds Nepals hat Dolma bereits einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Kapitalmarkts und Stärkung des Privatsektors des Landes geleistet. Über unsere Beteiligung können wir dazu beitragen, Arbeitsplätze in Nepal zu schaffen und erneuerbare Energie auszubauen“, sagt OeEB-Vorstand Michael Wancata. Gocher selbst hofft in zwei oder drei Jahren wieder im Hause der OeEB in Wien zu Gast zu sein, um von den ersten Exits zu berichten.

Fotos: Dolma Impact Fund