Wie sehen Sie die wirtschaftliche Lage des Unternehmens?

Wastler: Die Vamed ist ein Wachstumskaiser, wir haben unseren Umsatz jetzt das 13. Jahr in Folge gesteigert. Das Jahr 2018 markiert allerdings einen Meilenstein in unserer Unternehmensentwicklung. Wir konnten im vergangenen Jahr das größte Umsatzwachstum der Unternehmensgeschichte verzeichnen, nämlich um 38 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro. Da spielt auch eine tolle Akquisition mit 38 Post-Akut-Einrichtungen in Deutschland hinein, mit der wir zu einem führenden Rehabilitationsanbieter in Europa aufgestiegen sind. Dazu sind wir mit einem Rekord-Auftragsbestand von 2,4 Milliarden Euro auch im Projektgeschäft ganz hervorragend aufgestellt. Und zwar weltweit. Wir haben Projekte auf allen Kontinenten und können auf eine Projekterfahrung in 88 Ländern zurückgreifen. Und auch wenn die Konjunkturprognosen für die Gesamtwirtschaft nicht mehr ganz so positiv ausfallen wie in der Vergangenheit: Die starke Auftragslage im Projektgeschäft, die wachsende Bedeutung unseres Dienstleistungsgeschäfts und unsere einzigartige Wertschöpfungslage stimmen mich absolut zuversichtlich, dass wir unsere Erfolgsgeschichte fortschreiben.  

Ernst Wastler, CEO der VAMED AG
Ernst Wastler, CEO der VAMED AG

„Wir ermöglichen rund 2.000 österreichischen KMU den Zugang zum Weltmarkt.“

Was macht Ihr Geschäftsmodell einzigartig?

Wastler: Die Vamed hat in Österreich in der Gesundheitsversorgung eine große Kompetenz aufgebaut. Wenn ich an unser erstes Projekt, das AKH Wien, zurückdenke: Die Vamed ist als technischer Betriebsführer seit mehr als 30 Jahren ein enger Partner des AKH Wien. Gemeinsam betreiben wir eine der größten Universitätskliniken Europas. Das findet weltweit Beachtung. Wir haben dieses Know-how international verfügbar gemacht. In dreieinhalb Jahrzehnten haben wir mehr als 900 Gesundheitsprojekte in rund 90 Ländern auf fünf Kontinenten realisiert und sind mit rund 10.000 medizinischen Mitarbeitern heute weltweit führend unter den Gesundheitsdienstleistern. Die einzigartige Verbindung von Projektaktivitäten und Folgedienstleistungen in der Vamed Wertschöpfungskette ermöglicht es uns, für eine Gesundheitseinrichtung alles aus einer Hand anzubieten. Was zudem oft übersehen wird: Wir ermöglichen dadurch auch rund 2.000 österreichischen KMU den Zugang zum Weltmarkt.

Wo liegen die Wachstumsmärkte der Vamed?

Wastler: Wir sehen sowohl in den entwickelten Ländern als auch in den Schwellenländern Wachstumspotenzial. Der Bedarf ist dabei aber unterschiedlich: In den entwickelten Ländern sind strukturelle Verbesserungen und Re-Engineering gefragt. Hier ist die Vamed seit langem ein gefragter Dienstleistungspartner – für langfristiges Outsourcing von Leistungen im medizinischen, technischen als auch im Managementbereich, für Medizintechnikbewirtschaftung und Modernisierung der medizintechnischen Ausstattung bis hin zu umfassenden Public Private Partnership-Modellen. In Schwellenländern geht es zuvorderst um den Aufbau von Infrastruktur. Unser Leistungsportfolio umfasst die komplette Projektentwicklung, Konzeption, Errichtung und das Projektmanagement von Gesundheitseinrichtungen, bis zu maßgeschneiderten Finanzierungsmodellen. zudem gewinnen auch hier langfristige Dienstleistungspartnerschaften immer mehr an Bedeutung.

Im Gesundheitsbereich ist ja oft nicht die Nachfrage, sondern Geld der limitierende Faktor. Wie gehen Sie damit um?

Wastler: Bei der Begleitung von Gesundheitseinrichtungen von der Projektentwicklung bis zum Betrieb spielt die strukturierte Finanzierung – das so genannte Financial Engineering – häufig eine entscheidende Rolle. Die Vamed verfügt sowohl über langjährige Erfahrung in der Gestaltung von Projektfinanzierungen als auch über ein internationales Netzwerk von Finanzierungspartnern, das die Basis ist, um unseren Kunden komplexe, strukturierte Finanzierungen anbieten und Gesundheitsprojekte weltweit realisieren zu können. Sowohl in entwickelten als auch in aufstrebenden Gesundheitsmärkten machen wir damit die Entwicklung neuer Gesundheitsangebote oftmals überhaupt erst möglich..

Wie gestaltet sich Ihr Geschäft in diesen aufstrebenden Märkten?

Wastler: Wir sind global unterwegs – und das nicht erst seit 2018, sondern seit mehr als 30 Jahren. Verändert hat sich vor allem die Quantität: Wir waren früher in 40 Märkten tätig, und heute sind es fast 90. Man muss das Attribut „global“ aber relativieren: Global bedeutet nämlich sehr wohl auch, die regionalen Besonderheiten genau im Auge zu behalten. Sie können Singapur nicht mit Ghana vergleichen. Das betrifft nicht nur die Kultur, sondern auch das Klima. Wenn Sie an einem Standort zwei Regenzeiten haben, müssen sie Ihr Spital anders planen, anders bauen und auch anders betreiben, als wenn Sie auf der arabischen Halbinsel tätig sind. Das Entscheidende, warum die Vamed überhaupt diese Spanne abdecken kann, liegt im Credo: „Think globally, act locally.“

Wie setzen Sie das Motto in die Praxis um?

Wastler: Ganz einfach durch ein 36 Jahre andauerndes Lernen. Ich darf noch einmal unsere einzigartige Wertschöpfungskette in Erinnerung rufen: Wir planen, entwickeln und errichten nicht nur, sondern schulen auch Personal und betreiben Einrichtungen auf Kundenwunsch auch selbst. Dabei ist es entscheidend, Lösungen an die lokalen Gegebenheiten anzupassen, um letztlich Nachhaltigkeit zu erreichen. In vielen westafrikanischen Ländern ist beispielsweise Dehydrierung ein wichtiges Thema in der Erstversorgung. Spitalsapotheken sollten daher die einfachen Infusionslösungen nicht teuer zukaufen, sondern lernen, diese vor Ort selbst zu erzeugen. Wenn es funktioniert, haben sie gewonnen. Dieses Denken haben wir schon seit 20 Jahren.

Unser Ansatz hat sich zudem über die Jahre laufend weiterentwickelt. Heute achten wir beispielsweise bei all unseren Projekten besonders auf einen Wissenstransfer. Gerade in aufstrebenden Ländern spielt die Fort- und Weiterbildung vor Ort eine entscheidende Rolle und ist der Schlüssel zu einem funktionierenden Gesundheitswesen. Ich gebe Ihnen dazu ein Beispiel aus Laos: Um einen nachhaltigen Betrieb des Krankenhauses in Vientane zu gewährleisten, haben wir bereits vor der Fertigstellung des Krankenhauses mit der medizinischen, technischen und administrativen Ausbildung des Personals vor Ort begonnen. Generell kann man aber beobachten, dass sich das Qualifizierungsniveau in den vergangenen 30 Jahren immens weiterentwickelt hat.

Ernst Wastler, CEO der VAMED AG
Ernst Wastler, CEO der VAMED AG

„Um letztlich Nachhaltigkeit zu erreichen, ist es entscheidend, Lösungen an die lokalen Gegebenheiten anzupassen.“

Kooperieren Sie hier auch mit der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit?

Wastler: Ja, wir arbeiten mit heimischen Entwicklungsakteuren traditionell gut zusammen. Ganz aktuell zum Beispiel in Chittagong in Bangladesch. Dort wird zwar diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal ausgebildet, aber leider sehr theorielastig. In einem Projekt mit der Austrian Development Agency haben wir ein praxisorientiertes Fortbildungsprogramm für medizinisches Fachpersonal am Imperial Hospital Chittagong nach westlichen Standards entwickelt. Damit wollen wir eine nachhaltige Verbesserung der medizinischen Versorgung erreichen. Solche Kooperationen mit der Entwicklungszusammenarbeit halte ich für sehr zielführend. Sie helfen dem Land und der lokalen Bevölkerung. Und sie helfen uns als Vamed, weil auch wir und unsere Kunden für die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen entsprechend gut ausgebildete lokale Arbeitskräfte brauchen.

Was bedeuten die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung SDG für die Vamed?

Wastler: Die SDG sind sehr umfassend, und ich sehe die Vamed in vielen Bereichen durchaus als Vorzeigekandidaten. Das beginnt bei unserem Geschäftsfeld: Unser ausschließlicher Fokus – Gesundheit und Wohlergehen – entspricht SDG 3: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern. Aber auch im Tagesgeschäft setzen wir Benchmarks, beispielsweise bei der Energieeffizienz von Gesundheitseinrichtungen: Wir waren meines Wissens nach die ersten, die ein so großes Krankenhaus wie das Wiener AKH auf Fernwärme und Fernkälte umgestellt haben. Es gibt daneben weitere Einrichtungen in Österreich, die weltweit als Referenz dienen, etwa das neue Landeskrankenhaus Neunkirchen oder die Rehaklinik in St. Veit im Pongau. Hier werden die Gebäude nicht nur höchsten ökologischen Kriterien gerecht, sondern sie erfüllen auch höchste ökonomische und soziale Anforderungen. Zu nachhaltiger Entwicklung allgemein haben wir auch eine regulative Einstellung. Als Vamed setzen wir auf strenge Richtlinien zu Compliance und unternehmerischer Verantwortung. Wir berücksichtigen bei all unseren Projekten auch ökologische und soziale Aspekte. Wir hatten nie den Zugang, in ein Schwellenland zu gehen, um dort um jeden Preis viel Geld zu verdienen.

Ernst Wastler, CEO der VAMED AG
Ernst Wastler, CEO der VAMED AG

„Die SDG sind sehr umfassend, und ich sehe die Vamed in vielen Bereichen durchaus als Vorzeigekandidaten.“

Welche Trends beeinflussen darüber hinaus Ihren Sektor?

Wastler: Eine wesentliche Rolle spielt die Digitalisierung – in unserem Bereich geht es um Betriebsführung oder Building Information Modelling, BIM. Durch den Einsatz neuester Technologien stellen wir sicher, dass Gesundheitseinrichtungen optimal bewirtschaftet und geführt werden können. Und zwar über den gesamten Lebenszyklus von der Errichtung bis zum Ende der primären Nutzung. Hier hat die Vamed eine Vorreiterrolle. Der Digitalisierung kommt im Gesundheitsbereich insbesondere in Entwicklungsländern eine immer wichtigere Rolle zu. Denn während es in Europa eine flächendeckende Versorgung gibt, ist das in den meisten afrikanischen Ländern noch ein weiter Weg. Daher ist die Digitalisierung für Afrika eine Chance, mit Handys und Smartphones den Zugang zu medizinischen Dienstleistungen in vielen Fällen erst zu ermöglichen. Das wird in Zukunft eine ganz wichtige Rolle im Gesundheitssystem einnehmen.

Worum geht es Ihnen als Manager?

Wastler: Arbeit sollte Spaß machen und hohen professionellen Maßstäben genügen. Erfolg hat man nur gemeinsam, das geht gar nicht anders. Und wenn man – so wie ich – zudem in einer Branche arbeitet, wo man täglich etwas mit hohem gesellschaftlichen Mehrwert schafft, dann ist das eine starke Motivation.

Vielen Dank für das Gespräch!

 


ZUR PERSON

Ernst Wastler ist seit 2001 Vorstandsvorsitzender des Gesundheitsdienstleisters Vamed AG, seit 2008 gehört er auch dem Vorstand des Mutterkonzerns Fresenius Management SE an. Zuvor hatte der gebürtige Linzer verschiedene Führungspositionen in international tätigen Unternehmen der Vamed-Gruppe inne. Der promovierte Handelswissenschafter begann seine berufliche Laufbahn 1981 im internationalen Consulting, Engineering und Projektmanagement bei der Austroplan GmbH, Wien.

ZUM UNTERNEHMEN

Gesunde Geschäfte
VAMED-Zentrale in Wien: Erneuert und erweitert
VAMED-Zentrale in Wien: Erneuert und erweitert

Die VAMED AG wurde 1982 als Voest-Alpine Medizintechnik GmbH gegründet, um den Bau des Wiener Großkrankenhauses AKH fertigzustellen. Seither hat sich die einstige Projektgesellschaft zu einem weltweit führenden Anbieter für Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen entwickelt, der in 88 Ländern mehr als 900 Projekte realisiert hat. Zu den neuesten Aufträgen zählen Krankenhausprojekte in Angola, China, Indonesien, Nicaragua, Oman und Trinidad-Tobago. Das Portfolio umfasst die Projektentwicklung und Planung, die schlüsselfertige Errichtung, die Instandhaltung, technische, kaufmännische und infrastrukturelle Dienstleistungen sowie die Betriebsführung. Unter Einbeziehung sämtlicher Bereiche, für welche die Vamed die Managementverantwortung trägt, betrug das Geschäftsvolumen 2018 2,2 Mrd. Euro. Mit 67 Post-Akut-Einrichtungen zählt das Unternehmen zu den führenden Rehabilitationsanbietern Europas und beschäftigt mehr als 27.000 Mitarbeiter, davon rund 6.300 in Österreich. Mehrheitseigentümer ist der deutsche Gesundheitskonzern Fresenius SE, weitere Beteiligungen halten die Republik Österreich und die B&C Holding.

Fotos: Mihai M. Mitrea